Am Hepatitis-Screening im Check-up 35 scheiden sich die Geister. Was sich seit dessen Einführung getan hat, zeigen aktuelle Zahlen von der DEGAM-Tagung.
Die Sache kam damals auch für die Fachgesellschaften etwas unerwartet. Ein Screening auf Hepatitis B und C war zwar schon länger in der Diskussion. Seit zumindest die Hepatitis C mit extrem hohen Erfolgsraten kausal therapierbar ist, hatte sich die Diskussion darüber nochmal intensiviert. Denn damit war klar: Chronische Hepatitiden und hepatozelluläre Karzinome lassen sich verhindern. Allerdings forderten die Fachgesellschaften vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in erster Linie ein Screening für Risikogruppen.
Was dann ab dem 1. Oktober 2021 folgte, war die (einmalige) Integration des Hepatitis-Screenings in den Check-up 35, also ein extrem breit aufsetzendes, manche sagen „wildes“ Screening, das potenziell alle Bürger umfasst, die den Check-up in Anspruch nehmen. GKV-Daten zufolge sind das über einen 10-Jahres-Zeitraum etwa vier von fünf Personen. Seine ungewöhnliche Entscheidung – immerhin kostet die Sache ordentlich Geld – begründete der G-BA damit, dass es kaum möglich sei, die Risikogruppen für Hepatitiden diskriminierungsfrei abzufragen und zu screenen.
Zahlen aus unterschiedlichen Quellen für Deutschland besagen, dass die Anti-HCV-Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung bei etwa 0,3 % liegt, in nicht näher differenzierten Migrantenpopulationen bei 1,9 % und in MSM-Populationen bei 8,2 %. Bei IV-Drogenabhängigen ist es mehr als die Hälfte, und bei JVA-Insassen ohne Drogenanamnese sind es immerhin rund 20 %.
Bei der DEGAM-Tagung in Berlin präsentierte Dr. Dietrich Hüppe, seines Zeichens nicht Allgemeinmediziner, sondern Gastroenterologe aus Herne, eine erste kursorische Auswertung des Check-up-Screenings, die er anhand von RKI-Daten vorgenommen hat – angereichert durch anekdotische Erfahrungen zu einer vierstelligen Zahl von Screenings in der eigenen (gastroenterologischen) Praxis. Demnach beteiligen sich Stand Juli 2023 immerhin 46 % aller Hausarztpraxen zumindest am Hepatitis-Screening im Rahmen des Check-up 35. Zum gleichen Zeitpunkt ein Jahr zuvor waren es noch 34 %. Honoriert wird das mit 41 Punkten, entsprechend 4,56 Euro. Insgesamt hat sich dieses Labor-Screening demnach vergleichsweise schnell und relativ breit durchgesetzt.
Wie hat sich das nun auf die Hepatitis-Inzidenzen ausgewirkt? Bei der Hepatitis B gab es jahrelang rund 4.000 bis 5.000 gemeldete Fälle pro Jahr, bei der Hepatitis C waren es eher 5.000 bis 6.000. Bei der Hepatitis B stieg diese Zahl 2019 auf rund 9.000, weil ab diesem Zeitpunkt chronische B-Hepatitiden in der Statistik mitgezählt wurden. Deswegen macht es Sinn, 2019 als Ausgangsjahr zu nehmen, mit rund 9.000 Hepatitis B-Meldungen und rund 6.000 Hepatitis C Meldungen.
Diese Zahlen gehen seither deutlich bergauf. Bei der Hepatitis B waren es 2022 rund 16.000. Für 2023 sei auf Basis der aktuellen Zahlen mit etwa 24.000 Meldungen zu rechnen, so Hüppe. Bei der Hepatitis C waren es 2022 knapp 8000 Meldungen, und für 2023 seien etwa 12.000 zu erwarten. Spannend ist die Auswertung nach Altersklassen. Der Check-up 35 kann (normalerweise) ab einem Alter von 35 Jahren in Anspruch genommen werden, und entsprechend zeigt sich die Zunahme der Meldungen dann auch in erster Linie bei Menschen im mittleren Erwachsenenalter. „Diese Leute haben Sie identifiziert“, sagte Hüppe, ans Publikum der DEGAM-Tagung gerichtet.
Hüppe hatte noch ein paar weitere Zahlen im Gepäck. Die Auswertung nach Bundesländern zeigt, dass in Hamburg pro Einwohnerzahl mit Abstand am meisten neue Virushepatitiden gemeldet werden, gefolgt von Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die östlichen Bundesländer haben – auch im Vergleich zu westlichen Flächenländern – ausgesprochen niedrige Quoten, was Hüppe u.a. auf eine höhere Akzeptanz von Schutzimpfungen zurückführt.
Was die Behandlungen der Hepatitis C angeht, gibt es noch Luft nach oben, allerdings hängen die Daten etwas hinterher. 2022 sei die Erkrankung wahrscheinlich bei rund 6.000 Patienten therapiert worden, nach 5.600 im Jahr davor. Das ist ein Anstieg von nur 7 %, gegenüber mehr als 60 % bei den Neudiagnosen im gleichen Zeitraum. Das müsse sich ändern, so Hüppe: „Die Hepatitis C ist eliminierbar.“
Zu der interessanten Frage, inwieweit die Hepatitis-Diagnosen im Rahmen des Check-up 35 Risikogruppen betreffen, gibt es keine offiziellen Zahlen. Allerdings hat der Gastroenterologe in seiner eigenen Praxis eine Auswertung vorgenommen. Dort seien bisher über 1.000 Patienten identifiziert und behandelt worden: „Über 50 Prozent gehören keiner klaren Risikogruppe an.“
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