Arbeiten als Arzt in den USA? Voraussetzung dafür ist fast immer das amerikanische Staatsexamen (USMLE). Wir haben uns mit dem Medizinstudenten Stephan über desssen Weg zum USMLE, die einzelnen Schritte und mögliche Fallstricke unterhalten.
143 Ärzte sind 2013 aus Deutschland in die USA ausgewandert. Jeder von ihnen, der weiterhin klinisch tätig sein will, muss vorher das United States Medical Licensing Examination (USMLE) bestehen. Als Belohnung winkt das Zertifikat der Educational Commission for Foreign Medical Graduates, die zentrale Anlaufstelle für ausländische Ärzte. Dieses dient zum einen der Anerkennung als Arzt in den USA, zum anderen als Berechtigung für die Bewerbung zur Residency, der Facharztweiterbildung. Auch einige Medizinstudierende stellen sich jedes Jahr der Herausforderung, zumeist weil sie Ihre Facharztweiterbildung in den USA absolvieren wollen. Einer davon ist Stephan Radzanowski aus Leipzig. Er hat bereits den ersten Step des USMLE abgeschlossen und erklärt, wie es weitergeht.
DocCheck: Stephan, warum hast Du Dich entschieden, das USMLE zu beginnen? Stephan: Ich hatte ursprünglich überlegt, in die USA auszuwandern. Die Begeisterung für die USA begann durch ein Auslandsjahr in der Schule und bestätigte sich durch ein Erasmus-Jahr in Spanien, wo ich viele Amerikaner kennenlernte. Deshalb wollte ich die Möglichkeit haben, meine Facharztweiterbildung in Amerika durchzuführen. © Stephan Radzanowski DocCheck: Welche Voraussetzung muss man für das USMLE mitbringen? Stephan: Als deutscher Medizinstudent muss man bereits das Physikum bestanden haben. Um das ECFMG-Zertifikat zu bekommen, muss man sein Medizinstudium in Deutschland abgeschlossen haben. Zudem sollte man eine große Portion Motivation, Zeit und Geld mitbringen. Für jeden der drei Steps des USMLE muss man mit 1.000 bis 2.000 Euro Gebühren und Kosten für Lehrmaterial rechnen. Insbesondere die praktische Prüfung im Step 2 ist sehr teuer, da man diese lediglich in den USA absolvieren kann. Man benötigt allerdings keinen extra Sprachnachweis, wie beispielsweise den TOEFL-Test. Dennoch sollte man gutes Fachenglisch lesen und sprechen können.
DocCheck: Wie läuft das Examen ab? Stephan: Das USMLE ist in drei Steps unterteilt. Alle drei Steps bestehen aus einer schriftlichen MC-Prüfung. Diese MC-Prüfungen können für die ersten beiden Steps in Deutschland in Prometic-Testzentren absolviert werden. Die Tests finden computerbasiert und individualisiert statt – man kann also jederzeit sein Examen ablegen. Zusätzlich gibt es beim zweiten Step eine praktische Prüfung mit jeweils 12 Schauspielpatienten. Diese Prüfungen sowie das dritte schriftliche Examen können nur in den USA abgelegt werden. DocCheck: Erkläre uns doch bitte die Schritte etwas genauer. Stephan: Step 1 ist der wichtigste Schritt beim USMLE. Die Prüfung dauert 8 Zeitstunden, in denen man in 7 Blöcken jeweils 46 MC-Fragen beantworten muss. Die MC-Fragen haben meist 5 Antwortmöglichkeiten – es sind aber bis zu 26 sind möglich. Für jeden Block hat man 1 Stunde Zeit – pro Frage also nur 78 Sekunden, statt der aus Deutschland im Physikum und in Klausuren gewohnten eineinhalb Minuten. Schon der erste Step ist sehr klinisch orientiert und legt den Schwerpunkt auf Pathologie, Pharmakologie und Biochemie. Er ist also keinesfalls gleichzusetzen mit dem Physikum. Ebenso wenig ist der Step 2 mit dem Staatsexamen gleichzusetzen. Bei diesem Schritt gibt es nun zwei Teile: Eine MC-Prüfung (Clinical Knowledge) und eine praktische Prüfung (Clinical Skills). Die MC-Prüfung kann wie Step 1 in Deutschland abgelegt werden. In 8 Blöcken zu je 44 Fragen hat man wieder jeweils 1 Stunde pro Block zur Beantwortung Zeit. Schwerpunkte sind diesmal Innere Medizin, Pädiatrie, Gynäkologie, Psychiatrie, Chirurgie und Infektionskrankheiten. Den praktischen Teil muss man in Philadelphia, Houston, Atlanta, Los Angeles oder Chicago ablegen. Innerhalb von 6 Stunden muss man bei 12 Schauspielpatienten eine Anamnese erheben, eine zielgerichtete Untersuchung durchführen und schließlich 5 Differentialdiagnosen und 5 Diagnostikvorschläge geben. 