Unnütze Parallelstruktur sagen die einen – effektive Hilfe in der Primärversorgung die anderen. Am Modell der Gesundheitskioske scheiden sich die Geister. Wir haben uns umgehört und waren für euch vor Ort.
Vorbei am Anadolu-Grill, zwischen Cafe Lyon und Pflegezentrum, Ecke Florenzer-Straße und Osloer-Straße: Da befindet sich die Kümmerei. So kosmopolitisch die Infrastruktur klingt, so multilingual ist auch das Hilfsangebot des Kölner Gesundheitskiosk. Von Arabisch, Türkisch bis Portugiesisch und Englisch findet sich für jeden „Hilfesuchenden“ der passgenaue Berater. Sprachliche Barrieren? Hier in Köln Chorweiler Fehlanzeige. Schwieriger wird es da schon, wenn man von jenseits des städtisch definierten Einzugsgebiets kommt – dann wars das mit dem Kümmern und wir sind wieder beim ÖGD oder anderen Unterstützungsangeboten, die greifen müssen.
Doch wo stehen wir hier eigentlich? Chorweiler ist der nördlichste Bezirk der Stadt Köln und seit Jahren ein sozialer Brennpunkt – niedrige Wahlbeteiligung, Integrationsprobleme, sprachliche und allgemeine Kommunikationsbarrieren. Um den Anschluss vieler Einwohner an das (Gesundheits-)System nicht gänzlich zu verlieren, versucht die Stadt seit einiger Zeit gegenzusteuern. Ein Ort wie gemalt für das Herzensprojekt des Bundesgesundheitsministers – der Etablierung von Gesundheitskiosken. So wundert es nicht, dass Lauterbach höchstpersönlich zur Inspektion der Kümmerei kommt.
Dass das System der Gesundheitskioske schon älter ist als der Koalitionsvertrag, in dem es nun niedergeschrieben ist, tut dem Symbolstatus für vermeintlich gelungene Gesundheitspolitik keinen Abbruch. 2017 eröffnete in Hamburg Billstedt/Horn das erste Projekt seiner Art und hilft bis heute Personen, die nur schwer und selten den Weg zum richtigen Arzt finden oder das korrekte Dokument beim Amt abgeben. So ist denn auch das Konzept darauf ausgerichtet, „niedrigschwellige Beratung“ samt „Koordinierung erforderlicher Gesundheitsleistungen und Anleitung zu deren Inanspruchnahme sowie Unterstützung bei der Klärung gesundheitlicher und sozialer Angelegenheiten“ zur Verfügung zu stellen. Erledigen sollen das examinierte Pflegefachkräfte, die auch medizinische Routineaufgaben abarbeiten können und letztlich ein sektorenübergreifendes Netzwerk errichten.
Auch dem Hamburger Erfolg ist zu verdanken, dass das Angebot seine Kreise zog. Im Februar 2022 stellte der G-BA den Nutzen der neuen Versorgungsform fest und überführte das Projekt in die Regelversorgung. Es folgten vereinzelt Pläne und Initiativen, die das Angebot leicht angepasst adaptierten – so eben auch die an ein bunt eingerichtetes Wohnzimmer erinnernde Kümmerei. Doch Politik wäre nicht Politik, wenn vorhandene Erfolge nicht übernommen und bis ins Abstruse überhöht würden. Ein weiteres halbes Jahr später wird aus einem möglichen Selbstläufer ein Projekt, das auch den letzten Winkel in Deutschland erreichen soll. Das Ergebnis: 1.000 Kioske sollen nun entstehen. Statt den großen Rahmen zu erneuern und den Menschen anschließend eine Transferleistung zur Selbsterschließung zuzutrauen, wird nun eine Infrastruktur etabliert, die mit Personal ausgestattet wird, das in Kliniken und bei Hausärzten fehlt und mit Geldern aufgebaut, die im chronisch klammen System fehlen.
