Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die kann man nicht verstehen. Etwa, dass alternative Heilmethoden wie die Homöopathie in klinischen Studien getestet werden. In einer Cell-Press-Publikation machen zwei Ärzte aus den USA ihrem Ärger ordentlich Luft.
Sie haben genug davon, dass seit 20 Jahren immer mehr „völlig unplausible Heilungsmethoden, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind oder alle bisher etablierten Gesetzmäßigkeiten der Physik und der Chemie mit Füßen treten“, in randomisierten klinischen Studien verifiziert werden sollen. Das schreiben David Gorski vom Barbara Ann Carmanos Krebsforschungszentrum in Detroit und Steven Novella von der Yale Universität in New Haven, USA, in ihrer aktuellen Publikation im Magazin „Trends in Molecular Medicine“. Mehr als 400 Treffer ergab ihre PubMed-Suche nach „homeopathy randomized clinical trial“, auch wenn es sich bei einigen von ihnen lediglich um Übersichtsartikel und nicht um klinische Studien handelte.
Befürworter solcher Studien argumentierten häufig, grundsätzlich klären zu wollen, welche alternative Heilmethode tatsächlich wirksam sei, schreiben die beiden Wissenschaftler. Laut Gorski und Novella „völliger Quatsch“. Solche Studien dienten nur dazu, die akademische Medizin mit Pseudowissenschaften zu infiltrieren. Denn in der evidenzbasierten Medizin gelte eigentlich folgender Grundsatz: Erst wenn ein Wirkstoff seine biologische Plausibilität in präklinischen Studien unter Beweis gestellt hat, erfolgt seine zeit- und kostenintensive Erprobung am Menschen in randomisierten, klinischen Studien. Auch die Deklaration von Helsinki zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen schreibe das vor. In Deutschland beziehen sich die Ethikkommissionen bei der Genehmigung klinischer Studien ebenso auf diese Deklaration.
Bei der klinischen Erprobung alternativer Heilmethoden wie der Homöopathie oder Reiki seien präklinische Studien irrelevant. Und das, obwohl beide Heilmethoden nach Ansicht der Autoren von abstrusen Grundsätzen ausgingen: In der Homöopathie würden Symptome mit Mitteln behandelt, die bei symptomfreien Menschen genau die zu heilenden Symptome hervorrufen könnten. Darüber hinaus sollen die Substanzen durch die bis zu 10 hoch 60fache Verdünnung an Wirksamkeit hinzugewinnen. Als noch haarsträubender empfinden die beiden Reiki, eine vor allem in den USA beliebte, alternative Heilmethode. Durch Handauflegen soll hier der Energiefluss des Menschen gesundheitsfördernd verändert werden. „Bisher konnte nicht bewiesen werden, dass eine solcher Energiestrom überhaupt existiert, geschweige denn, dass er sich von Menschenhand beeinflussen lässt“, schreiben die beiden Professoren. Beide Ansätze seien biologisch nicht nachvollziehbar.
Biologische Plausibilität bedeute jedoch nicht, dass die molekularen Mechanismen eines Wirkstoffs bereits umfassend verstanden seien. Vielmehr sollte ein molekularer Mechanismus wissenschaftlich nicht derart unplausibel sein, dass er als unmöglich gilt. „Mit anderen Worten: Der zugrunde liegende Mechanismus sollte keine Gesetzmäßigkeiten und Theorien der Wissenschaft untergraben, die auf handfesten und lang etablierten Grundlagen beruhen“, so Gorski und Novella. In der Homöopathie sei das gleich mehrfach der Fall: Das „Gedächtnis des Wassers“ und die Verstärkung eines Wirkstoffs durch Verdünnung widerspreche allen bisher bekannten, naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Schon allein aufgrund dieser Tatsachen sollte die Homöopathie als unwirksame Heilmethode deklariert werden – ohne vorher klinische Vergleichsstudien durchzuführen, die sowieso zu diesem Ergebnis kämen. „Die Anhänger dieser Heilmethoden lassen sich von negativen Studienergebnissen ohnehin nicht abschrecken“, so Novella.
In der Tat erfreuen sich alternative Heilmethoden in Deutschland wachsender Beliebtheit. Sogar große gesetzliche Krankenkassen, wie beispielsweise die Techniker Krankenkasse, übernehmen die Kosten für derartige Behandlungsmethoden anteilig. „Ganzheitliche Behandlungsmethoden, die Homöopathie, Reiki, Traditionelle Chinesische Medizin oder Ähnliches beinhalten, werden immer häufiger von Patienten nachgefragt“, so Gorski. Den Grund dafür sieht der Wissenschaftler in einem zu unpersönlichen medizinischen System, bei dem der Arzt wegen sinkender Fallpauschalen von Patient zu Patient hetzt, um seine Ausgaben decken zu können und sein Einkommen zu sichern. „Diese Probleme sollten in Angriff genommen werden. Dazu bedarf es jedoch keiner klinischen Studien zu Quacksalberei.“
Die beiden Professoren sind bereits seit einigen Jahren bekennende Gegner der Alternativmedizin. In ihrem Blog Science-Based Medicine, einer Plattform für Wissenschaftsbasierte Medizin, wie sie schreiben, widmen sich Gorski und Novella der komplizierten Beziehung zwischen Wissenschaft und Medizin. Patienten raten sie, kritisch zu bleiben, vor allem, wenn keine Daten zu einer Behandlungsmethode – ob als alternativ bezeichnet oder nicht – vorliegen und die Heilungsversprechen zu gut sind, um wahr zu sein.