Chemotherapieresistenz wird häufig durch einen verlangsamten oder ruhenden Zellzyklus ausgelöst. Eine neue Studie hat jetzt einen Biomarker entdeckt, der Chemoresistenz und Rückfälle vorhersagen könnte.
Schätzungen zufolge kam es im Jahr 2020 zu weltweit mehr als 1,9 Millionen neuen Fällen von kolorektalem Karzinom und zu 935.000 Todesfällen. Insgesamt steht das kolorektale Karzinom an dritter Stelle in Bezug auf die Inzidenz, aber an zweiter Stelle in Bezug auf die Mortalität. Intrinsische oder erworbene Resistenz gegen Chemotherapie führt bei vielen Darmkrebspatienten zu einem Rezidiv und stellt einen ungedeckten klinischen Bedarf dar.
Die Chemotherapie greift Zellen an, die sich unkontrolliert vermehren. Einige Tumorzellen sind jedoch in der Lage, den Zellzyklus zu unterbrechen, um dem durch die Therapie ausgelösten Zelltod zu entgehen. Diese Zellen erwerben nicht nur Chemoresistenz, indem sie diesen nicht mutationsbedingten Mechanismus ausnutzen, sondern sie können auch – selbst Jahre nach der Behandlung – einen Krankheitsrückfall auslösen.
Die Ergebnisse einer Studie unter der Leitung von Héctor G. Palmer, Wissenschaftler am Vall d'Hebron Institute of Oncology's (VHIO), die in der Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlicht wurden, haben den DPPA3-Faktor (Developmental Pluripotency Associated 3) als Regulator der „langsamen Zyklizität“ und Chemoresistenz bei kolorektalem Karzinom (KRK) identifiziert.
„Die Mehrheit der KRK-Patienten entwickelt relativ schnell eine Chemoresistenz, die schließlich zu einem Rezidiv führt“, erklärt Héctor G. Palmer. „Einer unserer Forschungsschwerpunkte ist die Identifizierung neuer Mechanismen, die das Fortschreiten der Krankheit und die erworbene Resistenz regulieren, um neue Biomarker und therapeutische Ziele gegen das Wiederauftreten von Krebs zu finden.“
„Wir haben die Überexpression von DPPA3 in Proben von Patienten mit primärem und metastasiertem Darmkrebs untersucht“, sagt Estefanía Cuesta – zusammen mit Cándida Salvans ist sie Erstautorin dieser Studie – „und festgestellt, dass Patienten mit einer hohen DPPA3-Konzentration häufiger ein Rezidiv erleiden als Patienten ohne DPPA3. Die Überexpression von DPPA3 ist also ein prädiktiver Faktor für einen Krankheitsrückfall, der durch zelluläre Plastizität und nicht durch genetische Veränderungen bedingt ist. Darüber hinaus wurden die hohen DPPA3-Werte, die in Primärtumoren beobachtet wurden, nicht in Metastasen gefunden, was darauf hindeutet, dass DPPA3 zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Krankheitsprogression deaktiviert wird, um chemoresistenten metastatischen Zellen den Wiedereintritt in den Proliferationszyklus zu ermöglichen.“
Die Forscher zogen zwei mögliche Strategien in Betracht, um Rezidive zu kontrollieren: „Einerseits stellten wir die Hypothese auf, dass eine DPPA3-Blockade während der Chemotherapie die Zellen daran hindern könnte, in einen Ruhezustand überzugehen und so für die Therapie empfindlich zu bleiben. Die zweite potenzielle Strategie könnte darin bestehen, die DPPA3-Überexpression nach der Behandlung aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, dass ruhende Zellen erneut in den Zellzyklus eintreten und ein Rezidiv auslösen“, erklärt Hauptautorin Isabel Puig.
Laut Berechnungsmodellen ist es jedoch aufgrund seiner ungeordneten Struktur derzeit nicht möglich, einen Wirkstoff zu entwickeln, der an den DPPA3-Faktor bindet und ihn hemmt. „Mit dem Ziel, DPPA3 indirekt zu blockieren, haben wir daher die Schwachstellen von Zellen untersucht, die diesen Faktor exprimieren“, fügt Palmer hinzu.
Die Forschungsgruppe hat zwei Zellmodelle entwickelt, die die Eigenschaften von Tumoren analysieren, die hohe Mengen von DDPA3 exprimieren und gegen Chemotherapie resistent sind. „Anhand dieser Modelle haben wir herausgefunden, dass die Hypoxie-DPPA3-Achse – eine Rückkopplungsschleife, bei der erhöhte Werte eines Schlüsselregulators für Hypoxie (HIF1), hohe Werte von DPPA3 aufrechterhalten und umgekehrt – es den Tumorzellen ermöglicht, in einem Ruhezustand zu bleiben und eine Resistenz gegen Chemotherapie zu erwerben“, sagt Salvans.
Die Forscher haben geschlussfolgert, dass die Überexpression von DPPA3 Chemoresistenz und Krankheitsrückfälle bei Darmkrebspatienten vorhersagt. HIF1 wurde von ihnen als potenzielles therapeutisches Ziel identifiziert, um den Ruhezustand von Darmkrebs-Zellen zu deaktivieren und sie für eine Chemotherapie zu sensibilisieren.
Nach der Entdeckung dieses Mechanismus und in Anbetracht der Toxizität, die derzeit mit HIF1-Inhibitoren assoziiert wird, besteht der nächste Schritt darin, „diese Zellmodelle zu nutzen, um andere Ansätze zu identifizieren, um den Teufelskreis zwischen DPPA3 und HIF1 zu durchbrechen und so Krebszellen für eine Chemotherapie zu sensibilisieren“, fügt Puig hinzu. „Mit Hilfe von Maus-Avataren könnte es interessant sein, die Wirksamkeit der Kombination von DPPA3-HIF1-Hemmung mit Chemotherapie in Xenografts, die DPPA3 überexprimieren, präklinisch zu bewerten“, schließt Héctor G. Palmer.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Vall d'Hebron Instituts für Onkologie. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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