ADHS geht häufig mit Komorbiditäten einher. Welche Störungsbilder dabei in einem besonders starken genetischen Zusammenhang mit der Aufmerksamkeitsdefizitstörung stehen, lest ihr hier.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neuronale Entwicklungsstörung, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftritt und in bis zu zwei Dritteln der Fälle bis ins Erwachsenenalter reicht. Weltweit wird die Prävalenz auf etwa fünf Prozent bei Kindern/Jugendlichen und 2,5 Prozent bei Erwachsenen geschätzt. Eine gerade veröffentlichte Studie des Lehrstuhls für Epidemiologie der Universität Augsburg in der Zeitschrift BMJ Mental Health untersuchte jetzt den Zusammenhang zwischen ADHS und psychischen Erkrankungen.
„In Beobachtungsstudien wurde ADHS mit Stimmungs- und Angststörungen in Verbindung gebracht, aber bisher ist nicht bekannt, ob es in einem kausalen Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen steht“, erklärt Prof. Christine Meisinger, Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Epidemiologie und Erstautorin der Studie. Um dies herauszufinden, verwendeten die Forscher die Mendelsche Randomisierung, eine Technik, bei der genetische Varianten als Stellvertreter für einen bestimmten Risikofaktor – in diesem Fall ADHS – verwendet werden, um genetische Beweise für ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten. In dieser Studie war das für sieben häufige psychische Erkrankungen der Fall: schwere klinische Depression, bipolare Störung, Angststörung, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), Anorexia nervosa sowie Suizidalität.
„Unsere Studie liefert neue Erkenntnisse über das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen psychiatrischen Störungen, die im Zusammenhang mit ADHS stehen. So gibt es Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen ADHS und einer schweren klinischen Depression. Beide psychischen Störungen können einzeln und gemeinsam das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. einen Suizidversuch vergrößern. Ein erhöhtes Risiko für Anorexia nervosa kann jedoch ausschließlich auf ADHS zurückgeführt werden. Auf der anderen Seite gab es keine Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen ADHS und bipolaren Störungen, Angstzuständen sowie Schizophrenie“, erklärt Dr. Dennis Freuer, Ko-Autor der Studie.
Auch wenn die Mendelsche Randomisierung methodische Limitationen aufweist, ist sie doch aussagekräftig genug, dass die Ergebnisse der Studie Kliniker ermutigen sollten, bei der Behandlung von Menschen mit ADHS proaktiver vorzugehen, sagen Meisinger und Freuer. „Diese Studie eröffnet neue Einblicke in die Wege zwischen psychiatrischen Störungen. Daher sollten Patientinnen und Patienten mit ADHS in der klinischen Praxis auf die in dieser Studie untersuchten psychiatrischen Störungen überwacht und gegebenenfalls Präventivmaßnahmen eingeleitet werden“, erklären die beiden Autoren.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Universität Augsburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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