Bei ALS werden Nerven geschädigt, was die typischen Symptome verursacht. Lichtsensitive Motorneurone sollen Abhilfe verschaffen – wie genau das funktioniert, lest ihr hier.
Amyotrophische Lateralsklerose (ALS) ist die häufigste Form der Motoneuronenerkrankung (MND) bei Erwachsenen. Symptom der ALS ist der Zusammenbruch der neuromuskulären Verbindungen, wodurch der Muskel denerviert wird. Dieser Zusammenbruch führt zu Muskelschwäche, Lähmungen und schließlich zu einem vorzeitigen Tod. Die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt nach dem ersten Auftreten der Symptome etwa 20 bis 48 Monate.
Durch ihre Forschung haben Wissenschaftler detailliert beschreiben können, wie eine Kombination aus transplantierten Ersatzmotorneuronen und optischer Nervenstimulation die Muskelfunktion in einem sehr aggressiven Mausmodell der ALS verbessern kann. Ihre Ergebnisse wurden als eLife-Preprint veröffentlicht. Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung einer unterstützenden Therapie bei ALS beitragen.
„Die zellulären und molekularen Veränderungen, die der Neuronendegeneration bei ALS zugrunde liegen, sind äußerst komplex und können von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein“, erklärt Studienleiter und Co-Autor Dr. Barney Bryson, Wissenschaftler in der Abteilung für neuromuskuläre Erkrankungen des UCL Queen Square Institute of Neurology in London. „Aus diesem Grund gibt es derzeit keine Therapien, die das Fortschreiten der Symptome bei ALS-Patienten verhindern können.“
Bryson und seine Kollegen haben bereits eine Proof-of-Concept-Strategie zur Überwindung der Muskeldenervierung in einem Modell der Muskellähmung bei Mäusen mit Nervenverletzungen demonstriert. Bei dieser Strategie wird die Technik der optischen Nervenstimulation (ONS) eingesetzt, um transplantierte motorische Ersatzneuronen, die durch Modifizierungen lichtempfindlich gemacht wurden, mit einer kleinen Leuchtdiode zu stimulieren. In der aktuellen Studie wollte das Team herausfinden, ob diese Strategie angepasst werden kann, um die Muskelfunktion zu reinnervieren und wiederherzustellen.
Das Team vergewisserte sich zunächst, ob die gesunden Motoneuronen des Spenders den Transplantationsprozess überstehen. Tests mit dem Immunsuppressivum Tacrolimus – das bei humanen Organtransplantationen regelmäßig eingesetzt wird – zeigten, dass es für den Einsatz im ALS-Mausmodell nicht geeignet war. Eine spezifischere Form der Immunsuppression stellte ein Antikörpertyp namens H57-597 dar. Durch die Behandlung wurde eine Abstoßung des Transplantats verhindert und Nervenverbindungen zu den Zielmuskeln konnten wiederhergestellt werden. Die Kraft der Muskelkontraktionen, die durch die Behandlung erreicht wurde, fiel allerdings relativ schwach aus.
Bildung und Aufrechterhaltung neuromuskulärer Verbindungen sind aktivitätsabhängige Prozesse. Die transplantierten Motoneuronen überleben also ohne regelmäßige Stimulation, bilden aber keine neuromuskulären Verbindungen – was die beobachteten schwachen Muskelkontraktionen erklären könnte. Um eine regelmäßige Stimulation zu gewährleisten, setzten die Forscher daher ein drahtloses optisches Stimulationssystem ein, um täglich eine Stunde lang regelmäßige Muskelkontraktionen auszulösen. Nach 21 Tagen dieses optischen Stimulationstrainings zeigte sich bei den Mäusen eine mehr als 13-fache Verbesserung der Muskelkontraktionskraft.
Diese Ergebnisse zeigen, dass betroffene Muskeln in einem ALS-Mausmodell für eine Reinnervation durch gesunde, transplantierte Motoneuronen empfänglich bleiben, selbst in späteren Stadien der Krankheit.
Es seien noch viele Herausforderungen zu bewältigen, bevor dieser Ansatz zur Wiederherstellung der Muskelfunktion bei ALS-Patienten eingesetzt werden kann, so die Autoren der Studie. Hierfür sind weitere Studien erforderlich, um das Transplantationsverfahren mit menschlichen Motoneuronen zu untersuchen und um festzustellen, ob es ausreicht, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Den Ansatz bei anderen Formen von MND zu testen, insbesondere bei solchen mit einer längeren Lebenserwartung, kann Aufschluss über die langfristige Wirksamkeit des Verfahrens geben.
„Unsere Studie zeigt, dass Ersatzmotorneuronen die Zielmuskeln in einem fortgeschrittenen ALS-Modell robust und zuverlässig reinnervieren können“, schließt die Hauptautorin Linda Greensmith, Professorin in der Abteilung für neuromuskuläre Erkrankungen am UCL Queen Square Institute of Neurology. „Wenn dieser Ansatz erfolgreich auf ALS-Patienten übertragen werden kann, würde die Redundanz des verwendeten Motoneuron-Subtyps bedeuten, dass ein einziger Motoneuron-Typ hergestellt werden könnte, um eine große Anzahl verschiedener Muskeln bei einzelnen ALS-Patienten zu steuern. Dies wiederum würde zu einer effizienteren und umfassenderen Behandlungsmöglichkeit führen.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Casey Horner, Unsplash