Ein neues Mittel verspricht gebräunte Haut und eine schlanke Linie – aber zu welchem Preis? Was die Barbie-Droge so gefährlich macht, lest ihr hier.
Der neue Barbie-Film hat durchaus gesellschaftskritische Ansätze, und wird von der Filmkritik deshalb besser bewertet als so mancher vorausgesehen hatte. In Zeiten, in denen Bodyshaming als absolutes Tabu gesehen wird, hat man in der Apotheke trotzdem immer wieder den Eindruck, dass sich im Grunde nichts geändert hat: Die Menschen wollen vor allem schlank, gebräunt und gutaussehend sein.
Nach Kapseln für Haut, Haare oder Nägel, nach Tabletten zur Erhaltung der Potenz und Spritzen zum Abnehmen wird man jedenfalls deutlich häufiger gefragt, als nach einem Mittel zur Steigerung der Merkfähigkeit oder zur Stimulation des Geistes. Derzeit wieder im Trend ist neben Ozempic zum Gewichtsabbau – was anfangs ja durchaus auch die Apotheken betraf – auch Melanotan II, das nur über illegale Kanäle beschafft werden kann. Es wird zur Bräunung der Haut, zum Erhalt einer schlanken Linie und zur Steigerung der sexuellen Erregbarkeit eingesetzt.
Was ist Melanotan II eigentlich genau? Im Grunde ist es dem natürlich in der Haut vorkommenden Melanozyten-stimulierenden Hormon (α-MSH) künstlich nachgebildet, das das Hungergefühl herabsetzt, die sexuelle Erregung im ZNS steigert und die Bildung von Melanozyten reguliert. Auf den ersten Blick also perfekt – so möchte man meinen – um so auszusehen, wie es uns im Barbie-Film zu großen Teilen vorgelebt wird. Doch wo man Licht findet, ist auch der Schatten nicht weit. Aufgrund seiner zahlreichen gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen wurde Melanotan II nicht als Arzneimittel zugelassen. Injiziert man sich das Peptid, implantiert man ein Stäbchen, das es langsam abgibt, oder konsumiert man es mittels eines Nasensprays, so kommt es bei den Anwendern praktisch immer zu sehr starker Übelkeit. Wer sich nach der Anwendung nicht gleich übergeben muss, den erwarten häufig stattdessen Kopfschmerzen. Der Gebrauch des Stoffes führt zudem nicht nur zu einer Bräunung der gesunden Haut, sondern ebenfalls der Muttermale. Ob dabei auch das Krebsrisiko steigt, ist bislang noch unklar.
Bereits im Jahr 2010 hatte sich das BfArM mit der besonders häufig von Sportstudiogängern illegal beschafften Substanz beschäftigt, und vor der Anwendung dringend abgeraten. Man sah damals vor allem Gefahren „für das Herz-Kreislaufsystem, den Verdauungstrakt und unbeabsichtigte Veränderungen der Hautfärbung“. Es wurde in einer Studie zudem sowohl ein Anstieg des Blutdrucks, Herzrasen und Verwirrtheit, als auch das Auftreten eines Flushs beobachtet. Zudem war und ist die stoffliche Qualität, die Sicherheit und Wirksamkeit weder ausreichend untersucht, noch sind die Quellen, aus denen die Substanz stammt, seriös. Das Auftreten von Hautkrebs bei vier jungen Menschen, die in diese Studie mit aufgenommen wurden, ist aufgrund fehlender Langezeitstudien vielleicht nur anekdotisch – vielleicht aber auch nicht. Die Verdunkelung und Vergrößerung bereits bestehender Muttermale bereitet vor allem den Hautärzten Sorge, denn eine Erkennung von Hautkrebs wird dadurch erschwert.
Doch was tun die Menschen nicht alles, um wie eine lebende Barbie-Puppe auszusehen? Der neueste Trend, der vor allem auf der Tiktok gefeiert wird, ist „Traptox“, auch „Barbie Botox“ genannt. Mittels etwa 40 kleiner Botox-Injektionen in den Nacken und den Trapezmuskel sollen Verspannungen gelöst werden, die sich beispielsweise durch die unnatürliche Körperhaltung der Viel-Handyuser ergeben. Der Nebeneffekt ist ein Schwanenhals, der auf diese Weise optisch schmaler und länger wirkt – Barbielike also. Mittels des in der Schönheitsindustrie beliebten Nervengifts werden also nicht nur Falten und Fältchen der Ü30er reduziert, sondern auch das Aussehen der gerade einmal 20-Jährigen gepimpt, um ihrem Ideal immer näher zu kommen.
Gefährlich wird es hier vor allem, wenn die Spritze mit Botulinumtoxin nicht von einem Arzt geführt wird, sondern von der Kosmetikerin oder der besten Freundin, nach Anleitung aus den sozialen Medien. Botulinumtoxin ist gerade in der tiefen Muskulatur nicht ungefährlich, wenn es falsch eingesetzt wird. Es drohen Haltungsschäden. Und wer nicht glaubt, wie viele junge Menschen sich für das Thema interessieren, der schaut sich die Klickzahlen für den Hashtag #barbiebotox bei TikTok einmal genauer an. Es ist erschreckend, wie unreflektiert eine solche Behandlung oft dargestellt wird.
Schönheitstrends sind heutzutage offenbar vor allem mittels verschiedener Medikamente oder anderer Wirkstoffe zu erreichen, denn es scheint so schnell und einfach zu sein. Ob sich hier jemand erst einmal vor Ort beim Arzt oder in der Apotheke beraten lässt, ist daher fraglich. Die heilenden und beratenden Berufsgruppen sind daher aufgerufen, sich öfter einmal in die Sozialen Medien zu begeben, um aufzuklären – bevor das eine 20-jährige TikTokerin übernimmt.
Bildquelle: Shi Min, Unsplash