Übergewicht kann die Fähigkeit zum assoziativen Lernen herabsetzen. Forscher zeigten nun, dass ein Abnehm-Medikament diese Veränderungen rückgängig machen und das Gehirn wieder in den Normalzustand versetzen kann.
Um unser Verhalten steuern zu können, muss das Gehirn in der Lage sein, Assoziationen zu bilden. Dabei wird beispielsweise ein neutraler äußerer Reiz mit einer Konsequenz verknüpft, die auf diesen Reiz folgt. Dadurch lernt das Gehirn, welche Konsequenzen unser Umgang hat. Das assoziative Lernen ist die Grundlage für die Bildung neuronaler Verknüpfungen und verleiht Reizen eine motivierende Kraft. Es wird wesentlich von einer Hirnregion gesteuert, dem dopaminergen Mittelhirn. Diese Region hat viele Rezeptoren für körpereigene Hormone wie z. B. Insulin und kann damit unser Verhalten an die physiologischen Bedürfnisse unseres Körpers anpassen.
Doch was passiert, wenn die Insulinsensitivität im Körper durch Übergewicht verringert ist? Verändert sich dadurch unsere Gehirnaktivität, unsere Fähigkeit, Verknüpfungen zu erlernen, und somit unser Verhalten zu steuern? Forscher des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung haben nun bei Probanden mit normalem Körpergewicht (hohe Insulinsensitivität) und Probanden mit Adipositas (verminderte Insulinsensitivität) gemessen, wie gut das Lernen von Assoziationen funktioniert und welchen Einfluss das Abnehm-Medikament Liraglutid darauf hat.
Dazu spritzten sie den Probanden abends entweder das Medikament Liraglutid oder ein Placebo. Liraglutid aktiviert im Körper den GLP-1-Rezeptor, sodass die Insulinproduktion im Körper anregt und nach dem Essen ein der Nahrungsaufnahme entsprechendes Sättigungsgefühl erzeugt wird. Es wird häufig zur Behandlung von Übergewicht eingesetzt und im Rahmen der Therapie einmal täglich verabreicht.
Am nächsten Morgen bekamen die Probanden eine Lernaufgabe, mit der die Forscher messen konnten, wie gut das assoziative Lernen funktioniert. Dabei stellten sie fest, dass die Fähigkeit, sensorische Reize miteinander zu verknüpfen, bei den Probanden mit Adipositas geringer ausgeprägt waren als bei Normalgewichtigen – und dass die Hirnaktivität in den Hirnbereichen vermindert ist, die dieses Verhalten beeinflussen.
Bereits nach einmaliger Gabe von Liraglutid zeigten die Probanden mit Adipositas diese Beeinträchtigungen nicht mehr, so dass kein Unterschied in der Gehirnaktivität zwischen den Normalgewichtigen und den Probanden mit Adipositas mehr gesehen werden konnte. Das Medikament versetzte das Gehirn also wieder in den Zustand normalgewichtiger Probanden.
„Diese Ergebnisse sind von grundlegender Bedeutung. Wir zeigen hier, dass grundlegende Verhaltensweisen wie das assoziative Lernen nicht nur von äußeren Umweltbedingungen abhängen, sondern auch vom Stoffwechselzustand des Körpers. Ob jemand Übergewicht hat oder nicht, bestimmt also auch, wie das Gehirn lernt und welcher Antrieb dabei entsteht. Die Zustandsnormalisierung, die wir durch das Medikament bei Probanden mit Adipositas erreichen, passt also zu den Ergebnissen von Studien, dass durch diese Medikamente wieder ein normales Sättigungsgefühl vermittelt wird und die Menschen infolge weniger essen und damit abnehmen“, sagt Studienleiter Marc Tittgemeyer.
„Während es erfreulich ist, dass die verfügbaren Medikamente einen positiven Einfluss auf die Hirnaktivität bei Adipositas haben, ist es aber erschreckend, dass es schon bei jungen Menschen mit Adipositas ohne sonstige Erkrankungen zu Leistungsveränderungen des Gehirns kommt. Die Prävention von Adipositas sollte in Zukunft eine viel größere Rolle in unserem Gesundheitssystem spielen. Die lebenslange Einnahme von Medikamenten ist die deutlich schlechtere Option, wenn wir durch Prävention Übergewicht und Folgeerkrankungen vermeiden könnten“, sagt Erstautorin Ruth Hanßen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung. Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: Diana Polekhina, unsplash