Zur Behandlung von ADHS eignet sich ein multimodales Vorgehen, doch die medikamentöse Therapie gerät zunehmend in die Kritik. Dafür rücken verhaltenstherapeutische Maßnahmen und Elterntrainings zunehmend in den Fokus. Doch was bewirken sie wirklich?
David Daley und Kollegen der Europäischen ADHS-Leitliniengruppe haben in einer Metaanalyse untersucht, was verhaltenstherapeutische Maßnahmen bewirken können. Dabei fokussierten sie sich auf randomisiert-kontrollierte Studien. Von 2.057 Studien blieben 32 Studien übrig, die sich zur Analyse eigneten. Bei den in der Regel unverblindeten Studien zeigten verhaltenstherapeutische Maßnahmen deutliche Verbesserungen in Bezug auf das Elternsein und die ADHS-Symptome. Die Standardized Mean Differences (SMD) betrugen:
Schauten sich die Autoren jedoch nur die Studien an, in denen die Bewertung verblindet durchgeführt wurde, so entfielen die positiven Effekte der Verhaltensinterventionen auf die ADHS-Symptome. Was weiterhin nachzuweisen war, waren die positiven Effekte auf die Elternschaft (SMD = 0,63 für positives Elternverhalten, SMD = 0,43 für negatives Elternverhalten) und die Verhaltensprobleme (SMD = 0,31).
Verhaltenstherapeutische Maßnahmen, die auf ADHS zugeschnitten sind, bewirken also, dass Kinder und Eltern wieder besser im Alltag leben können, also besser „funktionieren“. Daley und Kollegen konnten in dieser Metaanalyse zeigen, dass die verhaltenstherapeutischen Interventionen negative Verhaltensweisen der Eltern abschwächen und positive Verhaltensweisen stärken konnten. Dadurch verringerten sich auch die komorbiden Verhaltensauffälligkeiten der Kinder. Obwohl die Eltern eigentlich nicht im Mittelpunkt der Interventionen standen, enthielten nahezu alle Interventionen auch ein Elterntraining. Allerdings zeigt sich im Allgemeinen, dass ein Elterntraining allein nicht ausreicht, um positive Veränderungen beim Kind zu bewirken.
Die Autoren konnten jedoch feststellen, dass sich das Selbstkonzept der Eltern verbesserte. Infolge der Psychoedukation erhalten Eltern das Gefühl, dass sie selbst etwas bewirken und Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder nehmen können. Negative Eltern-Kind-Kreisläufe konnten teilweise unterbrochen werden. Allerdings fanden sich in dieser Metaanalyse keine Hinweise darauf, dass sich die psychische Gesundheit der Eltern allgemein verbessert hätte. Eltern von ADHS-Kindern sind relativ häufig psychisch stark belastet, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass die betroffenen Familien ein erhöhtes genetisches Risiko für psychische Störungen in sich tragen, erklären die Autoren. Die Studie zeigte außerdem, dass verhaltenstherapeutische Interventionen die Verhaltensauffälligkeiten von ADHS-Kindern reduzieren konnten. Die Interventionen, die bei verhaltensauffälligen Kindern wirksam sind, unterstützen auch die Kinder, die eine gesicherte ADHS-Diagnose haben.
Vertreter der psychoanalytischen Therapie betonen, dass die ADHS-Symptome und andere Verhaltensauffälligkeiten ein Symptom von emotionalen Störungen sind. Studien zur psychoanalytischen Therapie von ADHS sind relativ rar gesät, weil die Psychoanalyse hier eine andere Sprache spricht. Für psychoanalytische Therapeuten sind die ADHS-Symptome sozusagen das Beiwerk zugrundeliegender neurotischer oder traumatisch bedingter Störungen. Insbesondere der „fehlende Vater“ spielt eine große Rolle bei der Entwicklung von ADHS-Symptomen. Auch die unsichere Bindung zu Mutter und Vater hat hier einen möglicherweise weitreichenden Einfluss. Insbesondere die Mutter reguliert in der frühen Kindesentwicklung die Affekte ihres Kindes. Ist die Mutter selbst belastet, beispielsweise durch eine Depression, kann sich das Leeregefühl des Kindes in gesteigerter Unruhe zeigen. Des Weiteren hat das Sigmund-Freud-Institut unter der Leitung von Frau Professor Leuzinger-Bohleber ab dem Jahr 2003 mit der „Frankfurter Präventionsstudie“ gezeigt, dass die Rate der Grundschulkinder mit ADHS gesenkt werden kann, wenn in der Kindergartenzeit die Erzieher und Eltern psychoanalytisch geschult werden.