Wiederkäuer in Gefahr: Das tropische Blauzungenvirus hat es bis nach Nordeuropa geschafft – und breitet sich rasend schnell aus. Was ihr über den Erreger wissen müsst, lest ihr hier.
Das BTV (engl. bluetounge virus) ist ein Virus, das Wiederkäuer wie Schafe und Kühe befällt – für den Menschen besteht keine Gefahr. Für schafhaltende oder kuhhaltende Betriebe ist das tropische Virus aber ein großes Problem: Es kann zum Tod infizierter Tiere führen und die Produktion von tierischen Produkten massiv reduzieren.
Übertragen wird es durch Gnitzen, die zu den Stechmückenartigen gehören. Infizierte Tiere haben unter anderem Fieber, sind lethargisch und haben Läsionen im Maul. Durch das Platzen von Adern im Maulbereich kommt es zum typischen Symptom einer blauen Zunge und blauen Lippen. Da es keine Therapie oder medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten gibt, müssen die Tiere bei schwerem Krankheitsverlauf euthanasiert werden. Bei vergangenen Ausbrüchen, wie etwa in 2007, lag die Mortalität bei bis zu 50 %, die Mortalitätsrate der aktuellen Variante ist noch nicht bekannt. Bei der zurzeit kursierenden Virusvariante handelt es sich um BTV mit dem Serotyp 3. Dieser scheint potenter als die zuletzt ausgebrochene Viruslinie vom Serotyp 8 zu sein. Eine angepasste, wirksame Impfung gibt es zurzeit noch nicht. Die Krankheit ist in Europa meldepflichtig. Bei Verdacht müssen sich Tierhalter beim zuständigen Veterinäramt melden, damit eine mögliche Infektion mit BTV überprüft werden kann.
Erste Fälle in den Niederlanden konnten bereits Anfang September dieses Jahres nachgewiesen werden. Seitdem häufen sich die Fälle infizierter Tiere: Bis jetzt sind über 1.100 Schafe und Kühe infiziert aus 18 verschiedenen Schafsherden und 55 Kuhherden. Obwohl für Wiederkäuer, bzw. Tiere, die potenziell an der Blauzungenkrankheit erkranken können, in den Niederlanden eine Verbringungssperre gilt (sie unterliegen also einem Transportverbot), beschränkt sich das Virus nicht mehr nur auf unser Nachbarland. Auch in Belgien gibt es erste infizierte Tiere.
Der erste Fall in Deutschland, ein infiziertes Schaf, wurde heute (13.10.2023) durch das Friedrich-Loeffler-Institut für den Kreis Kleve bestätigt. Es wird empfohlen, Tiere in Risikogebieten und nachgewiesene Infektionen einzustallen. Dabei soll auf eine ausreichend starke Belüftung geachtet werden, sodass es Stechmücken erschwert wird in die Ställe zu gelangen. Andere Präventionsmaßnahmen gibt es zurzeit jedoch nicht. Die Entwicklung eines Impfstoffes hat beim letzten Ausbruch etwa ein Jahr gedauert.
Das einzig Positive ist, dass der Winter näher rückt. Bei kalten Temperaturen werden Insekten inaktiver, wodurch sich eine Ausbreitung verlangsamen könnte. Bei Frost sterben die Mücken und mit ihnen die (meisten) Erreger. Einige Mücken schaffen es dennoch in warmen Kellern oder Häusern zu überwintern, was dann zu einem erneuten Ausbruch des Viruses im Sommer führen kann.
Der aktuell noch sehr milde Herbst bremst die Ausbreitung nicht. Die durch den Klimawandel verursachten hohen Temperaturen werden auch in Zukunft Wegbereiter für hierzulande nicht-endemische Krankheitserreger sein. Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Entwicklung neuer Impfstoffe an Tempo anzieht und damit schnell auf neue Varianten und Viren reagiert werden kann.
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