Viele Sportler sind Mitglied im Verein – aber nicht aus sportlichen Gründen. Eine Umfrage gibt jetzt Aufschluss über Motivation und Probleme des Amateursports.
Menschen, die sich mit Leib und Seele im Verein engagieren, ist Sport sehr wichtig. Allerdings gibt es etwas, das Vereinsmitglieder noch mehr schätzen, erläutert Sportwissenschaftler Prof. Harald Lange von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg: „Und zwar die soziale Dimension.“ Das geht aus einer neuen, repräsentativen Amateursport-Studie der Voting-Plattform FanQ hervor, an der Lange mitgewirkt hat. 10.452 Vereinssportler in ganz Deutschland wurden in die Studie einbezogen.
Wer Profisport betreiben will, muss in der Lage sein, bei Wettbewerben mitzuhalten. Amateursportler stehen nicht unter diesem Druck. In Sportvereine gehen die Menschen der Studie zufolge vor allem deshalb gerne, weil sie dort mit anderen in Kontakt kommen und gemeinsam Bewegungserfahrungen sammeln können. Das gaben mehr als 86 Prozent der Befragten an. „Das ist ein gigantischer Wert“, sagt Lange, der an der JMU den Lehrstuhl für Sportwissenschaft leitet. Damit habe die Studie eine überraschend klare Botschaft: „Nämlich, dass der Amateursport ein Agent des Sozialen in unserer Gesellschaft ist.“
Die Studie offenbart auch ein Problem: Wenn im Verein Engagement gefragt ist, finden sich nicht so einfach Menschen, die helfen, ohne zu zögern. Die Befragten schätzen die Sicherung des ehrenamtlichen Einsatzes als die momentan größte Herausforderung ein. Mehr als 72 Prozent gaben an, dass sie aktuell ehrenamtliche Unterstützung bräuchten. „Hier wird eine Lücke sichtbar“, sagt Lange. Womöglich ist der Einbruch beim ehrenamtlichen Engagement auf wenig günstige Rahmenbedingungen für Vereinsvorstände und andere Aktive zurückzuführen – etwa, wenn es darum geht, im Verein behördliche Auflagen zu erfüllen. Hinzukomme eine hohe Erwartungshaltung der Vereinsmitglieder gegenüber dem ehrenamtlichen Vorstand als Dienstleister.
„Ehrenamtliches Engagement im Sportverein hat grundsätzlich zwei Säulen“, erklärt Lange. Ehrenamtliche hätten zwar Spaß daran, etwas für andere zu machen; auf der anderen Seite koste das Engagement natürlich Zeit und Kraft. Im besten Fall hält sich beides die Waage. Doch oft höre man Vereinsvorstände klagen, dass ihr Ehrenamt permanent zu viel Zeit und Kraft erfordert. Dadurch entsteht laut dem Sportwissenschaftler ein Missverhältnis.
Als Impuls aus der Studie wäre zu fragen, ob es all die Bürokratie, die Vereinen aufgebürdet wird, tatsächlich braucht. Ein weniger guter Weg wäre für Lange eine weitere Kommerzialisierung des Ehrenamts. Dadurch, dass zum Beispiel manche Trainer regelrechte Gehälter bekommen und andere in finanzieller Hinsicht leer ausgehen, entstünde eine schwierige Debatte um das Gerechtigkeitsthema. „Allerdings sollten wir im Zusammenhang mit dem Ehrenamt vermehrt über das Thema ‚Anerkennung‘ nachdenken.“
Dass die Amateursport-Studie in Bezug auf die soziale Dimension des Sportvereinswesens verblüfft, ist möglicherweise auf die Corona-Krise zurückzuführen. „Dadurch, dass man sich nicht mehr treffen und gemeinsam Sport treiben konnte, hat man den Wert des sozialen Miteinanders erst richtig schätzen gelernt“, vermutet Lange. Aus der Studie selbst allerdings ließen sich keine Zusammenhänge zwischen der Corona-Krise und der aktuell hohen sozialen Bedeutung des Amateursports ableiten. Die Studie zeige aber, wie es um die „komplexe soziale Realität Sportverein“ im Moment bestellt ist. Im Sportverein gehe es demnach nicht in erster Linie darum, Muskeln zu stärken, sondern soziale Beziehungen: „Maßgeblich darauf lassen sich Zufriedenheit und Glückserleben zurückführen.“ Sportvereine könnten durch die Studie angeregt werden, sich noch mehr als bisher auf das Soziale zu besinnen.
Eindeutig gehe aus der Studie hervor, dass sich der Vereinssport, anders, als oft behauptet, nicht in einer Krise befindet. Für Lange sind die Studienergebnisse nicht zuletzt mit Blick auf die Stimmung im Land von Bedeutung: „Wir haben gerade enorme Probleme in der Gesellschaft, viele Themen polarisieren.“ Umso wichtiger sei es, soziale Instanzen wie den Amateursport zu haben. „Vor allem die nachwachsende Generation kann hier soziales Verhalten einüben.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Die Originalstudie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Richard Boyl, Unsplash