Hautärzte wollen, was Gynäkologen haben: fest verankerte, regelmäßige Krebs-Screenings – wie das Mammographie-Programm. Doch wie sinnvoll ist das?
Momentan haben gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre Anrecht auf eine kostenlose Hautkrebsvorsorge. Angesichts beständig steigender Inzidenz ist ein regelmäßiges Screening sinnvoll – doch Patienten nehmen es zu wenig wahr, kritisieren Dermatologen. Es gebe keine festen Termine und zu wenig Aufklärung über Hautschutz, stattdessen wildes Screening hier und da. Sie fordern: Die Hautkrebsvorsorge muss staatlich organisiert werden. Denn dann müssten die Gesundheitsbehörden alle rund 35 Millionen Versicherten, die infrage kommen, offiziell anschreiben und an den Termin erinnern.
Das gelinge nur, wenn das Screening in die ambulante Versorgung eingebettet werde, am besten im Rahmen weiterer Gesundheitsreformen in dem Bereich, betont Dr. Ralph von Kiedrowski, Präsident des Berufsverbands Deutscher Dermatologen (BVDD). „Allerdings lassen die niederlassungsfeindlichen, politisch gewollten Rahmenbedingungen für den ambulanten Bereich ein Plus an Prävention nicht zu. Es fehlen schon heute bundesweit Dermatologinnen und Dermatologen, die die hohe Versorgungslast beim Hautkrebs stemmen sollen. Die Situation wird sich weiter verschärfen“, so der BVDD-Präsident. Momentan erreiche das Angebot „nur die ohnehin Gesundheitsbewussten und weniger die Vorsorgemuffel“, so der Verband in einer Pressemitteilung.
Als Beispiel für eine solche staatlich organisierte Vorsorge verweisen die Dermatologen auf das deutsche Mammographie-Screening-Programm. Gesetzlich versicherte Frauen zwischen 50 und 69 Jahren erhalten alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung, die Kosten für die Vorsorge tragen die Krankenkassen.
Dr. Petra Brandt, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, bezeichnet sich gegenüber DocCheck News als überzeugte Befürworterin des Programms. Sie sieht Vorteile darin, ein ähnliches Screening in der Dermatologie zu etablieren: „Ein Hautkrebs-Screening nach dem Modell des Mammographie-Screenings würde ich sehr begrüßen. Da wir in der Gynäkologie viel Hautfläche sehen, überweise ich Patientinnen nicht selten mit suspekt erscheinenden Befunden an dermatologische Kollegen oder erinnere an das Hautkrebs-Screening. Leider kommen dann immer wieder Aussagen wie: ‚Ich würde ja zum Hautarzt gehen, wenn ich einen finden würde‘ oder ‚Ich bekomme so schnell keinen Termin, meiner ist völlig überlaufen‘ – vielleicht würde ein geregeltes Screening für Entspannung sorgen und Verschleppung maligner Befunde vermeiden.“
Doch wie sieht es mit der Statistik dahinter aus? Eine aktuelle Meta-Analyse zeichnet ein nicht ganz so rosiges Bild. Laut der Arbeit von Prof. Michael Bretthauer et al. beeinflussen Krebsscreenings die Lebenserwartung der Patienten gar nicht. „Die Ergebnisse […] deuten darauf hin, dass die Behauptung, gängige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen würden Leben retten, indem sie die Lebenszeit verlängern, derzeit nicht belegt werden kann – mit Ausnahme der Darmkrebsfrüherkennung mittels Sigmoidoskopie.“ Auch Mammographie-Screenings haben die Forscher in ihre Analyse eingebunden.
Gerade in der Dermatologie könnten Patienten dennoch von einer verbesserten Regelmäßigkeit profitieren, meint Dr. Alice Martin, Hautärztin in Weiterbildung, im Gespräch mit DocCheck. „Eine Hautkrebsvorsorge ist im Moment unfassbar wichtig, da jedes Hautkrebsscreening nur eine Momentaufnahme ist und theoretisch ein Muttermal sich auch, wenige Wochen nach der Vorsorge, verändern bzw. entarten kann. Von daher sollten die Abstände so gering wie möglich sein, aus diesem Grund gibt es auch die ABCDE-Regel zur Selbstuntersuchung.“
Sie könne die Forderung des BVDD nach einer jährlichen statt zweijährlichen Hautkrebsvorsorge nachvollziehen – gerade angesichts momentaner Schönheitsideale und Freizeitvorlieben. „Besonders wichtig in aktuellen Zeiten ist es, dass Menschen noch stärker untersucht werden, aufgrund der allgemeinen Bräunungstendenz im Sommer – man sonnt sich gerne. Dazu kommt die kritische Evaluation von Sonnencreme in Social Media, sodass die Menschen unachtsamer mit der UV-Strahlung umgehen.“ Laut Bundesgesundheitsministerium sei ein solches Programm mit Einladungssystem jedoch „sehr unwahrscheinlich“, „solange es keine vergleichbaren von der Europäischen Kommission veröffentlichten Europäischen Leitlinien für die Hautkrebsfrüherkennung gibt“, wie die Tagesschau berichtet.
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