Abnehmen mit strikter Diät und Sport war gestern, heute spritzt man sich Semaglutid. Aber das Abspeckmittel bringt Risiken mit sich – besonders für den gastrointestinalen Bereich.
Spätestens seit Elon Musk und zahlreiche weitere Promis und TikTok-Influencer von dem beeindruckenden Abnehm-Erfolg mit dem Semaglutid-Medikament Ozempic® berichtet haben, ist die Nachfrage rasant gestiegen. Nicht ohne Grund findet man 1,3 Milliarden Aufrufe zu Ozempic® auf TikTok und nicht ohne Grund ist der Hersteller, Novo Nordisk, im letzten Monat zum wertvollsten Unternehmen in Europa aufgestiegen. Doch der Hype bleibt nicht ohne Nebenwirkungen.
Ozempic® ist eigentlich ein Medikament für Patienten mit Diabetes-Typ-2. Als es plötzlich als Abnehm-Wunder bekannt wurde, häuften sich Off-Label-Verschreibungen, wodurch es schnell eng wurde mit der Versorgung für Diabetiker. Betroffene mussten oft mehrere Apotheken abklappern, bis sie an das für sie lebenswichtige Medikament kamen.
Hoffnung auf ein Ende der Off-Label-Rezepte gab es im Juli, als Wegovy® auf den Markt kam. Es wird ebenfalls von Novo Nordisk vertrieben und enthält ebenfalls Semaglutid, allerdings in einer höheren Dosierung. Anders als Ozempic® wird Wegovy® spezifisch als Medikament zum Abnehmen vermarktet und kann für Menschen ab einem BMI von 30 bzw. 27 mit Begleiterkrankungen verschrieben werden.
Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Medikamenten ist aber: Ozempic® wird von der Krankenkasse übernommen, Wegovy® nicht. Deshalb ist die Nachfrage nach einer Off-Label-Nutzung von Ozempic® weiterhin hoch. Das BfArM hat Anfang Oktober erneut darauf hingewiesen, dass diese Praxis nicht zulässig sei und dass als Folge eine bedarfsdeckende und kontinuierliche Verfügbarkeit von Ozempic® für Diabetiker nach wie vor nicht gegeben sei. Apotheken sollen deshalb Ozempic® weder auf Vorlage eines Arztausweises rausgeben, noch bei einem Privatrezept ohne zugelassene Indikation.
Doch nicht nur Diabetiker leiden unter der Nutzung von Semaglutid zum Abnehmen: Auch die Nutzer selbst haben oft mit Begleiterscheinungen zu kämpfen. Als sehr häufige Nebenwirkungen (> 1 von 10 Patienten) listet Novo Nordisk Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfungen und Bauchschmerzen. Und in der Tat findet man auch unter den Promis und Influencern viele, die wegen eben diesen Nebenwirkungen die Behandlung abgebrochen haben.
Für die ursprüngliche Zielgruppe – Diabetiker – war außerdem bekannt, dass Semaglutid das Risiko für eine gastrointestinale Erkrankung erhöht. Da diese Patienten aber generell anfälliger für solche Erkrankungen sind, war nicht klar, ob dies auch für Patienten ohne Diabetes gilt, welche Semaglutid nur zum Abnehmen nehmen – bis jetzt.
Eine neue Studie wies nun nach, dass GLP-1-Agonisten wie Semaglutid und Liraglutid zu einem erhöhten Risiko für verschiedene gastrointestinale Erkrankungen führen. Verglichen wurden sie mit dem Abnehm-Medikament Bupropion-Naltrexon, welches nicht mit dem GLP-1-Rezeptor interagiert. Insbesondere das Risiko für eine Pankreatitis, einen Darmverschluss und eine Gastroparese war erhört, wohingegen keine stärkere Gefährdung für Gallenerkrankungen gefunden werden konnte.
Die Liste der Nebenwirkungen von Wegovy® wird nun also möglicherweise erweitert werden müssen. Zusätzlich steht Semaglutid im Verdacht, die Suizidalität zu erhöhen (DocCheck berichtete), was allerdings noch bestätigt werden muss.
Trotz der möglichen Nebenwirkungen ist nicht von der Hand zu weisen, dass Semaglutid zu einem enormen Gewichtsverlust führen kann (DocCheck berichtete hier und hier). Jedoch reichte Novo Nordisk dieses Jahr selbst eine Studie ein, die zeigte, dass der Abnehmeffekt nur anhält, wenn das Medikament dauerhaft gespritzt wird – setzt man ab, setzt man wieder an. Somit kommen auf die Nutzer erhebliche Kosten hinzu, die sich gegebenenfalls auf eine lebenslange Behandlung einlassen müssen.
Trotzdem werden immer wieder Forderungen laut, auch Wegovy® solle für bestimmte Patientengruppen von der Krankenkasse übernommen werden. Diese müssten allerdings genau definiert werden, denn die aktuelle Indikation von einem BMI ab 30 würde laut RKI-Schätzung 19 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland miteinschließen.
Zuletzt kommt der kommerzielle Erfolg – wie so oft – mit Schattenseiten. Erst kürzlich wurde vor Fälschungen von Ozempic® gewarnt, die auf noch unbekannten Wegen in Umlauf geraten und möglicherweise gesundheitsgefährdend sind (DocCheck berichtete). Der Gewinn, den diese Fälschungen brachten, ist noch nicht bekannt. Und dann machte der Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), Jens Aberle, Schlagzeilen, weil er mehrfach öffentliche Plattformen nutzte, um für eine Nutzung von Wegovy und dessen Übernahme durch die Krankenkassen zu werben. Dabei gab er jedoch häufiger nicht an, dass er und auch die DAG Spenden von Novo Nordisk erhalten haben und somit wohlmöglich ein Interessenskonflikt besteht.
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