Wissenschaftlern ist es gelungen, einen wichtigen Signalweg beim Wachstum von Lebertumoren zu identifizieren und zu blockieren und damit das Tumorwachstum zu verzögern. Dies soll die Effektivität eines Wirkstoffes erhöhen und zu einer neuen Kombitherapie führen.
Prof. Dr. med. Lars Zender und sein Team konnten zeigen, dass die Wirksamkeit des Leberkrebs-Medikamentes Sorafenib, welche mit zunehmender Therapiedauer sinkt, durch die Blockade eines neu identifizierten Genproduktes deutlich gesteigert und verlängert werden kann. Eine Studie mit Leberkrebspatienten soll baldmöglichst zeigen, inwieweit sich die Überlebenszeit der Patienten dadurch verlängert.
Nicht alle Tumoren können durch eine Operation oder die Zerstörung, beispielsweise durch Hitze, behandelt werden. Kann der Leberkrebs weder operativ entfernt noch anderweitig vollständig zerstört werden, sind die Patienten auf eine medikamentöse Therapie mit dem Tyrosinkinasehemmer Sorafenib angewiesen. Diese Behandlung kann fortgeschrittenen Leberkrebs nicht heilen, jedoch das Wachstum des Tumors für eine gewisse Zeit zum Stillstand bringen und das Überleben verlängern. Die Wirkung des Medikaments Sorafenib beruht darauf, dass es einen Signalweg in der Zelle blockiert. Das Zellwachstum stagniert. Diese Blockade ist jedoch nicht von Dauer, die Zelle sucht sich – vereinfacht gesagt – einen „Umweg“, um das für das weitere Wachstum nötige Signal auf anderem Weg zu bekommen. Sobald das fehlende Signal wieder verfügbar ist, kann der Tumor weiterwachsen, was nach einer gewissen Zeit geschieht.
Das Tübinger Forscherteam mit den Erstautoren der Studie, Dr. Ramona Rudalska und Dr. Daniel Dauch, konnte nun mit einer bestimmten Technologie (RNA Interferenz Screens) den Teil der Erbsubstanz identifizieren, der der Zelle den „Umweg“ erlaubt. Ebenfalls konnte mittels RNA-Interferenz im Labor gezeigt werden, dass die Blockade des Zielgens (Mapk14) bzw. dessen Genproduktes zu einer verbesserten und verlängerten Wirkung von Sorafenib führt, ebenso wie zu einer verlängerten Überlebenszeit von Mäusen mit Leberzellkarzinomen. Das Zielgen, das identifiziert wurde und gehemmt werden sollte, war in Tübingen kein Unbekanntes. Professor Dr. Stefan Laufer vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen beforscht seit langem Proteinkinase-Inhibitoren und hat mit ca. 4.000 eigenen Substanzen die wohl größte akademische Wirkstoffbibliothek in Deutschland auf diesem Gebiet. Glücklicherweise waren speziell für p38 MAPK (Mapk 14) die bisher selektivsten Wirkstoffe enthalten. Diese sind bereits umfassend präklinisch untersucht und stellen damit hoffnungsvolle Entwicklungskandidaten dar.
Durch eine Kombination von Sorafenib und den Inhibitoren gegen Mapk14 konnte das Tumorwachstum sowohl im Mausmodell als auch in Zellkulturen menschlicher Leberzellkarzinome deutlich länger gestoppt werden. Für Patienten mit Leberkrebs erhoffen sich die Experten, dass diese Kombinationstherapie den Tumor länger am Wachsen hindert, d.h. die Überlebenszeit sich verlängert. „Klinisch häufige Tumore wie z.B. Dickdarmkrebs oder Leberkrebs stellen immer noch eine große Herausforderung für uns Ärzte dar. Wir forschen daran, neue Therapiekonzepte zu entwickeln, die eine nachhaltigere Tumorkontrolle bei guter Lebensqualität auch bei aggressiven Karzinomen ermöglichen und somit die Überlebenszeit verlängern. Dazu wollen wir das neue Therapiekonzept so schnell wie möglich in einer klinischen Studie überprüfen und bei Erfolg den Patienten anbieten. [...]“, so Zender. Originalpublikation: In vivo RNAi screening identifies a mechanism of sorafenib resistance in liver cancer Ramona Rudalska et al.; Nature Medicine, doi: 10.1038/nm.3679; 2014