Kaffee oder Tee, das ist hier die Frage. Das eine soll gut für die Herzgesundheit sein, das andere gegen Diabetes helfen. Was ist dran – und welches Heißgetränk könnt ihr euren Patienten empfehlen?
Machte zuletzt der Imagewandel des Kaffees – vom risikobehafteten Suchtmittel zum pluripotenten Gesundheitselixier – von sich reden, kontert nun die Tee-Fraktion mit einer großen Querschnittstudie, die besonders der „echt“ fermentierten Aufgussvariante eine blutzuckersenkende und die Insulin-Sensitivität steigernde Wirksamkeit zuschreibt. Avanciert Chai fermentado zum preiswerten Antidiabetikum?
Kennt ihr den Unterschied zwischen schwarzem und dunklem Tee? Die bescheidene Tee-Expertise des sich eher der Schwarzer-Kaffee-Fraktion zugehörig fühlenden Autors dieser Zeilen beschränkte sich neben der Kenntnis von mehr oder minder aromatisierten Kräuter- und Früchtetees vorwiegend auf die Unterscheidung zwischen grünem/unfermentiertem und schwarzem/fermentiertem Tee. Dunkler Tee lief irgendwie unter meinem Radar.
Und auch, dass beim Tee unter Fermentation primär etwas anderes verstanden wird, als der an einen enzymatischen, durch Fermente vermittelten Prozess denkende gemeine Biologe sich vorstellt, war ein Aha-Erlebnis. Zu verdanken ist diese Erweckung der Beschäftigung mit einer Anfang Oktober 2023 auf dem Jahrestreffen der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Hamburg vorgestellten Arbeit. Im Ergebnis bescheinigt die durchgeführte Querschnittsstudie dem täglichen, habituellen Tee-Konsum eine antidiabetische Wirksamkeit. Wobei die Dunkelvariante andere Teearten – ob grün oder schwarz – bezüglich der Wirkungsstärke auf Blutzuckerregulation und Insulin-Sensitivität in den Schatten stellte. Gibt es eine Kausalität und wenn ja: Worin ist sie begründet?
Tee-Kenner, die keine Wissensauffrischung in der Tee-Verarbeitung benötigen, mögen diesen Absatz überspringen.
Für alle anderen ein kurzer Exkurs: Zur Unterscheidung von Grün- und Schwarztee wird gewöhnlich die fehlende (grün) bzw. erfolgte (schwarz) Fermentation herangezogen. Im biochemischen Sinn ist der Begriff hier nicht korrekt, da die Tee-Fermentation zu Schwarztee kein enzymatisch/mikrobiell vermittelter Prozess ist, sondern einer „normalen“ Luftoxidation entspricht. Es gibt aber auch echte, durch zugesetzte pro- und eukaryontische Mikroorganismen (Bakterien, Hefen) fermentierte Tee-Sorten wie beispielsweise Pu Erh. Zur Unterscheidung zum schwarzen werden sie als dunkler Tee bezeichnet. Diese Namensgebung wird dadurch verkompliziert, dass unser oxidierter Schwarztee in China Roter Tee genannt wird und dort erst durch die mikrobielle (Nach-)Fermentierung zum Schwarztee wird, der unserem Dunkeltee entspricht.
Verwirrt? Zum Verständnis der im Folgenden vorgestellten Studie reicht es, sich zu merken, dass es der mikrobiell fermentierte dunkle Tee ist, der zum Matchwinner im antidiabetischen Contest avanciert.
Als Probanden der australisch-chinesischen Studie wurden 1.923 in China lebende Erwachsene im Alter zwischen 20 und 80 Jahren akquiriert, die sich entweder als keine regelmäßigen Teetrinker einstuften (923) oder habituell eine bestimmte Teesorte konsumierten (1.000). Alle genossen ihren Tee pur, also ohne Milch und/oder Zucker. Der Frauenanteil lag bei knapp 71 Prozent (1.361). 436 Probanden wiesen einen diagnostizierten Typ-2-Diabetes (T2DM), 352 einen Prädiabetes und die übrigen 1.135 Teilnehmer eine intakte Blutzucker-Insulin-Regulation auf. Über einen standardisierten Fragebogen wurden von allen Probanden Informationen zu Konsumhäufigkeit (nie, hin und wieder, häufig, täglich) und Teeart (grün/nicht-oxidiert, schwarz/oxidiert, dunkel/mikrobiell fermentiert oder andere) eingeholt.
Die Glucose-Ausscheidung im Urin wurde über die Messung der Nüchternglucose (Urin-Glucose/Kreatinin-Quotient) und die Insulin-Sensitivität durch serologische Bestimmung des Triglycerid-Glucose Index (TyG) ermittelt. Bei der statistischen Auswertung ihrer Messergebnisse (logistische und multinomiale linearer Regressionsanalyse) berücksichtigten die Studienautoren diabetesrelevante Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnie, Body-Mass-Index, Alkohol-/Tabakkonsum, körperliche Aktivität und familiäre Diabetesprädisposition.
