„Wir müssen von Low-Income-Countries noch viel lernen“, denn Tropenkrankheiten kommen nicht mehr nur in den Tropen vor. Warum das so ist und wie ihr die richtige Diagnose stellt, erfahrt ihr hier.
„Die Tropenkrankheiten, die wir bei uns noch nicht kennen, werden herkommen oder sich sogar etablieren und wir müssen uns damit auseinandersetzten!“ Das sagt Dr. Jakob Schröder, Facharzt für Infektiologie, Tropen- und Reisemedizin am St. Marien-Hospital in Köln, über die wachsenden Fallzahlen an Infektionen mit tropischen Erregern in Europa und erklärt, warum es wichtig für hiesige Ärzte ist, informiert zu sein. In der DocCheck-CME-Veranstaltung „Wissensreise: Infektions- und Tropenkrankheiten in Europa“ hat er über die wichtigsten Tropenkrankheiten und deren Risiken für Deutschland und Europa gesprochen.
Der Begriff „Tropenkrankheiten“ umfasst im Prinzip alle Infektionserkrankungen, die hauptsächlich in tropischen oder subtropischen Gebieten von Asien, Afrika und Südamerika vorkommen. Von hier kommen die Erreger, die am häufigsten zu uns eingeschleppt werden.
Die Tropenkrankheiten können auf verschiedenen Wegen nach Deutschland eingeschleppt werden, so Schröder. Da wäre zum einen der internationale Tourismus und Handel. Ungefähr 5 % der deutschen Reisenden hatten 2018 die Tropen oder Subtropen als Ziel und die häufigsten Infektionen von Reiserückkehrern waren mit dem Dengue-Virus, Malaria, oder Zika-Virus. Zudem werden in Flugzeugen oder auf Frachtschiffen regelmäßig Mücken, die Vektoren für viele Tropenkrankheiten sind, mitgebracht.
Neben dem Tourismus spielt auch die Migration eine wichtige Rolle. Unter anderem durch den Ukrainekrieg hat die Zahl der Geflüchteten in Deutschland in den letzten Jahren stark zugenommen und oft werden Infektionen mit längeren Inkubationszeiten mitgebracht. Besonders häufig sind Geflüchtete mit Tuberkulose infiziert, welche oft Multiresistenzen aufweisen. Daneben spielen auch Menschen mit Familie und Freunden in tropischen Gebieten eine entscheidende Rolle. Diese Menschen reisen regelmäßig, meist ohne eine Beratung oder Behandlung bei einem Facharzt aufzusuchen, sodass oft unbemerkt Krankheiten eingeschleppt werden können.
Schließlich sorgt der Klimawandel dafür, dass sich immer mehr Pathogene und Mücken in Deutschland wohl fühlen. Durch die höheren Temperaturen können sich beide schneller entwickeln. Gleichzeitig werden die Sommer immer länger – und damit der Zeitraum, indem sich Tropenkrankheiten gut übertragen lassen. Nicht zuletzt sorgt der Klimawandel auch für immer mehr Überschwemmungen und Starkregen. In dem angestauten Wasser können sich Mücken hervorragend vermehren.
„Die Gefahr der Einschleppung und möglicherweise sogar der Etablierung von Tropenkrankheiten in Deutschland ist real“, so Schröder. Die asiatische Tigermücke, die Viren wie das Dengue- oder Zika-Virus überträgt, ist bereits in Teilen Deutschlands etabliert. „Wenn wir eine Infektion einschleppen, sind die Mücken da, um sie weiterzuverbreiten.“
Die Konsequenzen konnte man im jüngsten Dengue-Ausbruch am Gardasee sehen (DocCheck berichtete). Auch dort ist die asiatische Tigermücke etabliert und es infizierten sich Menschen ohne Reisegeschichte mit dem vermeintlichen Reisevirus. „Menschen haben sich in Europa mit Dengue angesteckt“, erklärt Schröder. „Das ist selten, aber das wird häufiger werden“. Mit ähnlichen Fällen müssen wir in Zukunft auch in Deutschland rechnen.
