Vom Diabetesmedikament zum Lifestyleprodukt – der Erfolg von Semaglutid weckt Begehrlichkeiten. Jetzt sind erstmals Fälschungen im Umlauf. Was ihr für die Arbeit in der Apotheke wissen müsst.
Ist der Markt leer, das fehlende Medikament teuer und sowohl bei einer Krankheit als auch für Lifestyle-Zwecke einsetzbar, wachsen Begehrlichkeiten. So geschehen bei dem Diabetesmedikament Ozempic®, das in den letzten Monaten auch als Abnehmspritze in den sozialen Medien bekannt wurde (DocCheck berichtete). Im Kreis Lörrach, Baden-Württemberg, sind jetzt gefälschte Packungen aufgetaucht, über deren Inhalt und Inverkehrbringer man von offizieller Stelle noch nichts erfahren konnte. Wie sollte das Apothekenpersonal damit umgehen, wenn ein Patient mit einer solchen Packung in der Offizin steht?
Seit Ende der vergangenen Woche weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf die dringende Warnmeldung des Regierungspräsidiums Freiburg hin, in der vor Fälschungen des Arzneimittels Ozempic® des Originalherstellers Novo Nordisk in deutscher Aufmachung gewarnt wird. In der Pressemitteilung warnt das Präsidium davor, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren von den Fälschungen ausgehen und sie keinesfalls angewendet werden dürfen. Wer meint, eine Fälschung gekauft zu haben, solle diese sofort in einer Apotheke vorbeibringen.
Auf der Seite des BfArM finden sich auch Vergleichsfotos, die eine Unterscheidung zwischen Original und Fälschung problemlos ermöglichen. Die Fälscher haben sich nicht bemüht, dem Original besonders nahzukommen.
Credit: BfArMDeutlich erkennbar ist, dass der Auslöseknopf der Originalpackung grau und der der Fälschung blau ist. Ebenso unterscheidet sich die Farbe des Patronenhalters, der beim Original ebenfalls grau ist, und bei der Fälschung komplett fehlt. Zudem ist das Original farblich eher hellblau, die Fälschung graublau. Im Grunde erinnert die Fälschung stark an einen Apidra® SoloStar-Pen.
Wer sein Ozempic® ganz legal mit Rezept in einer Apotheke erhalten hat, muss sich noch keine Sorgen machen, denn versehentliche Abgaben über eine Apotheke vor Ort sind bislang nicht bekannt – und äußerst unwahrscheinlich. Denn in den Apotheken würde eine solche Fälschung nicht nur über die andere Optik, sondern auch beim Ein- und Ausbuchen über den fehlerhaften 2D-Securpharm-Code auffallen. Von den Kammern wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Packung mit auffälligem Scan abgegeben werden darf, selbst wenn sie von außen unauffällig erscheint.
Wie sollen aber nun die Apothekenmitarbeiter vorgehen, wenn ihnen ein entsprechender Pen gebracht wird? Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) bittet sie, verunsicherte Patienten angemessen zu informieren und fälschungsverdächtige Packungen in Quarantäne zu lagern und umgehend der zuständigen Behörde sowie der AMK zu melden.
Wie viele der gefälschten Packungen insgesamt bisher gefunden wurden, ist unklar; auch, was statt dem Wirkstoff Semaglutid verwendet wurde. Die Rede ist jedoch von einer „größeren Zahl an Fälschungen“. Derzeit sind die Labore noch damit beschäftigt, den Inhalt der Fälschungen zu analysieren. Patienten, die den Pen bereits angewendet haben, sollten sich daher am besten in ärztliche Behandlung begeben. Gefunden wurden die Fälschungen übrigens bei einem Lörracher Großhändler – den Weg von dort in die Apotheken hat wohl keine der Fälschungen gefunden.
Grundsätzlich sind Arzneimittel-Fälschungen ein weltweites Problem, dem die WHO schon länger den Kampf angesagt hat. Sie warnt davor, dass sie vorwiegend auf unregulierten Websites, Social-Media-Plattformen und Smartphone-Anwendungen kursieren. Der Profit, der mit dem Handel von gefälschten Arzneimitteln zu erzielen ist, wird höher eingeschätzt als beim Drogenhandel. Häufiger werden allerdings eher Mittel zur Erektionssteigerung gehandelt als Insulinanaloga. Hier hat das Bundeskriminalamt ein eindrucksvolles Beispiel: „Mit einem Kilogramm des Lifestyle-Produkts Viagra® lassen sich auf dem Schwarzmarkt vermutlich zwischen 90.000 und 100.000 Euro erzielen (Stand 2017). Für Kokain hingegen erhält man 65.000 Euro, für Heroin 50.000 Euro pro Kilogramm.“
Wie viel sich mit den Ozempic-Fälschungen verdienen ließ, werden wir wohl nie erfahren. Interessant ist nun vor allem die Frage, wie sie den Weg zum Lörracher Großhändler fanden und was die Fälscher in den Pen gefüllt haben. War es harmlose Kochsalzlösung, oder wurde möglicherweise nur ein Apidra®-Pen umgelabelt? Wir werden es vermutlich in den kommenden Tagen erfahren, wenn die Labore ihre Prüfungen abgeschlossen haben. Bis dahin gilt es, wachsam zu bleiben, Betroffene zu betreuen und Fälschungen sicherzustellen. Auch das leistet eine Apotheke vor Ort und auch das ist wieder einmal eine Dienstleistung, die eine Versandapotheke nicht erbringen kann.
Bildquelle: Patrick Tomasso, Unsplash