Die statistische Auswertung zeigte geschlechtsunabhängig, unter Abgleich der relevanten Begleitfaktoren, eine umgekehrte Korrelation zwischen Häufigkeit des Tee-Konsums und dem Auftreten von Prädiabetes und manifestiertem T2D. Numerisch spiegelte sich das in einer bei den habituellen, d. h. jeden Tag ihre bevorzugte Teeart konsumierenden Trinkern um 0,11 mmol/mmol höheren Glucose-Ausscheidung im Urin im Vergleich zu den Tee-Abstinenzlern wider. Allerdings war das 95%-Konfidenzintervall (CI 0,02–0,19) recht weit gestreut. Auch der als Surrogatparameter für die Insulin-Sensitivität bestimmte TyG wies bei den täglichen Tee-Konsumenten eine Reduktion von -0,23 (95 % CI -0,29 bis -0,17) gegenüber den Nicht-Teetrinkern und damit eine verbesserte Insulin-Ansprechbarkeit auf.
Aus dem Abgleich der Messwerte mit den Tee-Trinkgewohnheiten und dem Prä-/T2D-Status ihrer Probanden errechneten die Studienautoren für den täglichen Tee-Konsum eine signifikante Risikominimierung sowohl für einen Prädiabetes (Odds Ratio 0,61, 95 % CI 0,47–0,79) als auch für einen T2D (OR 0,64, 95 % CI 0,50–0,82) im Vergleich zur Tee-Abstinenz.
Beim Vergleich der konsumierten Teearten stach die mikrobiell fermentierte dunkle Variante in allen Beobachtungsparametern positiv heraus. Die Glucosurie war mit 0,16 mmol/mmol (95 % CI 0,06–0,25) noch deutlich höher und der TyG stärker reduziert (-0,31, 95 % CI -0,39 bis -0,24) als bei allen anderen Teearten. Entsprechend deutlicher fiel die statistische Risikominimierung für einen Prädiabetes (OR 0,43, 95 % CI 0,29–0,62) und einen T2D (OR 0,53, 95 % CI 0,37–0,75) aus.
Als denkbare Erklärung für einen zwar nicht bewiesenen, aber möglichen kausalen Zusammenhang zwischen täglichem Tee-Konsum und antidiabetischer Blutzuckerregulation stellen die Autoren eine Hemmung der bei Diabetikern oft erhöhten renalen Glucose-Retention zur Diskussion. Dass der mikrobiell fermentierte Dunkeltee hier stärker inhibitorisch wirkt als andere Teearten, könnte an antioxidativ und antiinflammatorisch wirksamen Fermentationsprodukten wie bestimmten Alkaloiden, Polyphenolen und freien Aminosäuren liegen, ließ Mitautor Prof. Tongzhi Wu von der Universität Adelaide verlauten. Erhellende klinische Studien seien in Planung.
Unter dem Hinweis auf den hypothetischen Charakter leiten die Studienautoren Hinweise ab, dass der tägliche Tee-Konsum, insbesondere in der dunklen Variante, eine ähnliche, hemmende Wirkung auf die renale Glucose-Retention entfalten könnte, wie die relativ neue antidiabetische Medikamentenklasse der SGLT2 (Sodium-Glucose co-Transporter-2)-Inhibitoren. Der Natrium-Glucose-Cotransporter-2 ist maßgeblich in die Rückresorption der Glucose im proximalen Nierentubulus involviert. Wird dieser Prozess durch SGLT2-hemmende Pharmaka (auch durch Tee?) attenuiert, resultiert eine vermehrte urinale Glucose-Ausscheidung und Senkung des Blutglucose-Spiegels.
Letztlich wird also die Verstärkung eines typischen Symptoms eines entgleisten Zuckerstoffwechsels (diabetische Glucosurie) therapeutisch zur Blutzuckerkontrolle eingesetzt. Aufgrund der bekannten Nebenwirkungen und Ausschlusskriterien für den SGTL2-Inhibitor-Einsatz, ist es ein charmanter Gedanke, auch mit täglichem (Dunkel-)Tee-Konsum die diabetisch erhöhte renale Glucose-Retention senken zu können.
