Erst die Corona-Infektion und dann Dengue – das kann gefährlich werden. Welche Rolle die Kreuzreaktivität dabei spielt, lest ihr hier.
Das Dengue-Virus ist eine zunehmende Bedrohung für Europa. Neben den eingeschleppten Fällen von Reiserückkehrern häufen sich auch die Fälle von lokal übertragenden Infektionen (DocCheck berichtete). Das allein ist Grund zur Sorge. Man kann sich aber damit beruhigen, dass die meisten Dengue-Infektionen asymptomatisch oder nur mit Grippe-ähnlichen Symptomen verlaufen und damit relativ ungefährlich sind. In Ländern, in denen das Dengue-Virus weit verbreitet ist, geht die größte Gefahr davon aus, dass sich Menschen mehrfach infizieren und die Erkrankungen mit jeder Infektion schwerer werden kann. Aber noch sind die Fallzahlen in Deutschland ja viel zu niedrig, um sich darum Sorgen machen zu müssen – oder?
Was wiederholte Dengue-Infektionen so gefährlich macht, ist das sogenannte Antibody-dependend enhancemend (ADE). Es gibt vier verschiedene Dengue-Serotypen (Dengue-1 bis Dengue-4). Infiziert man sich beispielsweise mit Dengue-1, bildet man in der Regel spezifische Antikörper, die vor einer erneuten Infektion mit Denuge-1 schützen. Fängt man sich danach allerdings einen anderen Dengue-Serotypen ein, sind die vorhandenen Antikörper nicht spezifisch genug, um davor zu schützen. Sie binden aber oft trotzdem an das Virus, was dazu führt, dass die Viren leichter in die körpereigenen Zellen eindringen können. Dadurch geht eine erneute Infektion mit einem anderen Serotypen meist mit schwerwiegenderen Symptomen einher. Die genauen zugrundeliegenden Mechanismen sind allerdings noch nicht abschließend geklärt.
Unter anderem wegen der ADE ist das Dengue-Virus für die betroffenen Regionen also ein großes Problem. Und im Jahr 2021 hat sich die Lage nochmal drastisch zugespitzt: Viele Länder verzeichneten einen enormen Anstieg der Fallzahlen. Beispielsweise zählte Bangladesch 19-mal so viele Infektionen wie noch im vorangegangenen Jahr. Der vermutete Grund: SARS-CoV-2.
Es scheint, dass SARS-CoV-2-spezifische Antikörper in einer ähnlichen Weise mit den Dengue-Viren interagieren wie die Antikörper der verschiedenen Serotypen untereinander. Eine vorangegangene Corona-Infektion könnte also ebenfalls zu einem ADE bei einer Dengue-Infektion führen und somit die Symptomatik verstärken.
Eine neue Studie bestätigte diesen Verdacht nun und lieferte erste Hinweise, wie die genaue Interaktion aussehen könnte. Anscheinend binden die SARS-CoV-2-Antikörper an das Envelope-Protein – also das gut zugängliche Oberflächen-Protein – des Dengue-Virus. Der Eintritt in menschliche Zellen scheint über den Fc-Rezeptor zu erfolgen. Die Autoren wiesen aber darauf hin, dass noch weitere Studien notwendig seien, um die genauen molekularen Abläufe zu klären. Die aktuellen Experimente beschränkten sich nämlich auf menschliche Zellkulturen und müssten noch im lebenden Organismus verifiziert werden.
Nun wird auch klar, warum wir uns auch hierzulange Sorgen um ADE-assoziierte Dengue-Infektionen machen müssen. Denn auch wenn die Dengue-Zahlen (noch) nicht hoch genug sind, um eine Mehrfach-Infektion wahrscheinlich zu machen, die Corona-Zahlen sind es allemal. Der Großteil der europäischen Bevölkerung besitzt Antikörper gegen SARS-CoV-2 – sei es durch eine Infektion oder eine Impfung. Dadurch könnte auch die erste Infektion mit dem Dengue-Virus prinzipiell bereits mit schwerwiegenden Symptomen, wie hämorrhagischem Denguefieber oder dem Dengue-Schock-Syndrom, einhergehen.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney