Menschen mit Suizidversuchen in jungen Jahren drohe später eine Langzeitarbeitslosigkeit. Viel größer sei ihr Anteil aber noch bei der Zahl der Langzeitkrankenstände und Invaliditätspensionen. Diese starken Auswirkungen auf das Berufsleben zeigt nun eine neue Studie auf.
Studien belegen die Zusammenhänge von Suizidversuchen junger Menschen mit späterer Arbeitslosigkeit. Doch die Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang sind stärker als bisher angenommen. In dieser Arbeit wurden erstmals neben Langzeitarbeitslosigkeit (länger als 180 Tage im Jahr) auch Langzeitkrankenstände (mehr als 90 Tage im Jahr) und Invaliditätspensionen unter die Lupe genommen. Wissenschaftler der MedUni Wien und des Karolinska Instituts in Stockholm werteten dazu Daten mehrerer schwedischer Register aus. Seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts werden in Schweden detaillierte statistische Daten über das Gesundheitssystem gesammelt. Diese erlauben einen guten Blick auf die Gesamtbevölkerung. Für die Studie wurden die beruflichen Werdegänge aller 16 bis 30-Jährigen (Stichjahr 1994) mit Suizidversuchen untersucht.
Die Studie, die im Top-Journal „International Journal of Epidemiology“ veröffentlicht wurde, zeigt einen eklatanten Zusammenhang zwischen Suizidversuchen und späteren Problemen, sich am Arbeitsmarkt zu etablieren. Menschen, die im Alter zwischen 16 und 30 Jahren einen oder mehrere Suizidversuche verübten, hatten später ein 1,6-fach gesteigertes Risiko auf Langzeitarbeitslosigkeit. Noch größer – und durch diese Studie erstmals aufgezeigt – ist das Risiko auf Langzeitkrankenstände (2,2 fach gesteigert) und auf Invaliditätspension (4,6-fach gesteigert). „Diese Risiken gelten für die schwedische Bevölkerung, auf Basis derer wir die Analyse durchführten, es ist aber davon auszugehen, dass die identifizierten Risikomuster im Wesentlichen auch für Österreich und andere Länder mit hochentwickelten Sozialsystemen Gültigkeit haben, erklärt Erstautor Thomas Niederkrotenthaler vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien anlässlich des Weltsuizidpräventionstages am 10. September.
„Die Auswirkungen von Suizidversuchen auf die Arbeitsmarktpartizipation wurde bisher beträchtlich unterschätzt, weil man sich meist nur die Fälle der Langzeitarbeitslosigkeit angesehen hatte. Dabei zeigt sich, dass Suizidversuche auch einen starken Effekt auf Krankenstände und Invaliditätspensionen haben“, so Niederkrotenthaler. „In Anbetracht dieser Ergebnisse ist es sehr wichtig, die Hintergründe, die zur Marginalisierung am Arbeitsmarkt führen, besser zu verstehen“, hebt Studienleiterin Ellenor Mittendorfer-Rutz vom Department of Clinical Neuroscience, Division of Insurance Medicine am Karolinska Institut hervor. „Dieses Wissen ist unumgänglich, um maßgeschneiderte Programme zur Arbeitsmarktintegration zu entwickeln.“ Invaliditätspensionen stellten bisher oft ein endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt dar. Doch das selbst kann langfristig gesundheitsschädlich sein. Mangelnde Perspektiven sowie ein fehlendes soziales Netzwerk mit Kollegen können negative psychosoziale Auswirkungen haben. Eine spätere Reintegration in den Arbeitsmarkt entsprechend der eigenen Fähigkeiten kann hier wünschenswert sein, auch aus sozialökonomischen Gründen, sagen die Wissenschaftler. Eine verbesserte Möglichkeit zur Rückkehr ins Berufsleben besteht in Österreich seit 2014. Ob sich diese Möglichkeit bewährt, müssen zukünftige Studien untersuchen. Originalpublikation: Future risk of labour market marginalization in young suicide attempters – a population-based prospective cohort study Thomas Niederkrotenthaler et al.; International Journal of Epidemiology, doi: 10.1093/ije/dyu155, 2014