Nach einem Schlaganfall bleiben oft motorische Beeinträchtigungen. Jetzt wurde erstmals erfolgreich eine tiefe Hirnstimulation eingesetzt, die die beeinträchtigte Motorik von Patienten verbesserte – egal, wie lange der Schlaganfall zurücklag.
Die Versorgung akuter Schlaganfälle hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Große Fortschritte wurden auch bei der Prävention erzielt – weniger dagegen bei der Behandlung in der postakuten und chronischen Phase. Fast die Hälfte der Schlaganfallüberlebenden leiden an bleibenden Behinderungen. Für die Erholung geschädigten Hirngewebes spielt die Neuroplastizität bekanntermaßen eine entscheidende Rolle.
Wissenschaftler haben nun erste klinische Daten zu einem neuen invasiven Ansatz zur Modulation der Neuroplastizität sowie zur Erweiterung des therapeutischen Zeitfensters veröffentlicht. Eingesetzt wurde die kontinuierliche elektrische Stimulation eines Nervenzellgebiets im Nucleus dentatus cerebellaris (DN). Durch die Aktivierung des dentato-thalamo-kortikalen Signalwegs – einer Verbindung des Kleinhirns mit kontralateralen motorischen und nicht-motorischen Gehirnbereichen – sollen die neuronale Aktivität und kortikale Erregungsfähigkeit verbessert werden.
In früheren Arbeiten hatte die Forschergruppe an Nagetiermodellen gezeigt, dass die tiefe Hirnstimulation (THS) des DN die Wiederherstellung der Funktion und die ipsiläsionale kortikale Reorganisation fördern kann (Verbesserung der kortikalen Erregbarkeit, Synaptogenese, Neuorganisation motorischer Kortexbereiche für die Funktion der betroffenen Extremität). Nun wurde dieser Forschungsansatz erstmals in einer offenen klinischen Phase-I-Studie bei zwölf Schlaganfall-Betroffenen mit mittelschweren bis schweren Beeinträchtigungen der Armfunktion angewendet. Ziel der Studie war es, die Durchführbarkeit und der Sicherheit einer Elektrodenimplantation und einer chronischen DN-THS zu bewerten.
Die Testpersonen waren im Durchschnitt 57 Jahre alt, vier der zwölf Teilnehmer waren weiblich. Alle hatten vor 12 bis 36 Monaten einen erstmaligen ischämischen Schlaganfall im Versorgungsgebiet der mittleren Hirnarterie (ohne Beteiligung von Zwischenhirn und Basalganglien) erlitten. Seitdem bestand eine mittelschwere bis schwere armbetonte Hemiparese mit einem mittleren motorischen Funktionsscore des Armes.
Nach der neurochirurgischen Implantation der DN-THS-Elektroden wurden die Teilnehmer monatlich untersucht, ggf. die THS-Einstellung angepasst und über insgesamt 20-24 Monate nachbeobachtet. Evaluiert wurden fünf Studienphasen: (1) vor und unmittelbar nach Implantation, (2) zweimonatige Rehabilitationsmaßnahme noch ohne Stimulation, (3) einschleichende Stimulation, dann für acht Monate DN-THS plus Rehabilitation, (4) zweimonatige Reha-Übergangsphase mit ausschleichender Stimulation, (5) Langzeit-Follow-up.
Für die Sicherheit und Durchführbarkeit konnten 168 Teilnahmemonate Erfahrung mit implantierten Elektroden und 72 Monate Erfahrung mit DN-THS-Stimulation analysiert werden. Die Elektrodenimplantation wurde gut vertragen, es gab keine größeren perioperativen oder späteren Komplikationen oder Todesfälle. Von 51 unerwünschten Ereignissen waren 21 studienassoziiert (z. B. Übelkeit, Schmerz); ließen sich aber mit Neuprogrammierung beheben.
Und nicht nur das: Die motorische Armfunktion verbesserte sich bei allen Teilnehmern mit DN-THS um mehrere Punkte auf dem FM-UE-Score. Eine weitere Analyse zeigte speziell bei Teilnehmern mit initialer Restfunktion der Armmotorik signifikante Verbesserungen – und das unabhängig davon, wie lange der Schlaganfall schon zurücklag. In der dritten Phase – acht Monate DN-THS plus Rehabilitation – zeigte sich die größte positive Veränderung. Die Funktionsverbesserungen waren direkt mit einer kortikalen funktionellen Reorganisation assoziiert, bestätigt durch einen erhöhten ipsiläsionalen Glukosestoffwechsel.
„Wenn sich diese Ergebnisse in weiteren Studien bestätigen, eröffnen sich mit diesem Ansatz neue Möglichkeiten für die Unterstützung der Rehabilitation nach Schlaganfall“, so Prof. Götz Thomalla vom UKE Hamburg. „Von besonderer Bedeutung ist für die Betroffenen sowie für die betreuenden Ärztinnen und Ärzte, dass der Nutzen dieser Kleinhirn-THS offensichtlich nicht von der Zeitdauer nach dem Schlaganfall abhing. In größeren Studien müssen nun weitere Fragen geklärt werden, beispielsweise, ob ein möglichst früher Beginn während der initialen Rehabilitation die Ergebnisse weiter verbessern kann.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Mika Korhonen, unsplash.