Der Sommer neigt sich dem Ende – aber ein paar Sommerabende inklusive Stechmücken-Attacken stehen uns noch bevor. Neben juckenden Stichen bringen die Plagegeister auch schwere Krankheiten mit sich. Ja, auch in Deutschland.
Durch die klimatischen Veränderungen werden auch in unseren Breiten Krankheitsbilder heimisch, mit denen wir bisher nicht konfrontiert waren. Darunter auch das West Nil Fieber (WNF), wie das RKI im Epidemiologischen Bulletin, insbesondere in der Ausgabe zur Saison stechmückenübertragener Krankheitserreger warnt. Es ist davon auszugehen, dass das WNV erfolgreich in einheimischen Stechmücken in Deutschland überwintert und sich lokal vermehrt.
Das West-Nil-Virus (WNV) stammt ursprünglich aus Afrika, wo es erstmals 1937 in Uganda festgestellt wurde. In Europa trat es Anfang der 60er Jahre erstmals in Frankreich auf und breitete sich von dort aus in die süd-und südosteuropäischen Staaten aus. 2018 wurde das Virus erstmals auch in Deutschland nachgewiesen. Es wird durch die heimische Culex Steckmücke übertragen. Die günstigste Saison für diese Art sind der Spätsommer und Frühherbst, so dass auch in diesem Jahr noch mit Erkrankungen zu rechnen ist. Betroffen sind die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Die wichtigsten Wirte des Virus sind Vögel. Menschen und Pferde sind Fehlwirte – das heißt, dass sich Stechmücken an ihnen nicht infizieren können. Daher spielen beim WNV Infektionen von Reiserückkehrern für die Ausbreitung keine Rolle. Die Infektion verläuft überwiegend unbemerkt, kann aber bei 20 % der Betroffenen eine grippeähnliche Erkrankung mit abruptem Fieberanstieg auslösen, die 3–6 Tage andauert. Laut RKI findet sich bei etwa 50 % dieser Erkrankten ein blasses, makulopapulöses Exanthem, das sich vom Stamm zum Kopf und zu den Gliedmaßen ausbreitet.
Circa jede 100. infizierte Person erkrankt an einer neuroinvasiven Form, die zu einer meist gutartigen Meningitis, jedoch auch zu einer schwerwiegenden Enzephalitis führen kann. Die Betroffenen werden dann durch mentale Veränderungen, Muskelschwäche, schlaffe Lähmungen, Ataxie, extrapyramidale Symptome, Optikusneuritis und Veränderungen der anderen Hirnnerven, Polyradikulitis und epileptische Anfälle auffällig. Tritt eine Enzephalitis auf, sind Spätfolgen relativ häufig (etwa 50 %) und ca. 5–10 % der Patienten sterben. Bei unklar schwer neurologisch Erkrankten sollte deshalb differentialdiagnostisch an das WNF gedacht werden.
Im Jahr 2020 wurde ein Todesfall durch WNV in Deutschland berichtet. Im Jahr 2022 wurden 13 autochtone Fälle übermittelt. Da nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome zeigt, ist laut RKI davon auszugehen, dass es weitere nicht-diagnostizierte Infektionen gab. Von schweren Verläufen sind vor allem ältere Menschen und Patienten mit einer kardiovaskulären Vorerkrankung oder einer Immunsuppression betroffen.
Es steht keine spezifische Therapie gegen das WNV zur Verfügung, so dass der Prävention von Mückenstichen bei Risikogruppen eine besondere Bedeutung zukommt. Das RKI rät gerade Risikopersonen zu einem konsequenten Mückenschutz. Dazu gehört auch Steckmückenbrutplätze – wie etwa Regentonnen – zu vermeiden. Zudem ist WNV potenziell durch Bluttransfusionen übertragbar, so dass Spendewillige zwischen Juni und Dezember getestet werden müssen oder 4 Wochen nach dem Aufenthalt in einem Risikogebiet nicht spenden dürfen.
Ärzte sollten laut RKI vor allem im Sommer und Spätsommer bei Personen mit ätiologisch unklaren Enzephalitiden und bei örtlichen Häufungen von Erkrankungen mit Fieber und unklarem Hautausschlag eine Untersuchung auf das WNV veranlassen. Die Diagnostik ist jedoch aufwändig und sollte möglichst von Sepziallaboren übernommen werden, was gerade für die Diagnostik im ambulanten Sektor eine erhebliche Hürde darstellen dürfte – zumal sich in Ermangelung einer spezifischen Therapie und bei den zumeist leichten Verläufen die Frage nach der therapeutischen Konsequenz stellt. Denn die RNA lässt sich oft nur ca. 3 bis 7 Tage nach Symptombeginn im Blut und bei der neuroinvasiven Form auch im Liquor nachweisen. Danach ist der Nachweis von Antikörpern in Serum- bzw. Liquorproben empfohlen. Alternativ kann versucht werden, die Diagnose mittels einer Reverse Transkriptase PCR (RT-PCR) aus dem Urin zu sichern, da das Virus dort teilweise länger nachweisbar bleibt.
Die Verdachtsdiagnose kann weiterhin erhärtet werden, wenn es im Abstand von 2–4 Wochen zu einem Anstieg der Antikörper oder einer Serokonversion hin zu IgG-AK kommt. Dafür ist dann eine erneute Blutentnahme erforderlich. Komplizierend können andere Flavivirusinfektionen oder Impfungen (FSME, Gelbfieber, Dengue, Japanische Enzephalitis, Usutu u. a.) eine Kreuzreaktionen im ELISA hervorrufen. Die Bestätigung, dass es sich wirklich um eine Infektion mit West-Nil-Virus handelt, kann über einen spezifischen Plaque-Reduktions-Neutralisationstest (PRNT) erfolgen.
Wo diese sehr spezielle Diagnostik durchgeführt werden kann, muss in jedem Einzelfall geklärt werden. Die Berliner Ärztekammer schreibt dazu: „Ärzt:innen wenden sich zur Labordiagnostik am besten an ihr versorgendes fachärztliches Labor, in dem dann die Serologie entweder vor Ort oder nach Versendung in einem Speziallabor durchgeführt wird.“ Wird die Infektion nachgewiesen, besteht nach §7, Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Meldepflicht.
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