Die Ursache für die Hälfte aller Totgeburten ist ungeklärt; viele Eltern suchen die Schuld darum bei sich. Dabei könnten viele Totgeburten mit einer Untersuchung der Plazenta vermieden werden. Wie, das lest ihr hier.
Wissenschaftler haben gezeigt, dass die Untersuchung der Plazenta zu einer genauen pathologischen Bestimmung von mehr als 90 % der zuvor ungeklärten Schwangerschaftsverluste führt – eine Entdeckung, die ihrer Ansicht nach die künftige Schwangerschaftsbetreuung beeinflussen kann. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Reproductive Sciences veröffentlicht.
In den Vereinigten Staaten gibt es jährlich etwa fünf Millionen Schwangerschaften, von denen eine Million mit einer Fehlgeburt (Verlust vor der 20. Schwangerschaftswoche) und über 20.000 mit einer Totgeburt in oder nach der 20. Schwangerschaftswoche enden. Bis zu 50 % dieser Verluste werden als ungeklärt eingestuft.
Patienten, die solche Schwangerschaftsverluste erleiden, wird oft gesagt, dass ihr Verlust unerklärlich sei und dass sie es einfach noch einmal versuchen sollten. Das trägt dazu bei, dass die Patienten sich für den Verlust verantwortlich fühlen, sagt Hauptautor Dr. Harvey Kliman, Forscher in der Abteilung für Geburtshilfe, Gynäkologie und Reproduktionswissenschaften an der Yale School of Medicine.
„Der Verlust einer Schwangerschaft ist eine Tragödie. Wenn man erfährt, dass es keine Erklärung gibt, bedeutet das für die betroffenen Familien einen enormen Schmerz“, so Kliman, der auch Leiter der Abteilung für Reproduktions- und Plazentaforschung ist. „Unser Ziel war es, die derzeitigen Klassifizierungssysteme zu erweitern, um die Zahl der Fälle zu verringern, die unbestimmt bleiben.“
Für die Studie arbeitete Kliman mit Beatrix Thompson, Medizinstudentin an der Harvard University, und Parker Holzer, ehemaliger Doktorand in der Abteilung für Statistik und Datenwissenschaft in Yale, zusammen, um ein erweitertes Klassifizierungssystem für Schwangerschaftsverluste auf der Grundlage der pathologischen Untersuchung von Verlustplazenten zu entwickeln.
Das Team begann mit einer Reihe von 1.527 Ein-Kind-Schwangerschaften, die mit einem Verlust endeten und zur Auswertung an Klimans Beratungsdienst in Yale geschickt wurden. Nach Ausschluss der Fälle, die kein geeignetes Untersuchungsmaterial enthielten, wurden 1.256 Plazenten von 922 Patientinnen untersucht. Davon waren 70 % Fehlgeburten und 30 % Totgeburten.
Durch Hinzufügen der expliziten Kategorien „Plazenta mit abnormaler Entwicklung“ (dysmorphe Plazenta) und „kleine Plazenta“ (eine Plazenta, die weniger als die 10. Perzentile des Gestationsalters aufweist) zu den bestehenden Kategorien Nabelschnurunfall, Abriss, Thrombose und Infektion, konnten die Autoren beispielsweise die pathologischen Diagnosen für 91,6 % der Schwangerschaften, einschließlich 88,5 % der Fehlgeburten und 98,7 % der Totgeburten bestimmen.
Das häufigste pathologische Merkmal, das bei ungeklärten Fehlgeburten beobachtet wurde, waren dysmorphe Plazenten (86,2 %), ein Marker, der mit genetischen Anomalien in Verbindung gebracht wird. Das häufigste pathologische Merkmal, das bei ungeklärten Totgeburten beobachtet wurde, war eine kleine Plazenta (33,9 %).
„Diese Arbeit deutet darauf hin, dass die mehr als 7.000 kleinen Plazenten pro Jahr, die mit Totgeburten in Verbindung gebracht werden, bereits im Mutterleib hätten entdeckt werden können, so dass diese Schwangerschaften bereits vor dem Verlust als Hochrisikoschwangerschaften gekennzeichnet worden wären“, so Kliman. „Ebenso könnte die Identifizierung dysmorpher Plazenten eine Möglichkeit sein, genetische Anomalien bei den fast eine Million Fehlgeburten, die in unserem Land jedes Jahr auftreten, zu erkennen.“
Er fügt hinzu: „Eine konkrete Erklärung für einen Schwangerschaftsverlust zu haben, hilft der Familie, zu verstehen, dass ihr Verlust nicht ihre Schuld war, ermöglicht es ihnen, den Heilungsprozess zu beginnen und, wenn möglich, ähnliche Verluste – insbesondere Totgeburten – in Zukunft zu verhindern.“ Auf die Frage, wie Totgeburten am wirksamsten verhindert werden könnten, antwortet Kliman: „Messen Sie die Plazenta!“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Yale School of Medicine. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Patricia Serna, Unsplash