Schröder nennt mehrere Punkte, an denen wir ansetzen können, um die Einschleppung und Ausbreitung von Tropenkrankheiten zu verringen. Zum einen sei es wichtig, den Klimawandel zu bekämpfen, um den Temperaturanstieg so gering wie möglich zu halten. Weiter sei es unerlässlich, Impfungen vorzunehmen und Krankheitsfälle so früh wie möglich zu identifizieren und behandeln. Dafür muss ausreichend Fachpersonal mit entsprechender Ausbildung vorhanden sein.
Zuletzt sei ein konsequentes Vorgehen gegen die Mückenpopulationen notwendig. Dies könnte etwa durch Insektizide und die Vermeidung von Brutstätten, aber auch durch den Schutz von Einzelpersonen durch Repellents oder Mückennetze geschehen. Deutschland habe da noch viel nachzuholen, denn ein rigoroser Mückenschutz sei etwas, „das in afrikanischen Ländern Standard ist. Wir können von den so genannten ‚low-income‘-countries noch viel lernen.“
Für Hausärzte kann es mitunter schwierig sein, die Tropenkrankheiten richtig zu identifizieren. Schröder rät, bei Patienten so genau wie möglich zu nachzuhaken, welche Expositionen erfolgt sind, um die möglichen Tropeninfektionen einzugrenzen: „Fragt die Patienten ganz direkt: Was habt ihr im Urlaub gemacht?“ Und er betont: „Auch beim Thema ungeschützten Sex.“ Denn es können nicht nur die bekannten STDs, sondern auch manche Tropenkrankheiten, wie das Zika-Virus, beim ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen werden.
Es gibt vier wichtige Faktoren, die man bei der Eingrenzung der Krankheiten beachten muss. Diese haben wir euch auch nochmal in einer Tabelle zusammengefasst:
Faktor eins ist die Zeit. Verschiedene Tropenkrankheiten haben verschiedene Inkubationszeiten. Somit kann allein der Abstand zwischen dem Aufenthalt in den Tropen oder Subtropen zu dem ersten Auftreten von Symptomen einen guten Anhaltspunkt geben. Flaviviren wie das Dengue-Virus oder Zika-Virus haben beispielsweise eine Inkubationszeit von unter einer Woche, während Malaria oder Tuberkulose erst mehrere Wochen bis Monate nach Infektion ausbrechen kann.
Faktor zwei sind die Symptome. Bestimmte Infektionen führen meist zu Fieber, zum Beispiel Malaria oder Dengue-Virus. Andere Infektionen haben Durchfall als häufiges Symptom, wie Cholera, oder Typhus. Ein letztes oft auftretendes Symptom ist Ausschlag, welcher beispielsweise von Infektionen mit Dengue oder Schistosoma verursacht wird.
Faktor drei sind die Umstände, also zu hinterfragen, wie sich der Patient angesteckt haben könnte. Infektionen können auf unterschiedlichem Weg übertragen werden und zu überprüfen, welche Kontakte es gab, kann einen guten Hinweis für die Diagnose geben.
Faktor vier ist der Ort. Denn viele Pathogene kommen nur in bestimmten geografischen Regionen vor. So sind Malaria und Schistosomiasis beispielsweise vor allem auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet.
Es ist wohl unvermeidbar, dass Tropenkrankheiten vermehrt bei uns auftreten. Umso wichtiger ist es, als Arzt vorbereitet zu sein – und zu wissen, worauf man bei seinen Patienten achten muss, um die richtige Diagnose stellen zu können.
Als Beispiel nennt Schröder die Malaria. Der Goldstandard für die richtige Diagnose ist auch heute noch eine mikroskopische Untersuchung von dicken Blutstropfen. Darin lässt sich der Plasmodium-Erreger erkennen. Wichtig ist, dass dies mindestens dreimal im Abstand von 24 Stunden wiederholt werden muss, um ein falsch-negatives Ergebnis auszuschließen.
Eine weitere Schwierigkeit bei Malaria ist, dass sie durch verschiedene Spezies verursacht werden kann. Deshalb sollte auf eine erste positive Diagnose eine Untersuchung eines Blutausstrichs von ausgebildetem Fachpersonal erfolgen, um die Spezies und Parasitämie zu ermitteln. Darauf abgestimmt kann dann eine medikamentöse Behandlung erfolgen.
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