Nicht alle Patienten mit Nebennierenkarzinom benötigen nach einer Tumorentfernung die Standardtherapie Mitotane – so das Ergebnis einer neuen Studie. Treffen drei spezifische Faktoren zu, wird von einem Einsatz abgeraten.
Nachdem im Jahr 2007 die grundsätzliche Wirksamkeit von Mitotane beim Nebennierenkarzinom gezeigt werden konnten, hatte sich das Medikament weltweit als Standardtherapie zur Rückfallprophylaxe nach der chirurgischen Entfernung des Tumors etabliert. Mitotane hemmt die Zellteilung in der Nebennierenrinde und wirkt so dem Tumorwachstum entgegen. Bislang war es üblich, alle Patienten – unabhängig vom Tumorstadium – nach der Operation zusätzlich medikamentös zu behandeln.„Unsere Erkenntnisse von 2007 gelten immer noch, jedoch nur noch für Patientinnen und Patienten mit normalem oder hohem Rezidiv-Risiko“, erklärt Prof. Martin Fassnacht von der Uniklinik Würzburg. In einer neuen klinischen Studie haben er und sein Team herausgefunden, dass die Gabe von Mitotane nicht nötig ist, wenn die Patienten drei Faktoren erfüllen.
Die Studie ist die erste randomisierte Untersuchung weltweit zur adjuvanten Therapie beim Nebennierenkarzinom. Insgesamt wurden 91 internationale Patienten nach der operativen Entfernung ihres Karzinoms und niedrigem bis mittlerem Rezidivrisiko (R0-Resektion, Stadium I–III, Ki67 ≤ 10 %) nach dem Zufallsprinzip entweder zwei Jahre lang mit der oralen Einnahme von Mitotane behandelt oder lediglich mittels Bildgebung und Laborkontrollen überwacht.
Die 5-Jahres-Rückfallrate betrug 79 % in der Mitotane-Gruppe und 75 % in der Überwachungsgruppe. Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate unterschied sich statistisch nicht signifikant. Bei allen Studienteilnehmern, die Mitotane erhielten, traten jedoch unerwünschte Ereignisse auf. Acht Personen brachen die Behandlung ab. Eine Mitotane-Behandlung kann mit Übelkeit, Durchfall und Schwindel bis hin zu Sprechstörungen verbunden sein. Patienten, die sich nicht randomisieren lassen wollten, wurden in einer prospektiven Nachbeobachtungsstudie nachverfolgt. Dies waren 95 Personen, von denen 42 mit und 53 ohne Mitotane betreut wurden. In dieser Parallelstudie bestätigte sich das Ergebnis der randomisierten Studie.
„Die begleitende Therapie mit Mitotane ist bei Patientinnen und Patienten mit niedriggradigem, lokalisierten Nebennierenkarzinom – bei dem der Tumor noch nicht metastasiert hat und vollständig entfernt werden konnte – nicht indiziert, da ihre Prognosen relativ gut sind und eine Behandlung mit Mitotane keine statistisch signifikante Verbesserung der Rückfallrate zeigt, dafür jedoch mit Nebenwirkungen verbunden ist“, resümiert Martin Fassnacht.
„Unsere Studie ist ein erster Schritt in Richtung personalisierte Medizin bei dieser seltenen Erkrankung. Sie zeigt, dass es möglich ist, mit einem einfachen und weithin verfügbaren Prognoseschema auf der Grundlage von Tumorstadium, Resektionsstatus und Ki-67-Bewertung, eine Untergruppe von Patientinnen und Patienten zu identifizieren, deren Prognose viel besser ist als erwartet und bei denen eine aktive Überwachung das angemessenste Konzept ist“, so der Experte.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Würzburg. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquellen: Nuklearmedizin Uniklinikum Würzburg& Annie Spratt, unsplash.