Reanimationen sind oft zum Scheitern verurteilt. Manchmal wacht der Patient aber nach dem Beenden aller Maßnahmen spontan wieder auf – eine Auferstehung wie bei Lazarus. Wie kommts zu diesem Phänomen?
Als Lazarus-Phänomen wird das Wiedereinsetzen von Kreislauf- und Atmungsfunktion nach einer als gescheitert beendeten kardiopulmonalen Reanimation bezeichnet. Das Phänomen wurde nach Lazarus benannt, der in der Bibel durch Jesus vier Tage nach seinem Tod von den Toten erweckt wurde. Es wurde zum ersten Mal 1982 in der medizinischen Literatur erwähnt und der Begriff Lazarus-Phänomen wurde erstmals 1993 von Bray verwendet. Dieses Phänomen ist zwar extrem selten – es gibt aber Anzeichen dafür, dass solche Ereignisse trotzdem häufiger sein könnten, als die Berichte darüber vermuten lassen.
Ein Forschungsteam von der Universität Thessalien in Larisa hat aktuell Daten zu 76 „Lazarus-Fällen“ aus 66 Studien der vergangenen 40 Jahren zusammengetragen und ausgewertet. In 57,8 % (44 Fällen) waren von dem Phänomen Patienten mit Herzstillstand in einem stationären Setting betroffen. Bei 16 Patienten lag eine respiratorische Ursache vor und bei 14 Patienten handelte es sich um ein akutes Koronarsyndrom. Bei den verbleibenden Fällen wurde die Ursache nicht genau bezeichnet.
Der häufigste initiale Rhythmusbefunde war die Asystolie (29 %) gefolgt von einer pulslosen elektrischen Aktivität (28 %) und Kammerflimmern (22 %). Die Reanimationsmaßnahmen dauerten im Median 30 Minuten. An ihrem Ende zeigte das Elektrokardiogramm am häufigsten eine Asystolie (57 %) oder eine pulslose elektrische Aktivität (24 %). Schockbare Rhythmen lagen bei Reanimationsabbruch bei 7 % der Patienten vor. Im Median dauerte es fünf Minuten vom Ende der Reanimation bis zum spontanen Wiedereinsetzen der Zirkulation. Bei den Patienten bei den Daten zum Herzrhythmus nach spontaner Rückkehr der Zirkulation vorhanden waren, handelte es sich überwiegend um einen für die Perfusion ausreichenden supraventrikulären Rhythmus.
Prognostisch war der Outcome der Patienten ungünstig. 52 Patienten (68 %) starben Stunden oder Tage, seltener Wochen oder Monate nach dem Lazarus-Ereignis. 24 Patienten (32 %) überlebten, aber nur elf davon (14 %) zeigten nach dem Ereignis kein neurologisches Defizit. Prädiktoren dafür gab es nicht. Allerdings erwies sich ein höheres Alter der Patienten als Nachteil. Bei Patienten mit respiratorischen Komorbiditäten wurde insgesamt eine höhere Sterblichkeitsrate festgestellt.
Die Pathophysiologie des spontanen Wiedereinsetzens der Zirkulation konnte nicht geklärt werden. Eine Hypothese ist, dass eine unbeabsichtigte Hyperinflation der Lunge während der Reanimation den intrathorakalen Druck so stark erhöhen kann, dass der venöse Rückfluss und der kardiale Auswurf zurückgehen. Nach Beendigung der Reanimation könnte die Luft entweichen und der Blutfluss könnte wieder freigegeben werden. Eine andere Annahme ist, dass ein eingeschwemmter, koronarer, zunächst obstruierender Embolus, der anschließend die Reperfusion wieder erlauben könnte. Diskutiert wurden zudem die verzögerte Wirkung der verabreichten Medikamente, eine Hyperventilations-induzierte Alkalose mit koronarer Vasokonstriktion und die (verzögerte) Korrektur einer Hyperkaliämie durch Bikarbonatinfusionen.
Auch wenn die tatsächliche Inzidenz von dem Lazarus-Phänomen unbekannt ist, wird in einer Studie von Gordon et al. aus dem Jahr 2020 postuliert, dass das Phänomen häufiger sei als die wenigen gemeldeten Fälle. Umfragen hätten gezeigt, dass 37–50 % der Intensivärzte oder Notärzte bereits damit im klinischen Alltag in Berührung gekommen seien. „Wir vermuten aufgrund unserer Analysen, dass das Lazarus-Syndrom viel häufiger auftritt als es in der Literatur aufscheint“, schlussfolgert Les Gordon, Hauptautor der Studie und britischer Notfallmediziner.
Auch Dr. David Gerard vom Henri Mondor Hôpital in Paris und seine Kollegen sind der Frage nachgegangen und haben deshalb in Frankreich eine Befragung von Notärzten vorgenommen. Die Daten wurden bereits im Jahr 2013 publiziert. Ihren Fragebogen hatten Gerard und seine Kollegen 103 Notärzten geschickt, die alle den Bogen ausgefüllt zurückgeschickt haben. 69 % gaben an zu wissen, dass es die plötzliche Rückkehr einer spontanen Kreislauffunktion nach Beendigung von Reanimationsmaßnahmen tatsächlich gibt. Aber fast keinem war der Begriff Lazarus-Phänomen bekannt, so die Studienautoren.
Aus der Befragung ging außerdem hervor, dass 54 % der Ärzte das Phänomen selbst wenigstens einmal schon erlebt hatten und ein Drittel hatte von Kollegen davon erfahren. 88 % der Befragten die Patienten betreuten, bei denen ein Lazarus-Phänomen aufgetreten war, gaben an, dass sie das Ereignis überrascht hatte und 71 % gaben an, dass es ihnen sogar peinlich war. Mehr als jeder Dritte (37 %) machte sich zudem über mögliche Rechtsansprüche Gedanken. Diese Daten liefern Erklärungen, warum es mehr Fälle mit einem Lazarus-Phänomen gegeben haben könnte als gemeldet wurden. Zum einen könnte die Ursache darin liegen, dass der Begriff „Lazarus-Phänomen“ unbekannt ist und zum anderen darin, dass im Falle einer Meldung die Sorge vor rechtlichen Konsequenzen bestehen könnte.
Die Autoren der aktuellen Studie empfehlen, nach dem Abbruch von Wiederbelebungsmaßnahmen, die Patienten noch mindestens 30 Minuten lang mittels Monitors zu überwachen. Laut der Studiendaten lag der Median des Zeitraums bis zum Wiederbeginn der Zirkulation bei fünf Minuten. Allerdings betrug die längste berichtete Spanne vier Stunden. Auch wenn die Inzidenz des Lazarus-Phänomens weiterhin unbekannt ist, sollte sich medizinisches Fachpersonal des Phänomens bewusst sein.
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Bildquelle: Jan Paweł Bochen, unsplash