Es ist wieder so weit: Die ersten Gewinner der Nobelpreise stehen fest. Wer bei den Wissenschafts-Oscars abgeräumt und den Preis für Medizin erhalten hat, lest ihr hier.
Die Gewinner stehen fest: Heute verkündete das Nobelpreis-Komitee die Nobelpreis-Träger für die Gebiete Medizin oder Physiologie. Aus einer Reihe hochrangiger Nominierter krönte das Gremium Katalin Karikó und Drew Weissman „für ihre Entdeckungen in Bezug auf Nukleosid-Basenmodifikationen, die die Entwicklung wirksamer mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 ermöglichen“.
Wie jedes Jahr, seit 1901, werden die Gewinner des Nobelpreises auf den Gebieten Physik, Chemie, Medizin oder Physiologie, Literatur und Frieden schon im Oktober bekannt gegeben. In seinem Nachlass beauftragte Alfred Nobel, dass von seinem Vermögen eine Stiftung gegründet werde, die jedes Jahr die vielversprechendste Forschung mit dem größten Nutzen für die Allgemeinheit auf den fünf Gebieten auszeichnen soll. Ein weiterer Nobelpreis wird zudem in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften vergeben, gestiftet von der schwedischen Nationalbank. Die offizielle Preisverleihung findet am 10. Dezember in Stockholm statt.
Der mit 10 Millionen schwedischen Kronen (ca. 867.000 Euro) dotierte Preis geht in diesem Jahr an die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó und den U.S. amerikanischen Immunologen Drew Weismann. Die Forscher haben gemeinsam die Grundlage für mRNA-Impfstoffe gelegt und gelten als Wegbereiter der mRNA-Technologie.
Die Idee statt herkömmlichen Impfungen mRNA als Template zu verwenden, um gewünschte Proteine zu synthetisieren, ist nicht neu, sondern beschäftigte Forscher schon seit langer Zeit.
Es gab jedoch eine große Hürde: in vitro produzierte mRNA löste in Zellen, in die sie transportiert wurde, eine Immunreaktion aus. Darum war die Menge an synthetisierten Proteinen sehr gering und die eingeschleuste mRNA löste eine Immunreaktion aus, an der inflammatorische Zytokine beteiligt sind – bei menschlicher mRNA bliebt diese Immunantwort überraschenderweise aus.
Karikó und Weissman waren sich daher sicher, dass sich die in vitro produzierte mRNA von der menschlichen mRNA unterscheiden muss. Ein Anhaltspunkt für sie waren Basenmodifikationen – diese sind bei Menschen nämlich viel häufiger als bei bakterieller mRNA. Basenmodifikationen sind Veränderungen in der DNA, wie z. B. Methylierungen oder auch einfügen von Stickstoffgruppen.
Um dies zu untersuchen, nutzten die Wissenschaftler ein in vitro-System, mithilfe dessen sie mRNA produzierten, die unterschiedliche Basenmodifikationen aufwies. Die verschieden-modifizierte mRNA schleusten sie in dendritische Zellen ein und überwachten parallel die Immun-Antwort der Zellen anhand von TNF-α, einem inflammatorischen Zytokin.
Der Erfolg gab ihnen Recht: Tatsächlich konnten Basenmodifikationen die Immun-Antwort umgehen. Bei einer Modifikation von Uridin in der mRNA, hin zu Pseudouridin, verzeichneten die Wissenschaftler die größten Erfolge.
War Pseudouridin statt Uridin in der mRNA enthalten, so blieb die Immun-Antwort aus und die Menge an synthetisiertem Protein war deutlich höher. Auch in Folgeexperimenten konnten die Forscher ihre Beobachtung erfolgreich reproduzieren – sowohl in vitro als auch in Tieren.
Diese Entdeckung beseitigte eine große Hürde in der mRNA-basierten Therapie und legte den Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung von mRNA-Impfstoffen. Olle Kämpe, Teil des Nobelpreis-Komitees hofft, dass die Vergabe des Preises an Karikó und Weissman Zweifel von Impf-Skeptikern beseitigen kann und sie dazu ermutigt, diese moderne Impf-Technologie zu nutzen.
Obwohl sie ihre Forschung bereits 2005 publizierten, gewann diese erst vor dem Gesichtspunkt der COVID-19-Pandemie an Aktualität und verdeutlichte wie fundamental die Entdeckung der beiden Wissenschaftler war. Daher wurden sie heute – 18 Jahre nach der Veröffentlichung ihrer Publikation – mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
18 Jahre sind in der Forschung eine lange Zeit, weswegen immer wieder Stimmen laut werden, die das Vorgehen des Nobelpreis-Komitees kritisieren. Wissenschaftler würden immer länger auf ihre wohlverdienten Preise warten, so eine Analyse von Forschern. Während bis in die 60er Jahre die Zeitspanne zwischen Publikation und Preis ca. zehn Jahre betrug, so warten Wissenschaftler in den 2010ern meist über 25 Jahre. Kritiker sagen, dass so eine Aktualität, wie von Alfred Nobel gewünscht, nicht gegeben ist. Da der Preis nicht posthum vergeben wird, könnten wichtige Meilensteine und wissenschaftliche Errungenschaften vom Nobel-Komitee unbeachtet bleiben.
Die beiden diesjährigen Gewinner jedoch können sich erstmal freuen. Insbesondere Katalin Karikó hat einen weiteren Grund zu feiern: Sie reiht sich jetzt in die noch sehr kurze Liste der weiblichen Nobelpreis-Gewinnerinnen im Bereich Medizin oder Physiologie ein. Bisher sind es lediglich 12 weibliche Preisträgerinnen. Ihr Gewinn ist für viele junge Wissenschaftlerinnen ein wichtiges Zeichen.
Bildquelle: Gwen King, Unsplash