15 Minuten pro Fall hat man für die Anamneseerhebung und Untersuchung, 10 Minuten für die Dokumentation. Bei dieser Prüfung geht es weniger darum, die richtige Diagnose zu finden, sondern viel eher Sprachkompetenz und einen angemessenen Umgang mit dem Patienten unter Beweis zu stellen. Zudem muss alles, wie im US-Gesundheitssystem üblich, dokumentiert werden. Die praktische Prüfung darf man im Übrigen erst absolvieren, wenn man vorher die beiden schriftlichen Examen bestanden hat. Step 3 ist eine zweitägige Prüfung mit normalen MC-Fragen und einem Anteil an Simulationsfällen: Am ersten Tag warten 336 MC-Fragen in 7 Blöcken auf eine richtige Beantwortung. Tag 2 besteht aus 144 MC-Fragen, welche man in 3 Stunden zu beantworten hat. Daran schließen sich 12 Fall-Simulationen am PC an, dafür hat man 4 Stunden Zeit. In Step 3 muss man das gesamte klinische Wissen anwenden, ein Schwerpunkt liegt auch hier in der Inneren Medizin. DocCheck: Wie erfolgt die Auswertung der MC-Klausuren? Stephan: Das finde ich sehr fair gelöst: Anders als in Deutschland, wo es starre Punktzahlen und Bestehensgrenzen gibt, werden beim USMLE die Standardabweichungen vom Mittelwert betrachtet. Man kann also in seiner eigenen Prüfungskohorte deutlich leichter zeigen, ob man gut oder schlecht abgeschnitten hat, ohne das der Schwierigkeitsgrad der individuellen Prüfung im Vergleich zu den Prüfungen in anderen Jahren das Ergebnis verfälscht. Das Ergebnis bekommt man nach 3 bis 4 Wochen per Post zugestellt. Es ist eine absolut erreichte Punktzahl, aus welcher man sich dann die entsprechende Perzentile seiner Kohorte ausrechnen kann. DocCheck: Welchen Einfluss hat das Ergebnis auf eine eventuelle Facharztweiterbildung? Stephan: Einen sehr großen. Normalerweise bewerben sich die amerikanischen Medizinstudierenden in ihrem 4. Jahr für die Facharztweiterbildung. Gleichzeitig absolvieren sie im 4. Jahr auch den Step 2 des USMLE. Diejenigen, die sehr gute Ergebnisse im ersten Step erreichten, schieben ihre Step 2-Prüfung möglichst hinter das Ende der Bewerbungsfristen. Waren sie hingegen eher schlecht in der ersten Prüfung, schreiben sie den Step 2 vor Ende der Bewerbungsfrist, um sich mit diesem Ergebnis zu bewerben. Die Facharztweiterbildungsstellen werden nach einem Matching-System vergeben. Jeder Student kann Interviews mit seinen Wunschkrankenhäusern führen. Nach den Interviews erstellen beide Seiten Präferenzlisten. Danach werden Match-Listen erstellt und die Plätze vergeben. Natürlich steigt man mit einem sehr guten Examen auf der Liste der Krankenhäuser nach oben – einige führen sogar gar keine Interviews unter einem gewissen Ergebnis. Besonders beliebt sind übrigens die chirurgischen Fächer.
DocCheck: Wie bereite ich mich am besten auf die Prüfungen vor? Stephan: Ich habe etwa eineinhalb Jahre bevor ich den Step 1 geschrieben habe, begonnen, mich zu informieren. Grundlegende Quelle ist natürlich die Website des ECFMG, aber auch die Seite usmle.org und verschiedene Medizinerforen waren hilfreich. DocCheck: Zu welchem Zeitpunkt im Medizinstudium sollte man die einzelnen Steps ablegen? Stephan: Step 1 würde ich frühestens im 3., eher im 4. oder sogar erst im 5. Studienjahr empfehlen. Da sich Step 1 und 2 ähneln, würde ich den zweiten Step zeitnah zum ersten absolvieren. Den letzten Schritt würde ich erst nach Abschluss des Medizinstudiums angehen. DocCheck: Welche Lehrmaterialien hast Du verwendet? Stephan: Das wichtigste Lehrbuch ist sicherlich das „USMLE First Aid“. Es erscheint jährlich für jeden der drei Steps und ist ein Kompendium für das gesamte abgefragte Wissen. Das Lehrbuch wird von Ärzten gemeinsam mit Studierenden erstellt und vermittelt viele schwierige Sachverhalte auf einfache Art und Weise. Zudem habe ist mir „Goljan Rapid Review Pathology“ gekauft – ein sehr ausführliches Pathologiebuch. Ergänzend dazu habe ich mir einen Zugang zu Lernvideos gekauft. Zu guter Letzt habe ich natürlich auch Zugänge für die Fragendatenbanken gekauft: Diese sind relativ teuer, zwischen 200 und 300 Euro. Die „USMLE World“-Datenbank ist definitiv die Beste. Hier sind allerdings, anders als in Deutschland, keine Originalfragen enthalten, da diese nicht veröffentlicht werden, sondern nur Fragen, die diesen ähneln. DocCheck: Wie lange hast Du Dich auf die Prüfung vorbereitet? Stephan: Es gibt ein Sprichwort unter den Medizinstudierenden, welches die Wichtigkeit der einzelnen Steps verdeutlicht: Lerne 2 Monate für Step 1, 2 Wochen für Step 2 und 2 Tage für Step 3. Tatsächlich habe ich für den Step 1 etwa 3 Monate im Semester und 3 Monate in der vorlesungsfreien Zeit gelernt. DocCheck: Du hast jetzt bereits Step 1 abgeschlossen. Wie lautet Dein bisheriges Fazit? Stephan: Die Prüfungen sind wirklich hart, aber ich habe sehr viel dabei gelernt. Insbesondere die starke klinische Orientierung führt zu einem deutlich vernetzten Lernprozess. Dies war für mich dann auch in meinem Medizinstudium in Deutschland äußerst hilfreich. Kurz gesagt: Ich würde es wieder tun.