Dass derweil die Zahl 1.000 vermutlich mehr politischen Wert trägt denn tatsächlich evaluierter Bedarf ist, lassen alle am geplanten Aufbau Beteiligten klar durchblicken. So bedürfe es laut der AOK Rheinland/Hamburg bundesweit einer anderen Größenordnung: „Die (Vor-)Festlegung auf eine weder am konkreten regionalen Bedarf orientierte noch finanzierbare Zahl von 1.000 Gesundheitskiosken halten wir für kontraproduktiv, da diese die tatsächliche Notwendigkeit für gesundheitliche und soziale Anliegen in einer Region außer Acht lässt“, sagt Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, im Gespräch mit den DocCheck News. „Wir [sehen] wie gesagt keine Notwendigkeit für 1.000 Kioske, sondern eher für 50 bis 100, die ganz gezielt dort eingerichtet werden sollten, wo ein besonderer Bedarf besteht.“
„Die plakative Anhaltszahl 1.000 ist natürlich unsinnig und aus der Hüfte geschossen. Im aktuellen Entwurf des GVSG ist diese – es gibt ja auch Spontanheilungen – auch gar nicht mehr enthalten“, bringt es Prof. Hans Werner Höpp auf den Punkt, der als Geschäftsführender Direktor des HNC HerzNetzCenter GmbH das Modell der Kölner Kümmerei mit auf die Beine gestellt hat.
Um Licht ins Dunkel zu bringen, weshalb überhaupt eine dermaßen hohe Zahl geplant sei, lohnt der Hinweis auf eine europäische Studie zur Durchdringung der jeweiligen nationalen Gesundheitssysteme. Das Ergebnis: Besonders die Deutschen finden sich nicht zurecht (70 % der Befragten). Gut die Hälfte der Teilnehmer wusste zudem nicht, welche Art von Versorgung ihnen im Zweifelsfall zusteht.
„Im Unterschied zu den meisten anderen in die Untersuchung einbezogenen Ländern ist das Gesundheitssystem in Deutschland sehr komplex und instanzenreich“, konstatiert Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld, die die deutsche Studie durchführte. „Durch die Sektorierung und die Zersplitterung entstehen zudem zahlreiche Versorgungsbrüche.“ Doch es geht noch besorgniserregender: So hat mehr als die Hälfte aller Teilnehmer nur eine geringe Gesundheitskompetenz, ebenso wenige wissen nur, wo sie entsprechende Informationen finden können, wenn sie psychische Probleme haben. Zudem habe vor allem die Jugend (bis 29 Jahre) Probleme mit der Informationsbeschaffung.
Dass die Studie kurz vor dem letzten Koalitionsvertrag veröffentlicht wurde, mag Zufall sein – ein Schelm, wer an Aktionismus denkt. Doch zurück an den Rhein, denn genau hier soll diesen Problemen entgegengewirkt werden.
Wer im Kölner Norden die Kümmerei betritt, kann sich zunächst sicher sein (wenn er aus dem Sozialraum kommt – wir sprachen darüber), dass ihm geholfen wird – ohne, dass er seine Krankenkassenkarte vorzeigen müsste und ganz egal, welches gesundheitliche oder soziale Problem er anspricht. Naheliegend, dass solch niedrige Hemmschwellen und scheinbare Anonymität eine ernstzunehmende Alternative für Menschen mit wenig Bezug und Vertrauen in das System ist. Eine Klientenzahl von gut 12.000 Personen nach 2 Jahren Arbeit gibt den Nutzen in Zahlen wieder. Und sicherlich bieten sich viele Beispiele und Städte, in denen dieses oder ein vergleichbares Konzept Anklang findet, doch hießen 1.000 Kioske, dass jede zweite deutsche Stadt einen Kiosk erhält und auf alle 80.000 Einwohner eine Einrichtung entfällt. Noch stärker wird dieses demografische Gegenargument vor dem Hintergrund der ohnehin bereits etablierten Stellen, um Menschen in das System zurückzuholen – von Versicherten-Hotlines, über die Patienten beraten werden, über Disease- und Case-Managements, Clearingstellen, Patienten- und Gesundheitslotsen bei bestimmten Erkrankungen, die Unabhängige Patientenberatung (UPD), den Öffentlichen Gesundheitsdienst und unzählige weitere Akteure im sozialen Sektor.