Der Blick in die Studienlandschaft zeigt, dass andere aktuelle Arbeiten zur Tee-und-Diabetes-Assoziation wenig konsistent sind. Ein ebenfalls 2023 von Li et al. publizierter Doppelansatz aus einer Kohortenstudie mit den über 12 Jahre gesammelten Erhebungsdaten von über 5.000 Teilnehmern sowie einer Metaanalyse von 19 Kohortenstudien (insgesamt über eine Millionen Probanden) ergab einzig für die Subkohorte der Vielteetrinker mit einem Tageskonsum von mindestens vier Tassen eine signifikant reduzierte T2D-Prävalenz. Eine Differenzierung in oxidierte und fermentierte Teearten erfolgte nicht. Befragungsdesign und retrospektiver Auswertungsmodus ohne longitudinale Intervention erlauben auch hier keine Kausalitätsaussagen.
Vice versa gibt es auch unschmeichelhafte Studiendaten, die dem kurativen Tee-Image in Bezug auf die Blutzuckerregulation in die Parade fahren. Yinan Zhang et al. publizierten im März 2023 eine Arbeit, die eine Assoziation von langjährig habituellem Tee-Konsum mit ungünstigen Effekten auf Glucose- und Insulin-Metabolismus bei Diabetikern aus China ergaben.
Die Trennlinie zwischen Tee- und Kaffeeliebhabern wird gewöhnlich scharf gezogen. Im Volksempfinden gelten erstere noch immer als die Gesundheitsbewussten und letztere – überspitzt formuliert – als abhängigkeitsgefährdete Koffeinjunkies, wenngleich die chemische Kongruenz von Teein und Koffein mittlerweile den meisten bekannt ist.
Das Bekenntnis des Autors zum Kaffeegenuss drängt ihn, auf eine mittlerweile beträchtliche Zahl von Studien hinzuweisen, die dem habituellen Kaffeekonsum gesundheitliche Benefits (z. B. hier und hier), etwa auf die Herzkreislaufgesundheit und auch auf die Blutzuckerregulation (z. B. hier) und zwar auch in der entkoffeinierten Variante (hier, hier) zuschreiben. Erwartungsgemäß kranken auch diese Arbeiten in der Regel unter den gleichen Mankos im Design wie die Studien zum Tee-Konsum. Trotz aller Unsicherheiten ist es an der Zeit, auch den täglichen Mehrtassenkonsum von Kaffee endgültig aus der vermeintlich gesundheitsgefährdenden Schmuddelecke zu holen.
Der erratische Makel, der dem Kaffee bedenkliche Effekte auf Herz- Kreislauf-Gesundheit, Blutzuckerregulation, Elektrolythaushaushalt, wenn nicht sogar auf die Carcinogenese lange Jahre anhing, ist zum großen Teil der fehlenden Berücksichtigung begleitender Lebensstilfaktoren – insbesondere des Rauchverhaltens – zuzuschreiben. Die „Kaffee und Kippe“-Kombination ist bekanntermaßen weit verbreitet. Dem Kaffeekonsum anhaftende Negativwirkungen sind demnach in erster Linie dem begleitenden Rauchen (auch einer von Vlachopoulos et al. beschriebenen Verstärkung der schädigenden Tabakwirkungen durch Koffein) zuzuschreiben.
Bei der Bevorzugung der Heißgetränke scheiden sich nun mal die Geister, auch wenn es neben überzeugten Kaffeetrinkern und nicht minder entschiedenen Tee-Liebhabern natürlich auch die „Mal-so-mal-so-Konsumenten“ gibt. Für Diabetiker oder solche, die es nicht werden wollen, gibt es gegenwärtig keine belastbaren Gründe, ihrer jeweiligen Vorliebe für Tee oder Kaffee zu entsagen oder zur ungeliebten Fraktion überzulaufen.
Dass eines der beliebten Heißgetränke demnächst als offizielles Diabetes-Medikament den Weg in die ärztlichen Leitlinien findet oder die mikrobiell fermentierten Dunkel-Teeblätter mit antidiabetischer Wirksamkeit beworben werden dürfen, ist auch nach der auf dem EADS vorgestellten australisch-chinesischen Studie unwahrscheinlich. Querschnittsstudien im Befragungsdesign können kaum mehr als Schlaglichter liefern. Um Kausalitäten zu belegen, bedarf es sauber randomisiert-kontrollierter Längsschnittstudien im prospektiven Interventionsdesign. Dass solche Ansätze im Bereich der Ernährung sehr schwierig umzusetzen sind, ist ein altbekanntes Problem.
Zumindest gibt es trotz einiger genteiliger Befunde immer mehr Hinweise, dass regelmäßiger Tee- und auch Kaffeekonsum mit günstigen Wirkungen auf die Blutzucker- und Insulin-Regulation verbunden ist (sofern nicht Unmengen Zucker den Genuss versüßen und zu später Konsum den Nachtschlaf behindert). Daraus jedoch die allgemeine Empfehlung abzuleiten, analog einer Medikation täglich eine definierte Menge Tee/Kaffee zu trinken, um einen Typ-2-Diabetes zu therapieren bzw. Prophylaxe zu betreiben, fußt auf wackligen Beinen.
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