Ein neues Verfahren erlaubt es, die Aggressivität bestimmter Tumoren mit großer Sicherheit einzuschätzen. Die simple Methode soll helfen, eine Verlaufsprognose für Magen- oder Dickdarmkrebs abzugeben.
Der Körper setzt sich gegen Tumoren normalerweise mit allen Mitteln zur Wehr. So versucht er beispielsweise, die Wucherung in einer Hülle aus Bindegewebe einzukapseln. Diese Reaktion bremst die weitere Ausbreitung der Krebszellen. „Bei der Analyse von Gewebeproben ist uns aber aufgefallen, dass das nicht immer gelingt“, erklärt Prof. Bruno Märkl von der Universität Augsburg. „Manche Tumorzellen scheinen quasi ungehindert in das umliegende Gewebe einzuwandern.“
Besonders kritisch ist das, wenn sie dabei auf Fettzellen treffen. Die Augsburger Wissenschaftler bezeichnen solche Tumor-Fett-Kontaktzonen als SARIFA – „Stroma Areactive Invasion Front Areas“ bzw. Invasionsgebiete, in denen es keine Gegenreaktion des Gewebes gibt. „Die Existenz von SARIFA geht unseren Untersuchungen zufolge mit einer erheblich verschlechterten Prognose für die Erkrankten einher“, betont Märkl: „So überlebten Patientinnen und Patienten mit SARIFA-positiven Magentumoren im Schnitt etwa anderthalb Jahre – nicht einmal halb so lange wie SARIFA-negative Vergleichspersonen.“
Die Wissenschaftler griffen für ihre Studien auf jahrzehntealte Proben zurück. Diese waren den Betroffenen seinerzeit meist bei der Diagnose oder der Operationsplanung entnommen worden. „In allen Fällen wussten wir auch, welchen Verlauf die Erkrankung in den Jahren danach genommen hatte“, sagt Märkl. In Zukunft könnte die Existenz von SARIFA in Gewebeschnitten als prognostischer Marker dienen. „Geschulte Pathologinnen und Pathologen benötigen für die Beurteilung nur ein paar Sekunden“, sagt Märkl. „Fehldiagnosen sind zudem äußerst selten. Da bei der Abklärung eines möglichen Tumors ohnehin Proben entnommen werden müssen, fallen außerdem keine zusätzlichen Kosten an.“
Doch warum sind SARIFA-positive Tumoren so viel bösartiger? Das liegt vermutlich nicht nur an der gescheiterten Einkapselungs-Strategie des Körpers. Zwar können sich die Krebszellen dadurch besser ausbreiten. Doch ihren Aggressivitäts-Schub verdanken sie wohl auch maßgeblich dem direkten Kontakt zum Fettgewebe. Denn das Körperfett dient den Tumoren augenscheinlich als eine Art Tankstelle: Sie zapfen die Fettzellen gewissermaßen an und versorgen sich aus ihnen mit großen Mengen energiereicher Fettsäuren. Dadurch schaffen sie es, sich besser zu vermehren.
Eine erfolgversprechende therapeutische Strategie könnte es daher sein, diesen Tankvorgang zu unterbinden. Es gibt bereits Wirkstoffe, die gegen bestimmte Proteine wirken, mit denen Krebszellen Fettsäuren aufnehmen. Dazu zählt beispielsweise das Diabetes-Medikament Metformin. „Vielleicht lassen sich die Behandlungsaussichten SARIFA-positiver Tumoren mit solchen oder ähnlichen Präparaten – in Kombination mit einer konventionellen Chemotherapie – verbessern“, hofft Märkl.
Die Forscher wollen auch der Frage nachgehen, warum es dem Immunsystem mancher Menschen so schlecht gelingt, Krebsgeschwulste an der Ausbreitung zu hindern. Dabei haben sie bereits erste Einblicke gewonnen. So scheinen Menschen mit SARIFA-positiven Tumoren vermehrt einen bestimmten Typ von Makrophagen zu bilden. Dieser ist nicht dazu in der Lage, Krebszellen effektiv zu beseitigen. Außerdem sind bei ihnen auch andere Immunmechanismen deutlich schwächer ausgeprägt. Märkl: „Ihre körpereigenen Abwehrtruppen scheinen mit dem Krebs einfach nicht gut genug fertig zu werden.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Augsburg. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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