Allein im letzten Jahr starben in Deutschland 743 Personen beim Warten auf ihre Spenderniere. Können Xenotransplantationen die Lösung sein? Ein aktueller Fall macht Hoffnung.
Etwa 8.496 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen warten auf eine Niere. 2022 gab es bundesweit aber nur 869 Organspender. 743 Personen auf der Warteliste sind 2022 verstorben. In den USA sind die Zahlen noch höher. Dort stehen über 100.000 Menschen auf der Warteliste für eine Nierenspende, während jährlich nur 25.000 Transplantationen durchgeführt werden können. 40 % der gelisteten Menschen sterben innerhalb von 5 Jahren, während sie auf ein Organ warten. Die Knappheit an Spenderorganen ist also nicht nur hierzulande ein Problem.
Während immer wieder Diskussionen über die Modalität der Organspende entbrennen, wird mit Hochdruck an alternativen Konzepten wie der Xenotransplantation gearbeitet. Hoffnung macht nun ein Bericht über die erfolgreiche Transplantation einer genetisch modifizierten Schweineniere, die dem Team um Robert Montgomery vom Langone Transplant Institute der New York Universität in Manhattan nun gelang. Die Forscher veröffentlichten am 16.08.2023 ihren Bericht.
Den Ärzten zufolge habe man einem hirntoten Probanden nach Zustimmung durch dessen Familie eine genetisch veränderte Schweineniere transplantiert, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit 32 Tagen erfolgreich arbeitete, ohne Anzeichen einer Abstoßung aufzuweisen. Dies stellt den längsten Zeitraum da, den je eine Schweineniere in einem Menschen funktioniert hat. Die Studie soll noch bis Mitte September fortgeführt werden.
Die erste Schwierigkeit bei einer Xenotransplantation stellt laut den Forschern die hyperakute Abstoßung dar, für die das Biomolekül Alpha-Gal verantwortlich ist, das sich auf den Zellmembranen vieler Säugetiere findet und beim Menschen nicht vorkommt. Da es eine Crossreaktivität mit der Zellmembran von Bakterien gibt, reagiert das menschliche Immunsystem jedoch sehr stark auf das Molekül. Das kodierende Gen wurde deshalb ausgeschaltet.
Ein Vorteil dieses Tiermodells ist laut Montgomery, dass die Tiere gezüchtet werden können und nicht geklont werden müssen, was den Prozess deutlich vereinfacht, sodass potentiell viele Spendertiere zur Verfügung stehen würden. Die FDA ließ die Tiere letztes Jahr als Nahrungsmittel für Menschen mit Alpha-Gal-Syndrom und als potentielle Quelle von Therapeutika zu. Beim Alpha-Gal-Syndrom entwickeln betroffene allergische Beschwerden auf eben jenes – auch für die hyperakute Abstoßung entscheidende Zuckermolekül – Galactose-alpha-1,3-Galactose (GGTA1), nachdem sie durch den Stich kontaminierter Zecken sensibilisiert wurden (DocCheck berichtete).
Um auch einer Langzeitabstoßung vorzubeugen, wurde die Thymusdrüse des Schweins unter die Kapsel der Niere eingebettet. Gleichzeitig wurden die menschlichen T-Zellen vorsorglich mit Antithymogolobulin stark reduziert. Nun erholen sich die T-Zellzahlen langsam. Die Forscher hoffen, dass das Thymusgewebe des Schweins neu entstehende menschlichen T-Zellen, die sich gegen die Antigene der Schweineniere richten, eliminiert und so eine Abstoßungsreaktion verhindert. Diese Frage soll laut den Forschern im zweiten Monat der Studie untersucht werden. Laut Montgomery kamen ansonsten noch zwei Standardmedikamente zur Immunsuppression zum Einsatz, wobei innerhalb der Pressekonferenz nicht genau konkretisiert wurde, um welche Medikamente es sich genau handelte.
Die transplantierte Niere produzierte sofort Urin. Die Kreatininwerte befinden sich seit Beginn der Studie in einem optimalen Bereich und wöchentliche Biopsien boten bisher keinen Anhalt für eine Abstoßungsreaktion. Die Nieren des Patienten waren vor dem Eingriff entfernt worden, um sicher zu gehen, dass die nur die Funktionalität des Xenotransplantates gemessen wurde.
Es ist nicht der erste Versuch einer Xenotransplantation in den USA. 2021 hatte die Arbeitsgruppe der NYU Langone Health erstmals eine Schweineniere an einen hirntoten Menschen angeschlossen, wobei diese sich außerhalb des Körpers befand. Der Versuch wurde für 72 Stunden aufrechterhalten. Einige Monate später transplantierten Forscher der University of Maryland ein Herz von einem gentechnisch veränderten Schwein in einen 57-jährigen Patienten mit Herzversagen. Er starb zwei Monate später (DocCheck berichtete). In dem Organ wurden Spuren eines Virus gefunden, das bekanntermaßen Schweine infiziert. In der aktuell durchgeführten Studie kam deshalb auch ein neuartiger sensitiverer Assay zur Detektion von Virusinfektionen in den Spendertieren zum Einsatz.
Die Arbeitsgruppe der University of Alabama at Birmingham konnte letztes Jahr darüber berichten, zwei genetisch veränderte Schweinenieren in einen Menschen transplantiert zu haben. Dabei wurde jedoch ein anderes Tiermodell verwendet, bei dem 10 Genmodifikationen vorgenommen wurden. Es war nach dem Einsetzen des Organs zwar auch zu einer Urinproduktion gekommen, jedoch erholte sich aus ungeklärten Gründen die Kreatininclearance nicht und die Nieren schafften es nicht, den Säure-Base-Haushalt auszugleichen. Das Experiment wurde nach 72 Stunden aufgrund einer schweren Gerinnungsstörung beendet. Umso bemerkenswerter ist deshalb, dass die jetzt eingesetzte Niere bisher alle Funktionen der menschlichen Nieren ersetzen kann.
Die Forscher hoffen, mit dem bisher vielversprechenden Versuch einen wichtigen Schritt für die Zulassung einer Phase I Studie in Lebenden durch die FDA gemacht zu haben. Vorbehalte bestehen unter anderem aus Angst vor Zoonosen, insbesondere durch bestimmte Retroviren. Deshalb wurden die Spendertiere auch dahingehend genetisch modifiziert, die Replikation der Viren zu verhindern. Ob dies funktioniert hat, bleibt nun abzuwarten. Der Empfänger der Nieren wird engmaschig auf etwaige Infektionen hin untersucht. Noch ist die Studie nicht abgeschlossen. Die Publikation aller Ergebnisse in einem Fachjournal darf mit Spannung erwartet werden.
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