Blackbox Gehirn – was auf Molekularer Ebene in Netzwerken des Gehirns passiert ist noch weitgehend unerforscht. Deutsche Wissenschaftler untersuchten jetzt die Rolle von zwei Proteinen bei Zwangsstörungen.
Das Verhalten wird über neuronale Schaltkreise im Gehirn gesteuert. Störungen auf molekularer Ebene können zu stereotypem Verhalten führen, etwa bei neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Zwangs- und Autismus-Spektrum-Störungen. Ein Forscherteam untersuchte nun die Rolle von zwei Proteinen, die im Zusammenhang mit zwanghaft repetitivem Verhalten stehen könnten.
Über ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Nervenzellen in unterschiedlichen Bereichen steuert und regelt das Gehirn alle wichtigen Funktionen, etwa das Atmen, oder dass wir auf Reize unserer Umwelt mit bestimmten Verhaltensmustern reagieren. Beim Steuern von zielgerichtetem Verhalten spielt der sogenannte cortico-striatale Schaltkreis eine wichtige Rolle, der im Großhirn Cortex und Striatum verbindet. „Wir wissen bereits, dass menschliche Verhaltensstörungen, bei denen ein bestimmtes Verhalten zwanghaft immer wieder ausgeführt wird, mit diesem Schaltkreis oder Netzwerk in Zusammenhang gebracht werden“, sagt Professorin Tanja Maritzen, die an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) in Kaiserslautern zu Nanophysiologie forscht. Doch bei vielem, was in diesem Hirnbereich auf molekularer Ebene passiert, tappt die Wissenschaft noch im Dunkeln.
In einer Studie, die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences erschien, hat die Arbeitsgruppe aus Kaiserslautern eng mit dem Team um Professor Volker Haucke vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin, der Charité Universitätsmedizin Berlin und der Freien Universität Berlin zusammengearbeitet. Die Forscher haben sich mit zwei Proteinen befasst, denen in diesem Schaltkreis eine wichtige Rolle zukommt. „Intersectin1 und Intersectin2 sind große Gerüstproteine, die viele Interaktionsstellen aufweisen“, sagt Professor Haucke. „Vorangegangene Forschungsarbeiten haben belegt, dass ihre Mutation im Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten korreliert.“
Um zu untersuchen, welche genaue Rolle ihnen zukommt, hat das Team bei Mäusen die Produktion dieser Proteine abgeschaltet. Dabei hat sich gezeigt, dass die Intersectine extrem wichtig für den Organismus sind, da ein Teil der Mäuse früh verstirbt. Bei einem anderen Teil kam es zu Auffälligkeiten in ihrem Verhalten: Sie haben sich auf den Hinterbeinen in die Ecke gestellt und sind viele Male hintereinander hoch- und heruntergesprungen. „Eine solche Symptomatik, dass ein bestimmtes, eigentlich sinnloses Verhalten zwanghaft wiederholt wird, ist auch bei neuropsychiatrischen Krankheiten bekannt“, sagt Maritzen. Dazu zählen beispielsweise Autismus-Spektrum-Störungen und Zwangsstörungen.
Im Blick hat das Team hier insbesondere den NMDA-Rezeptor. „Wir haben gesehen, dass das Fehlen der beiden Proteine dazu führt, dass es weniger dieser Rezeptoren an den Enden der Nervenzellen, den Synapsen, gibt“, erläutert Haucke. Dies ist aber entscheidend für die Weiterleitung von Signalen von einer Nervenzelle zur anderen. Dabei leiten Neurotransmitter die Erregung zwischen den Zellen weiter und docken dazu an Rezeptoren an. „Die Intersectine sind als Gerüstproteine wichtig, um diesen Rezeptor an der Synapse zu stabilisieren“, so Haucke.
Allein ursächlich für die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten ist der Ausfall der Proteine nicht. Es ist vielmehr ein Baustein in einem komplexen molekularen System. Die Studie bekräftigt die Vorstellung, dass Mutationen in Intersectinen zu neurologischen Symptomen führen können. Zudem zeigte sie, dass der NMDA-Rezeptor ein potenzieller Kandidat ist, um eine Wirkstoff-Therapie bei neuropsychiatrischen Erkrankungen zu entwickeln.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslauter-Landau. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Alina Grunyak, Unsplash