Die Privaten Versicherungen halten die Kioske daher für vermeidbare Mehrbelastungen: „Wir sehen bei den Gesundheitskiosken die Gefahr teurer und letztlich ineffizienter Parallelstrukturen. Stattdessen war bereits in der Diskussion, den öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken. Das könnte besser geeignet sein, um eine Bündelung und mehr Vernetzung zu erreichen. […] Aus unserer Sicht ist keine weitere zusätzliche Koordinationsstelle in Form von Gesundheitskiosken erforderlich. Es sollte daran gearbeitet werden, die bestehenden Angebote zu bündeln (insbesondere auch die der Behörden vor Ort), anstatt eine weitere Parallelstruktur daneben zu setzen. Überdies leidet das Gesundheitswesen bereits an Fachkräftemangel, da würden die Kioske nur anderen Versorgungsbereichen das Fachpersonal wegnehmen“, sagt Dr. Anke Schlieker, Projektleiterin Gesundheitsversorgung beim PKV-Verband, den DocCheck News.
Aus eben jenen Gründen war Ende letzten Jahres auch der Knall aus Hamburg zu vernehmen. So beendeten Barmer, DAK und Techniker Krankenkasse ihr Engagement im Hamburger Gesundheitskiosk mit der Begründung, dass „angesichts der sehr prekären Finanzentwicklung der GKV ab dem kommenden Jahr derart teure und mitunter redundante Leistungsangebote nicht realisierbar [seien]. Es ist sinnvoller, bestehende Strukturen für unsere Versicherten besser zu vernetzen und Doppelstrukturen zu vermeiden.“ Und weiter, dass es „in Hamburg zum Beispiel die Lokalen Vernetzungsstellen Prävention, Pflegestützpunkte, Angebote der einzelnen Krankenkassen sowie die vielfältigen Angebote der Gesundheitsämter [gibt].“
Auch in Köln ist man sich derweil bewusst, dass man anders planen muss als es Berlin vorsieht. Höpp weiß: „Das Modul des Gesundheitskioskes, wie es derzeit im Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes steht, ist keines, das wir für sich alleine als zukunftsträchtig sehen. Es wird auch darum gehen müssen, das Modul ebenso wie die Gesundheitsregionen in eine Gesamtstruktur zukünftiger gesundheitlicher Versorgung einzubinden und die Gesundheitsplanung auf breitere Schultern zu legen. Entscheidungen sollten gerade beim Gemeingut ‚Gesundheit‘ im Sinne einer gemeinsamen Planungsverantwortung anteilig von allen daran Beteiligten getroffen werden.“
Zweifel an der Funktionalität kommt derweil auch von anderer Seite. So bestätigen Ärzte aus der nahegelegenen Kinder- und Jugendarztpraxis, die mit der Kümmerei kooperieren, dass sie eine Entlastung wahrnehmen. Doch nicht alle spüren den Mehrwert in der Praxis. Auf Nachfrage erklärten Ärzte mit umliegenden Praxen, dass sie keinen Überblick über die Leistungen des Gesundheitskiosks hätten und Patienten mit konkreten Beschwerden jederzeit den Weg zum Hausarzt näherlegen würden.
„Wer in dem Modell der Kümmerei keinen Mehrwert für die ärztliche Praxis sieht, hat klar ein Erfahrungsdefizit. Die niedrigschwellige Beratung ist dazu da, um Ärzte zu entlasten. Stellen zu schaffen, die einen umfassenden Überblick über die Infrastruktur haben und eine Koordinations- und Drehscheibenfunktion übernehmen, hilft letztlich konkret am Tresen in der Praxis, wo dies nicht geleistet werden muss und die Ärzte sich ihrer fachlichen Kernkompetenz widmen können. Es ist durchaus möglich, dass im Einzelfall Mehrbelastungen einzelner Praxen stattfinden, doch das wäre nur eine Zuführung derer, die tatsächliche medizinische Hilfe brauchen und stellt damit im Rahmen des Versorgungsauftrags eine Ausschöpfung ärztlicher Behandlungspflicht dar. Letztlich bekommt man Ärzteschaft so weg von der Organisation und hin zu dem, weswegen sie ihren Beruf gewählt haben“, beschreibt der pensionierte Klinikkardiologe Höpp den Mehrwert der Kioske.
