Patienten, die unter Long Covid leiden, setzen große Hoffnungen in eine Therapie durch Blutwäsche. Ein aktueller Cochrane Review zu diesem Verfahrens lässt jedoch zweifeln: Es gibt keinerlei verlässliche Studien.
Erschöpfung, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Husten, Muskelschwäche, Sprachstörungen – Long Covid hat viele Gesichter, ein eindeutiges Krankheitsbild lässt sich kaum abgrenzen. Auch über die Mechanismen der Entstehung der Langzeitfolgen einer akuten Covid-19-Infektion ist wissenschaftlich noch wenig bekannt. Das gilt auch für die Frage, warum manche Menschen Long Covid entwickeln, während die große Mehrheit der akut erkrankten die Infektion problemlos übersteht.
Dabei kann Long Covid für Betroffene extrem belastend sein– entsprechend groß ist die Nachfrage nach Therapieangeboten, die über die Behandlung einzelner Symptome hinausgehen. Eine zentrale Rolle nimmt in der Diskussion die Plasmapherese ein. Dafür wird Blut der Betroffenen in größeren Mengen entnommen und in seine Bestandteile aufgetrennt. Das Plasma wird dann entweder von bestimmten Teilen gereinigt und zusammen mit den Zellen wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Oder es wird komplett mit den darin gelösten Stoffen entsorgt und der zelluläre Anteil zusammen mit einer Ersatzflüssigkeit in den Körper zurückgegeben. Die Technologie ist aufwändig, aber seit Jahrzehnten etabliert.
Beim Einsatz solcher Verfahren gegen Long Covid steht oft die Entfernung von Mikro-Gerinnseln im Vordergrund. Diese sollen einer Hypothese zufolge ursächlich an der Entstehung von Long Covid beteiligt sein, indem sie den Blutfluss in den feinsten Gefäßen und damit die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff behindern. Ein aktueller Cochrane Review hat sich nun auf die Suche nach randomisierten kontrollierten Studien zur Wirksamkeit solcher Ansätze einer Blutwäsche zur Entfernung von Mikro-Gerinnsel gemacht – und nicht eine einzige gefunden. Auch aktuell laufende Studien, die diese Evidenzlücke bald schließen könnten, ließen sich nicht identifizieren.
Parallel suchten die Autoren auch nach Evidenz aus Laborstudien für den postulierten Zusammenhang zwischen den Partikeln im Blut und Covid. In fünf identifizierten Studien zeigte sich, dass der Begriff „Mikro-Gerinnsel“ medizinisch nicht passend ist. Die Autoren sprechen deshalb korrekter von „Amyloid-Fibrin(ogen)-Partikeln“. Außerdem ergeben die ausgewerteten Studien, dass solche Partikel sowohl bei Patienten mit Long Covid als auch bei Gesunden zu finden sind, sie sind also kein spezifisches Merkmal von Long Covid. Weil die meisten Studien ihre Ergebnisse nur sehr unvollständig berichten, lassen sich daraus kaum Rückschlüsse auf die Frage ziehen, ob das Blut von Patienten mit Long Covid eventuell mehr oder größere Partikel enthielt.
„Es gibt keinen Grund für eine Plasmapherese zur Entfernung von Amyloid-Fibrin(ogen)partikeln beim Post‐Covid‐19‐Syndrom und es fehlen Daten über die Sicherheit dieser Behandlung. Patienten sollten keine Plasmapherese außerhalb einer ordnungsgemäß durchgeführten placebokontrollierten randomisierten klinischen Studie erhalten“, resümieren die Cochrane Autoren.
In Deutschland wird im Zusammenhang mit Long Covid nach einer prominenten Berichterstattung im Fernsehen vor allem das ursprünglich zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen entwickelte Verfahren der H.E.L.P.-Apherese diskutiert – die Abkürzung steht für Heparin induzierte extrakorporale Lipoprotein/Fibrinogen-Präzipitation. Es gibt noch keinen spezifischen Cochrane Review zur H.E.L.P.-Apherese. Allerdings ist auch hier einem der vermuteten Wirkmechanismen zufolge die Entfernung des Gerinnungseiweißes Fibrinogen aus dem Blut ein wichtiges Ziel, um die vermeintlich gestörte Durchblutung des Körpers bei Long Covid zu verbessern.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Cochrane Deutschland. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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