Die primäre ciliäre Dyskinesie geht mit schweren Atemwegserkrankungen einher – die Zilien der Bronchien können die Lunge nicht mehr reinigen. Eine aktuelle Studie zeigt, wie die Lungenfunktion Betroffener verbessert werden kann.
In unserer Lunge sorgt ein körpereigener Reinigungsbetrieb unermüdlich dafür, dass Schleim und mit diesem auch Zellabfälle und Krankheitserreger entfernt werden. Die Zilien in der Innenwand der Bronchien transportieren das Material durch koordinierte Schlagbewegungen in Richtung Rachen. Ist die Beweglichkeit der Flimmerhärchen eingeschränkt oder komplett verlorengegangen, sammelt sich der Schleim in den oberen und unteren Atemwegen und macht sie anfällig für Infektionen.
Bei der angeborenen primären ciliären Dyskinesie (PCD) ist die Funktion der Flimmerhärchen besonders schwer gestört und die Selbstreinigung funktioniert nicht mehr. Betroffene leiden an chronischen Atemwegserkrankungen wie Bronchitis, Lungenentzündung oder Bronchiektasen. PCD zählt zu den seltenen Erkrankungen und betrifft in Deutschland etwa eines von 10.000 Neugeborenen. Eine Heilung gibt es nicht.
Neben der Zilienfunktion ist bei PCD zudem der mangelnde Flüssigkeitsgehalt des Schleims Ursache seines gestörten Abtransportes. Ähnlich wie bei Mukoviszidose lagert sich dadurch zäher Schleim in den Atemwegen an. Bei Mukoviszidose hilft hier eine hypertone Kochsalzlösung, die beim Inhalieren auf die Schleimhautzellen der Atemwege trifft. Diese Osmose kann sich bei PCD-Betroffenen jedoch nicht einstellen, da ihre Zellen das Natrium (Na+) des inhalierten Kochsalzes (NaCl) über den epithelialen Natriumkanal (ENaC) sofort ins Blut weiterleiten.
In der CLEAN-PCD-Studie hat ein internationales Team um Dr. Felix Ringshausen, Oberarzt an der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), nun einen neuen Behandlungsansatz untersucht. Die Forscher haben mit einem Medikament die Weitergabe ins Blut blockiert. So konnte sich der Schleim in den Atemwegen beim Inhalieren wieder verflüssigen und leichter abtransportiert werden, was die Lungenfunktion der Patienten messbar verbesserte. Die Ergebnisse sind in The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht.
„PCD ist eine schwere Erkrankung, die das Leben stark einschränkt“, sagt Ringshausen, Erstautor der Studie. „Die Krankheit schläft nie, es gibt keine Erholungsphasen, ständig müssen Antibiotika gegen die Infekte und antientzündliche Medikamente eingenommen werden“, so der Mediziner. Oft hätten Patienten einen langen Leidensweg hinter sich, bevor die Erkrankung überhaupt eindeutig diagnostiziert werde. Denn PCD äußert sich je nach Alter unterschiedlich – bei Kindern eher in Hals-, Nasen-, Ohren-Beschwerden, verstopften Nasennebenhöhlen oder häufigen Mittelohrentzündungen. Bei Erwachsenen ist vor allem die Lungenfunktion eingeschränkt. In Röntgenuntersuchungen zeigt sich dann ein typischer Sekretstau im unteren Lungenbereich. Auch der Stickoxidgehalt der über die Nase ausgeatmeten Luft ist bei den Betroffenen extrem niedrig und eignet sich gut zur Diagnose.
Und es gibt noch weitere Auffälligkeiten, die auf PCD hindeuten können, denn bewegliche Zilien gibt es nicht nur in der Lunge. In der Embryonalentwicklung haben sie eine wichtige Funktion für die richtige Anordnung der inneren Organe. Bei etwa der Hälfte der PCD-Betroffenen liegen die inneren Organe daher seitenverkehrt; hier wird von einem Kartagener-Syndrom gesprochen. Zudem kommen Flimmerhärchen bei Spermien und in den Eileitern vor, weshalb PCD häufig mit einem unerfüllten Kinderwunsch einhergeht.
Letzte Sicherheit für die genaue Diagnose bietet ein Gentest. „An der MHH können wir bei PCD-Verdacht eine Untersuchung des gesamten Genoms vornehmen und nach den charakteristischen Gendefekten suchen“, sagt Ringshausen. Bislang sind mehr als 50 Gene bekannt, die an der Entstehung von PCD beteiligt sein können. „Vermutlich sind es aber viel mehr“, nimmt der Mediziner an. Und auch die Zahl der Betroffenen schätzt der Pneumologe höher: „Wir bekommen jede Woche einen neuen Fall hinzu.“
Zwar seien die Veränderungen in den vier- bis achtwöchigen Behandlungsphasen nur klein gewesen, dennoch habe die Studie ihr Ziel erreicht, die Lungenfunktion deutlich zu verbessern. Das sei für Betroffene ein großer Schritt: „Unsere Daten haben die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung mit Idrevlorid in hypertoner Kochsalzlösung nachgewiesen und deuten darauf hin, dass die Wirkung mit fortgesetzter Behandlungsdauer noch weiter zunehmen könnte“, sagt Ringshausen. Jetzt hofft er, dass eine größere und längere Studie diese Beobachtung bestätigt und die Therapie zukünftig hilft, die Lebensqualität vieler Patienten langfristig zu verbessern.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Flying Object, Unsplash