Gleichzeitig bleibt: Die Evidenz und eine neutrale Nutzenbewertung stehen noch aus. Zwar wird man in Köln von zwei externen Stellen begleitet – die Ergebnisse stehen jedoch für 2024 aus und könnten aufzeigen, dass es einer anderen Struktur bedarf. Auch die Gesundheitskioske warten auf einen Abschlussbericht. Lediglich das Hamburg Center for Health Economics (HCHE) hat für die Einrichtung in Hamburg einen Bericht veröffentlicht. „Es gibt bislang nur sehr wenige Informationen und die Datenlage ist insgesamt sehr dünn. Die einzige uns bekannte Evaluation bezieht sich auf den Gesundheitskiosk Billstedt-Horn und betrifft einen sehr kurzen Betrachtungszeitraum mit z. T. widersprüchlichen Daten, wie z.B. einer gestiegenen Rate an Arztbesuchen sowie gestiegenen Kosten in der Interventionsgruppe“, erklärt Schlieker.
„Arztpraxen werden nur auf den ersten Blick entlastet, wenn Patient*innen bei kleineren medizinischen Problemen und einfachen Routineuntersuchungen dorthin gehen“, befürchtet auch Prof. Thomas Kühlein, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Unabhängig jedweder Evaluationen bleibt auch die Tatsache: Erfolg der Einrichtungen kann und wird nur durch sach- und fachgerechte Durchführung und Begleitung vor Ort möglich sein. Dies wiederum bedeutet: Es bedarf ausgebildeten Fachpersonals. Bei 6–10 Personen pro Einrichtungen wären das rund 10.000 Menschen, darunter laut AOK vor allem medizinisch-pflegerisch geschultes Personal, zudem unter anderem MFA/EVAs, Kranken- und Altenpfleger und Pflegefachpersonen – zu nehmen aus einer Branche, die nicht nur mit Finanz-, sondern vor allem Personalengpässen zu kämpfen hat.
Wo und wie sich die Kölner Kümmerer rekrutierten, erklärt Höpp: „Unser Personal ist eines, das für den Bereich Klinik und Praxis ohnehin nicht mehr verfügbar gewesen wäre. Wir haben niemanden aus der Praxis herausgeholt – es sind ausschließlich Personen mit Weiterbildungshintergrund, die gar keine Tendenzen zur Rückkehr in das konventionelle Gesundheits- und Pflegesystem hatten. Da geht es auch nicht (nur) um Geld, es sind eher Systemfragen und die Limitationen von allen Seiten, weshalb jemand bei uns anfängt und sich gegen die Arbeit bei einem Hausarzt oder einer Klinik entscheidet.“
Ein Argument, das auch Mohrmann für die von der AOK begleiteten Kioske nennt: „In dem von uns als sinnvoll erachteten Umfang und mit dem in den bisherigen Projekten eingesetzten Personal schaffen Gesundheitskioske überschaubare Bedarfe an entsprechend qualifiziertem Personal, sodass davon keine Verschärfung der allgemeinen Mangelsituation einhergeht, zumal wir bewusst lokale Partner mit vorhandenen Netzwerken und bereits vorhandenem Personal beteiligen. […] Darüber hinaus teilen uns die Mitarbeitenden mit pflegerischem Background in den Gesundheitskiosken sogar mit, dass sie durch attraktive Tätigkeitsfelder wie den Gesundheitskiosken dem Gesundheitswesen erhalten bleiben statt ihm den Rücken zu kehren. Ein vielfältiges Aufgabenspektrum als ‚interkultureller Gesundheitsberater‘ kann demnach eine Abwanderung von Pflegekräften in andere, dem Gesundheitswesen ferne Berufszweige oder Branchen verhindern.“
Dass das Personal nicht per se aus bestehenden Verhältnissen weggelockt wird, wenn günstigere Arbeitsbedingungen (als z. B. im Krankenhausschichtbetrieb) locken, mag schwer vorstellbar sein und klärt sich vermutlich erst nach Evaluationen mit Langzeitbetrachtung. Bis dahin gelte es ohnehin, dem Berliner Plan zu vertrauen, wonach auch und vor allem neues Personal in die Einrichtungen einzieht; unter anderem sollen Community Health Nurses die Lücke schließen. Dass derweil die Ausbildungszahlen in der ganzen Branche keine Hoffnung darauf machen, dass nun mehr Personen in das Berufsfeld starten, mag weiter nachdenklich stimmen.
