Im Winter greifen viele Patienten zu Tageslichtlampen. Doch bei manchen Depressionsformen ist Vorsicht geboten – wie gut sind die Leuchten wirklich?
Der Sommer ist noch nicht ganz vorbei und schon trauert man ihm nach – wir gehen schnurstracks auf Herbst und Winter zu. Mit dem kalten Wetter und den kurzen Tagen kommt bei vielen auch die schlechte Laune; im schlimmsten Fall kann sich eine Winterdepression entwickeln. Können Tageslichtlampen in solchen Fällen Abhilfe schaffen?
In Deutschland leiden rund 8 % der Erwachsenen unter Depression. Eine häufige Form ist dabei die Winterdepression, die auch als Seasonal Affective Disorder (SAD) bezeichnet wird. Zu den typischen Symptomen kommen oftmals atypische Symptome, wie etwa Heißhunger auf Kohlenhydrate, Hypersomnie und eine gesteigerte Irritabilität. Und der Auslöser? Der ist vermutlich die Winterzeit selbst. Kurze Tage und ungünstige Tag-Nacht-Regimes können die körpereigene innere Uhr aus dem Takt bringen.
Der Takt wird vom Nucleus suprachiasmaticus (SCN) angegeben – der Bestandteil im Hypothalamus, der den zirkadianen Rhythmus erhält. Wie gut dieser zirkadiane Rhythmus funktioniert, zeigt sich häufig am Wochenende: Stehen wir unter der Woche immer zur selben Zeit auf, wachen wir auch am Wochenende häufig um diese Uhrzeit auf, obwohl wir eigentlich viel länger hätten schlafen können. Das gilt natürlich nicht für jeden.
Ein wichtiger Zeitgeber für die innere Uhr ist das Licht. Fällt dieser Zeitgeber jedoch weg oder verändert sich stark, wie etwa im Winter, kann das weitreichende Auswirkungen auf den Körper haben. Denn der zirkadiane Rhythmus beeinflusst nicht nur unseren Schlaf-Wach-Rhythmus – auch die Sekretion von Hormonen und die Körpertemperatur folgen rhythmischen Änderungen über den Tag hinweg. Ist das Gleichgewicht gestört, kann es zu depressiven Verstimmungen, Stimmungsstörungen und saisonaler Depression kommen.
Zur Standardtherapie bei jeglicher Depression gehören Antidepressiva sowie Verhaltenstherapien und andere Formen der psychologischen Betreuung – auch bei saisonaler Depression. Ist logisch, denn eine Ursachenbekämpfung wäre schwierig, die Sonne lässt sich schließlich nicht an den Schreibtisch ketten. Oder doch? Tageslichtlampen versprechen, die Sonne in praktischer To-go-Größe für Zuhause. Die Idee dahinter: Die Lampe soll die Sonne im kleinen Maßstab imitieren und damit dem zirkadianen Rhythmus auf die Sprünge helfen. Die Nebenwirkungen sind verschwindend gering. Diese Form der Lichttherapie, auch Bright Light Therapy (BLT) genannt, soll nicht nur bei saisonaler Depression, sondern auch anderen Stimmungsstörungen hilfreich sein. Sie wirkt beispielsweise auf monoaminerge Signalwege, die mit diesen Erkrankungen zusammenhängen.
Auch wenn der Wirkungsmechanismus noch nicht vollständig geklärt ist, weiß man, dass sich die Wirkung der Lichttherapie über die Augen entfaltet. Dort sitzen nämlich retinale Zellen, die den G-Protein gekoppelten Rezeptor Melanopsin enthalten und den SCN mit Informationen über Lichtverhältnisse versorgen. Sind diese weniger empfindlich oder wenig Tageslicht ausgesetzt, durch z. B. Schichtdienst oder kurze Wintertage, kann das zu depressiven Stimmungen führen. Denn: Sind die Lichtverhältnisse ungünstig, kann der SCN nicht mehr moduliert werden, was bedeutet, dass die innere Uhr aus dem Takt gerät. Der SCN steht außerdem auch mit den Raphe-Kernen im Zusammenhang, an denen die serotonergen Neuronen entspringen. Kommt der zirkadiane Rhythmus durcheinander, kann es zu einem Absinken des Serotoninspiegels kommen, was dann wiederum zu dem Winterdepression-spezifischen Symptom Heißhunger auf Kohlenhydrate führt, da der Körper versucht, das Defizit auszugleichen.
