Wissenschaftler haben Varianten von seltenen Entwicklungs- und epileptischen Enzephalopathien untersucht. Die Ergebnisse klären nicht nur bestimmte Ursachen der Erkrankung, sondern geben auch Hinweise auf mögliche Therapien.
Entwicklungs- und epileptische Enzephalopathie (DEE) bezeichnet eine Gruppe neurologischer Erkrankungen bei Kindern, die durch Entwicklungsverzögerungen, kognitive Beeinträchtigungen und Krampfanfälle gekennzeichnet sind. Im Jahr 2016 wurde erstmals ein Fall gemeldet, bei dem Varianten in beiden Kopien des UBA5-Gens mit DEE44 in Verbindung gebracht wurden. Seitdem wurden bei 25 Patienten zwölf verschiedene Missense-Varianten im UBA5-Gen identifiziert.
In einer aktuellen US-amerikanischen Studie entwickelten Forscher ein neues Fruchtfliegenmodell, um die Schwere der durch die einzelnen Varianten verursachten Symptome zu beurteilen. Diese systematische Analyse der pathogenen UBA5-Varianten bildet die Grundlage für eine bessere Einschätzung der variantenreichen Erkrankung. Die Ergebnisse könnten weiterhin maßgeblich zur Entwicklung von Medikamenten und Gentherapien beitragen.
Das UBA5-Gen ist über alle Arten hinweg – von der Fruchtfliege bis zum Menschen – hoch konserviert. Es kodiert ein Protein, das an den Ubiquitin-fold Modifier 1 (UFM1) bindet und fungiert als Enzym, das eine posttranslationale Modifikation namens UFMylierung katalysiert. Die genauen Mechanismen und die biologische Bedeutung der UFMylierung sind noch unklar. Bekannt ist jedoch, dass die UFMylierung vielen grundlegenden zellulären Prozessen eine neue Regulierungsebene hinzufügt.
„Da UBA5-Varianten bei Patienten an genau denselben Aminosäureresten im UBA5-Protein der Fruchtfliege gefunden wurden, haben wir ein humanisiertes Modell erzeugt, indem wir die menschliche Version des UBA5-Gens in Fruchtfliegen exprimiert haben, denen das endogene UBA5-Gen fehlt“, erklärt Erstautor Dr. Xueyang Pan. „Anschließend wollten wir die Stärke der krankheitsverursachenden Varianten charakterisieren, indem wir sie einzeln in Fliegen exprimierten und die durch die Varianten verursachten Phänotypen beobachteten.“
Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass Schwere und Art der Symptome sich bei den verschiedenen Varianten stark voneinander unterscheiden. So fanden sie beispielsweise vier Varianten, die die durch den Verlust von endogenem UBA5 verursachte Letalität nicht überwinden konnten. Weitere fünf Varianten verursachten fortschreitende motorische Defekte – drei davon riefen zusätzlich Entwicklungsverzögerungen oder anfallsartige Symptome hervor.
Während das normale menschliche UBA5 alle wesentlichen Funktionen seines Gegenstücks in der Fliege ersetzt, wiesen die krankheitsverursachenden Varianten einen variablen Funktionsverlust auf, der in leichte, mittlere oder schwere Subtypen eingeteilt wurde. Dabei stießen die Forscher auf eine wichtige Erkenntnis: die exogene Überexpression des UBA5-Gens verursachte keine offensichtlichen Defekte. Dies deutet darauf hin, dass eine Erhöhung des UBA5-Enzymspiegels eine potenzielle therapeutische Strategie sein könnte.
Das Team entwickelte außerdem mehrere biochemische Tests, um die Auswirkungen dieser Krankheitsallele auf die Stabilität und Aktivität des UBA5-Enzyms zu bestimmen. Das Team fand eine enge Korrelation zwischen der Schwere der Symptome, die eine bestimmte Variante bei den Fruchtfliegen aufweist, und ihrer enzymatischen Stabilität und/oder Funktion, die mit biochemischen Tests gemessen wurde. Diese Ergebnisse liefern eine molekulare Erklärung für den Funktionsverlust von UBA5-Varianten und eröffnen einen Weg zur Entwicklung neuer Medikamente, die die UBA5-Funktion wiederherstellen und die Krankheit behandeln.
„Diese Studie hat nicht nur ein leistungsfähiges experimentelles Paradigma geschaffen, um die Ätiologie von DEE44 besser zu verstehen, sondern kann auch als Vorlage für ein besseres Verständnis anderer menschlicher Erkrankungen und für die Entwicklung neuer Therapien für DEE44 und andere dienen“, resümiert Studienleiter Dr. Hugo Bellen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Texas Children's Hospital. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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