Während die Ärzte hierzulande beim apoplektischen Insult versuchen, Thromben per Lyse zu eliminieren, greifen sie in den USA häufig zum Katheter. Ältere Studien geben der endovaskulären Therapie schlechte Noten – möglicherweise zu Unrecht, wie aktuelle Ergebnisse andeuten.
Die Uhr läuft: Patienten sollten nach einem Schlaganfall innerhalb von 4,5 Stunden fibrinolytisch behandelt werden, falls ein Blutgerinnsel hinter dem Geschehen steckt. Hier kommen Enzyme wie Alteplase (rt-PA), Reteplase (r-PA) oder Tenecteplase (TNK-tPA) zum Einsatz. Die Leitlinie „Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls“ beruft sich auf ECASS-3-Studienergebnisse: Je früher Ärzte ihre Behandlung einleiten, desto weniger bleibende Schäden sind zu befürchten. Das ist leichter gesagt als getan.
Grund genug für Berliner Forscher, eine „Stroke Emergency Mobile“ (STEMO) mit rollendem CT zu entwickeln. Sie untersuchen Patienten noch vor Ort und senden Informationen telemetrisch an einen Neuroradiologen. Bestätigen sich entsprechende Vermutungen ohne Hinweis auf mögliche Kontraindikationen, beginnt das Team umgehend mit einer Lyse. Jetzt liegen Daten zum Erfolg dieser Behandlungsstrategie vor. Martin Ebinger und Heinrich J. Audebert von der Berliner Charité nahmen 6.182 Patienten in ihre Studie auf, die von Mitte 2011 bis Anfang 2013 behandelt worden waren. Wochenweise rückte das STEMO bei Insult-Verdacht aus (3.213 Patienten) oder blieb in der Garage stehen (2.969 Patienten). In „STEMO-Zeiten“ vergingen vom Notruf bis zur Lyse 15 Minuten weniger als unter Standardbedingungen. Wurden Betroffene noch im Mobil versorgt, lag die Zeitersparnis sogar bei 25 Minuten. Gefährliche Blutungen, wie von Kritikern anfangs befürchtet, traten nicht häufiger auf. Laut der PHANTOM-S-Studie kam es bei sieben von 200 STEMO-Patienten zu derartigen Komplikationen – verglichen mit 22 von 323 Fällen unter stationärer Therapie. Finnische Ärzte setzen weniger auf den Transport – sie versuchen lieber, Prozesse in der Klinik zu optimieren. Allein dadurch sparten sie 20 Minuten Zeit, berichtet Atte Meretoja, Helsinki. In den USA setzen Ärzte auf eine ganz andere Herangehensweise.
Im Gegensatz zu Deutschland setzen US-Ärzte verstärkt auf Thrombektomien, um Gerinnsel zu entfernen. Angesichts der Daten streiten Ärzte, ob Patienten vom Eingriff tatsächlich profitieren. Drei Studien, nämlich SYNTHESIS, IMS-III und MR RESCUE, zeigten keinen Mehrwert hinsichtlich bleibender Behinderungen oder Mortalitätsraten. Im Gegenteil – es gab sogar schwache Hinweise für eine höhere Sterblichkeit. Neben etlichen Kritikpunkten von der Auswahl ungeeigneter Patienten bis hin zu Zeitverlusten durch Voruntersuchungen fällt vor allem eine Tatsache auf: Ärzte verwendeten keine modernen Stent-Retriever, sondern Geräte älterer Bauart, beispielsweise korkenzieherartige Merci-Devices. Moderne Systeme setzen dagegen auf expandierbare Drahtgeflechte, um Thromben sicher zu entfernen.
Neuere Studien wie SWIFT vergleichen unterschiedliche Gerätschaften. Dabei setzten Ärzte das ältere Merci-System beziehungsweise den Retriever Solitaire ein. Nach 90 Tagen ermittelten sie bei 26 (Merci) beziehungsweise 37 Prozent (Solitaire) aller Patienten auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) Werte von null (keine Symptome) bis zwei (leichte Beeinträchtigungen; Patienten versorgen sich im Alltag jedoch selbst). Weitere Daten kommen aus der TREVO2-Studie. Hier standen sich Merci und Trevo-Retriever gegenüber. Nach 90 Tagen hatten 22 beziehungsweise 40 Prozent der Studienteilnehmer mRS-Werte zwischen null und zwei. Kanadische Forscher um Mayank Goyal, University of Calgary, gaben sich mit einzelnen Veröffentlichungen nicht zufrieden. Im Rahmen einer Metaanalyse haben sie 16 Studien unter die Lupe genommen: vier mit Merci-Devices (357 Patienten), vier mit Solitaire-Devices (113 Patienten) und acht mit Penumbra-Devices (455 Patienten). Unterschiede zeigten sich vor allem hinsichtlich der Rate erfolgreicher Rekanalisierungen: Solitaire-Systeme lagen ganz vorn (93 Prozent), gefolgt von Penumbra- (86 Prozent) und Merci-Gerätschaften (59 Prozent). Funktionell unabhängig im Sinne eines mRS-Werts von null bis zwei Zählern waren 46,9 Prozent (Solitaire), 36,6 Prozent (Penumbra) und 31,5 Prozent (Merci) aller Patienten. Die Autoren raten deshalb, bei endovaskulären Therapien moderne Stent-Retriever einzusetzen. Diese führten zu höheren Rekanalisierungsraten und damit zu besseren Resultaten hinsichtlich der Lebensqualität.
Katheter oder Lyse – welche Strategie ist schlussendlich besser? Entsprechende Diskussionen könnten in absehbarer Zeit zu Ende sein. Mittlerweile gehen Forscher der Frage nach, ob Menschen von kombinierten Behandlungen profitieren. Im Rahmen von SWIFT PRIME setzen sie den Retriever Solitaire als alleinige Therapie oder als Kombination mit Thrombolytika wie t-PA ein – es bleibt spannend.