Die Tageslichtlampe soll saisonaler Depression aber auch vorbeugen können. Dass die Lichttherapie hilfreich sein kann, wurde bereits mehrfach gezeigt, unter anderem für uni- und bipolare Störungen des saisonalen und auch nicht-saisonalen Typs (hier, hier und hier). Und auch bei anderen Stimmungserkrankungen konnten positive Effekte gezeigt werden. Aber insbesondere bei der saisonalen Depression kann die BLT selbst mit manchen Antidepressiva mithalten und sogar als Monotherapie eingesetzt werden. Denn das Licht verstärkt den Zeitgebereffekt bzw. regt Melanopsin an, was sich wiederum auf den zirkadianen Rhythmus, aber auch den Serotoninspiegel auswirkt.
Na super, also Tageslichtlampe auf den Schreibtisch, ein paar Stunden bestrahlen lassen und weg ist die Depression? Nicht ganz. Die Länge, der Zeitpunkt und die Intensität der BLT spielen eine große Rolle.
Bei Erwachsenen empfiehlt sich ein Einsatz von 10.000 Lux á 30 Minuten pro Tag, idealerweise am Morgen, da dieser Anwendungszeitraum am effektivsten ist. Das gilt für verschiedene Störungsbilder, einschließlich der Winterdepression, aber auch zur präventiven Anwendung und generellen Verbesserungen der Stimmung. Die Lampe sollte in einem Winkel von 30–60° zu den Augen aufgestellt werden, damit ausreichend Licht einfallen kann. Eine frontale Nutzung der Lampe ist jedoch nicht notwendig. Kommt es zu Nebenwirkungen, wie etwa Schlafstörungen, Kopfschmerz, Übelkeit oder Überanstrengung der Augen, kann eine Reduktion der Dosis Abhilfe schaffen. 2.500 Lux á ein bis zwei Stunden pro Tag könnten dann zum Einstieg gewählt werden.
Vorsicht ist jedoch geboten bei bipolarer Depression: Zwar zeigt auch bei diesem Störungsbild die BLT gute Effekte, doch erleben Betroffene teilweise schwerwiegendere Nebenwirkungen. Wird bei solchen Patienten eine Lichttherapie in Erwägung gezogen, sollte eine engmaschige Überwachung der Therapie insbesondere zu Beginn gewährleistet sein; hier eignet sich eine professionelle BLT direkt in der Praxis möglicherweise besser. Denn die BLT kann in seltenen Fällen bei Patienten mit bipolarer Depression eine Hypomanie auslösen. Daher empfiehlt sich zu Beginn auch eine reduzierte Dosis sowie eine Administration der Lichttherapie um die Mittagszeit. Der Effekt ist dann zwar geringer, aber auch das Risiko für Nebenwirkungen nimmt ab. Trotzdem kann die Lichttherapie auch bei dieser Form der Depression sehr effektiv sein und ergänzend eingesetzt werden. Sie könnte bei erfolgreicher Anwendung vor manischen Episoden schützen.
Die Lichttherapie stellt eine mögliche Alternative zu konventionellen Behandlungsmethoden dar. Ob nun als Monotherapie, ergänzend oder auch zur Prävention – die Sonne für den Schreibtisch erhält immer mehr Anklang. Eine aktuelle Studie konnte im Mausmodell zeigen, dass der Einsatz von BLT möglicherweise auch neuroinflammatorische Prozesse beeinflusst, was den Anwendungsbereich vergrößern könnte.
Insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen scheuen sich viele Ärzte, Antidepressiva zu verschreiben und selbst wenn die positiven Effekte bei dieser Altersgruppe noch nicht vollständig belegt sind, könnte die Lichttherapie eine Alternative sein, die vor Verschreibung von Medikamenten ausgeschöpft werden sollte. Der einzige Nachteil der Lampen: Adhärenz ist das A und O – stellen Patienten die Nutzung ein, gehen auch die positiven Effekte verloren. Und trotzdem: Eine Lampe auf dem Schreibtisch anzuknipsen, gelingt sicher leichter als ein langer Spaziergang bei Tageslicht im Winter.
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