Die offenen Fragen und bedenklich stimmenden Pläne gehen weiter bei der Finanzierung der Einrichtungen. Nach Lauterbachschen Vorstellung ist die ganze Sache aber sehr einfach: GKVen, PKV und Kommunen teilen sich die Kosten klar auf mit Anteilen von 74,5 %, 5,5 % und 20 %. Dazu erhalten Kommunen das Initiativrecht – also die Möglichkeit, sich den Ort des Kiosks auszusuchen und die Versicherungen im Anschluss zur Zahlung zu verpflichten. Angesetzt sind die Gesamtkosten mit rund 400.000 Euro je Kiosk – 400 Millionen Euro folglich bei 1.000 Kiosken, jährlich.
„Wir sehen die Kostenfolgen der Gesundheitskioske sehr kritisch. Angesichts leerer Kassen und dringender Reformaufgaben im Gesundheitswesen (Demografie, Krankenhausreform, Notfallversorgung, eHealth u. a. m.) sollten politisch Verantwortliche nicht an solchen überflüssigen Konzepten festhalten. Die Gesundheitspolitik muss klare Prioritäten setzen, schon aus Verantwortung für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die am Ende für die Kosten aufkommen müssen“, erklärt Schlieker den Blick des PKV-Verbands.
Doch auch die gesetzlichen Versicherungen sehen die Kostenbeteiligung für ungerechtfertigt. Selbst die AOK, die an einigen Kiosken bereits beteiligt ist und das Konzept als solches unterstützt, sieht Anpassungsbedarf. „Wir stimmen […] nicht in allen Punkten mit dem GVSG überein, etwa bei der Aufteilung der Kosten. Bei der weiteren Ausgestaltung des Plans wünschen wir uns, dass nicht nur die Kommunen ein Initiativrecht für die Errichtung von Gesundheitskiosken erhalten, sondern auch wir als GKV. […] Da der Gesundheitskiosk in der von uns propagierten Form verschiedene Angebote und weitere Sozialleistungsträger mit einbindet und zu großen Teilen kommunale Zuständigkeitsbereiche adressiert und diese entlastet, halten wir einen Anteil von 50 Prozent an den Kosten für angemessen. Unsere Auswertungen und Erfahrungen zeigen, dass die Inanspruchnahme bei der Beratung etwa jeweils zur Hälfte soziale und gesundheitliche Anliegen umfasst.“
Eine mögliche Teilhabe der Versicherungen schlagen die Praktiker selbst auch vor. So macht Höpp einen Vorschlag, der die Vorstellungen zusammenbringt: „Die Kümmerei ist rein konzeptionell kein Kiosk. Sie ist eher ein dreidimensionales Button-up-Modell, das geschlossene Wertschöpfungsketten zum Ziel hat. Eine Art selbstlernendes System gesundheitlicher Versorgung, das im Konsens von verschiedenen Trägern – einer Verantwortungsgemeinschaft - etabliert wird und die auf eine Solidarfinanzierung baut, die über die Rechtskreise hinaus aufgestellt ist.“
Ob es im Kölner Norden zu einer solchen Konstellation kommt, wird nun der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zeigen. Auch kann man nur hoffen, dass die Ergebnisse der Evaluationen den Blick der Politik schärfen. Denn fest steht: Als an diesem Nachmittag die Lichter in der Kümmerei ausgehen, ist letztlich keine Blutdruckmanschette angelegt, keine Spritze gesetzt worden. Ob die Ressourcen im ÖGD oder anderweitig damit sinnvoll(er) eingesetzt worden wären, bleibt Einzelfallentscheidung bzw. müssen die Auswertungen auf kommunaler Ebene zeigen. Einig sind sich aber alle Akteure, dass 1.000 Kioske nicht gebraucht und von niemandem bezahlt werden können. Als vereinzelte Modelle oder Projekte ließen diese sich sicher einfacher integrieren – und das dürfte auch den Vorwurf der Parallelstruktur bald vergessen machen.
Bildquelle: Luis Aguila, Unsplash