Pflege, Prävention und GKVen sind die großen Verlierer von morgen. Gestern stellte Lauterbach den Haushalt für 2024 vor – wenigstens beim Sparen hat das BMG die Nase vorn.
Es ist naheliegend, dass man lieber in etwas der Stärkste ist als der Schwächste. So verwundert die Betonung des Bundesministers bei der gestrigen Vorstellung des Gesundheitsetats für 2024 nicht, dass man das Ressort sei, das am stärksten zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes beitrage. Frei von Wertung heißt das: Das Bundesministerium für Gesundheit spart so viel wie kein anderes Ministerium – der Etat schrumpft von 24,483 Milliarden Euro auf 16,221 Milliarden Euro.
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte die Seite neu laden.
Innerhalb eines Gesamtetats von 445,7 Milliarden Euro gehört das BMG zwar ohnehin zu den „Geringverdienern“ an Ministerien, aber mit Auslaufen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Mehraufwendungen müssten nun auch die entsprechenden Zuschüsse gestrichen werden. „Wir haben letztlich keinen insgesamt schrumpfenden Haushalt, sondern einen sich stabilisierenden Haushalt. Mit den hohen Ausgaben ist Deutschland besser durch die Pandemie gekommen als viele anderen europäischen Länder. Jetzt geht es wieder um die Alltagsaufgaben“, setzt Lauterbach den aktuellen Etat in Relation.
Diese seien keineswegs zu vernachlässigen – alle bisherigen Veränderungen im System wären lediglich „Bagatellreformen“, während nun die entscheidenden Schritte getan werden müssten. Auch müsse nun angepackt werden, was in einem „10-jährigen Reformstau liegengeblieben“ sei. Dem Vorwurf, dass Probleme an anderer – früherer – Stelle gemacht wurden und nun nachgearbeitet werden müsse, fügte Lauterbach den Beleg einer rückläufigen Lebenserwartung bei. Dies sei ein Zeichen für die Ökonomisierung des Gesundheitsapparats, der nun mit mehr evidenzbasierter Medizin begegnet werden soll.
Während der Minister Worte für die politische Arbeit der Regierung hat („In der Gesundheitspolitik kann ich nur sagen: die Ampel wirkt – sie wirkt durch Geschlossenheit“), ist es die Opposition, die die Finger in die Wunder legt und auf die konkreten Kürzungen hinweist.
„Der Bundeszuschuss an die GKV soll von 2023 auf 2024 eingefroren werden. Das führt zu steigenden Beitragssätzen und stelle die Kassen vor Probleme“, bringt Gesine Lötzsch (Die Linke) auf den Punkt. Auch die Krankenkassen reagieren mit Unverständnis auf die ausbleibende finanzielle Entlastung: „Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf der Bundesregierung für den Bereich Gesundheit entzieht sich die Bundesregierung erneut ihrer finanziellen Verantwortung für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Statt ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, gilt das Spardiktat. Kein Wort mehr von einem dynamisierten Steuerzuschuss in der GKV, kein Wort mehr von höheren Beiträgen für Empfangende von Bürgergeld aus Steuergeldern.“
Dietrich Monstadt (CDU) kritisiert weitere Punkte des kommenden Haushalts: „Sie übertreiben mit Ihren Sparmaßnahmen. Wir schliddern sehenden Auges in die nächste Krise. Gesundheit ist nicht nur Corona. Warum werden jetzt Gelder in der Prävention gestrichen? Nur mit Aufklärung können wir Krebs, Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schon vor ihrer Entstehung entgegentreten.“ Der Politiker spricht damit die Streichung des Zuschusses zur Pflegeversicherung an, der großen Gegenwind bekam. Bundesrats-Vertreter und Gesundheitsminister (Bayern) Klaus Holetschek machte derweil auf die Bedeutung des Pflege-Themas unmissverständlich aufmerksam: „Die Pflege wird zur Schicksalsfrage der Nation auf Generationen. Die Frage der Pflege muss vorher – vor der Krankenhausreform – geklärt werden, es gehören beispielsweise Springerpools abgeschafft und soziale Sicherungssysteme etabliert.“ Auch die Reduzierung der Ausgaben für (Sucht-)Prävention von 13 auf 9 Millionen Euro ist ein Sparpunkt des Ministers. Die Verlegung von Geldern des Ministeriums in den Tätigkeitsbereich der Bundesagentur für Arbeit machen das Minus komplett.
Regierungskollegin Kristine Lütke (FDP) sieht Investitionspotenzial – allerdings weniger unter staatlicher Kontrolle: „Die Gesundheitswirtschaft ist eine Wachstumsbranche mit 3,8 % plus in letzten 10 Jahren. Als Gesetzgeber müssen wir Rahmen schaffen, in dem die Gesundheitswirtschaft noch erfolgreicher sein kann. Das schafft mehr Beschäftigung, Einnahmen und bessere Gesundheit für Bürger. Wir müssen alle Effizienzpotenziale heben, die möglich sind. Ob in Sachen Pharma, Forschung oder KI – wir müssen Unternehmen die Beinfreiheit zur Investition geben. Nur Leistungsausweitungen bringen nichts.“
Dass es mehr Geld und Investitionen bedarf, um das System vor dem Kollaps zu bewahren, sind sich die Parlamentarier von Regierung und Opposition grundsätzlich einig. Doch der Blick in die Zukunft lässt da zweifeln, werden doch Etats der kommenden Jahre mit bereits erfolgten Impfstoff-Verträgen heute belastet. Während 2024 hierfür 346 Millionen Euro ausgegeben werden, sind es 2025 380 Millionen – bei perspektivisch sinkenden Haushaltsetats. Dazu kommen die Pandemiebereitschaftsverträge, die bis 2029 über 2 Milliarden Euro kosten werden; allein 2025 müssen dafür 544,84 Millionen Euro berappt werden.
Doch es wird auch nicht nur gespart. So verkündete der Minister, dass man Präventionsarbeit natürlich im Blick habe: „Wir brauchen ein neues Institut mit nur einem einzigen Ziel: Eine bessere Vorbeugung zu etablieren. […] Das werden wir in diesem Herbst auf den Weg bringen.“
Doch das Gesundheitswesen ist nicht allein mit seinen finanzpolitischen Sorgen. Ebenso wird im Familienministerium, bei Wirtschaft und Klimaschutz, Ernährung, Bildung und Forschung gespart – während die Etats in Verteidigung, Verkehr und Arbeit/Soziales steigen. Angesichts dieser Zahlen und politischen Präferenzen scheint es fast ratsam, dass sich die medizinische Forschung auf ein Mittel konzentriert, das uns aus der Zeitschleife herausholt.
Bildquelle: Mathieu Stern, Unsplash