Ob Jan Ullrich oder Dieter Baumann – die Liste der berühmten Dopingfälle ist lang. Aber nicht nur die Profis dopen. Auch Hobbysportler greifen immer öfter zur Spritze. Warum eigentlich?
Bei den medial im Umfeld großer internationaler Sportveranstaltungen sehr präsenten Diskussionen um (Staats-)Doping, um NADAs und WADA, um sauberen Sport und die Sensitivität von Nachweismethoden, bleibt oft eines unerwähnt: die Auswirkungen auf den Breiten- und Freizeitsport. Wie genau ist Doping hier definiert, wer dopt, mit welcher Motivation und womit?
Jan Ullrich, Ben Johnson, Lance Armstrong, Dieter Baumann – ob gewollt oder unbewusst, staatlich verordnet oder naiv, etliche Namen sind durch die Medienpräsenz wohl auf immer mit dem Thema Doping verknüpft. Dabei steht der ständige Wettkampf zwischen immer okkulteren Dopingmethoden und der Steigerung der Nachweisempfindlichkeit ebenso im Fokus, wie die Spekulationen um flächendeckendes Betrügen in Ländern ohne organisierte Fahndung. Bei alledem wird dem im Sinne der Bevölkerungsgesundheit wohl wichtigsten Faktor viel zu wenig Platz eingeräumt: dem Einsickern des Medikamenten- und Methodenabusus vom Spitzen- in den Breiten- und nicht kompetitiven Freizeitsport.
Das Wunder von Bern hat ein Geschmäckle. Bis heute schwebt die Vermutung eines systematischen Aufputschens der weltmeisterlichen Kicker um Fritz Walter mit dem Amphetamin Pervitin – Vorgänger des kristallinen Methamphetamin Crystal Meth – durch den Fußballäther. Ob wahr oder falsch, die Einnahme leistungssteigernder Substanzen hat wohl eine bis zu den Olympioniken der Antike zurückreichende Historie. „Wo kein Kläger, da kein Richter“ und wo Regeln fehlen, lässt sich nicht klagen.
Tatsächlich dauerte es bis in die späten 1960er Jahre, bis nach mehreren Todesfällen Amphetamin-konsumierender Radsportler einzelne Sportverbände Anti-Doping-Regeln formulierten. Deren Wirksamkeit war mangels eines rechtlich abgesicherten Kontrollsystems bescheiden. Bis zu einer international einheitlichen Doping-Definition sollten weitere fast 40 Jahre vergehen. Erst im Januar 2004 legte die 1999 gegründete Welt-Antidoping-Agentur (WADA) ein einheitliches Antidoping-Regelwerk vor, das in seiner aktualisierten Form, dem World-Anti-Doping-Code 2015, international gültig ist. Im Kern des 10 Punkte umfassenden Regelwerks steht die Definition von Doping als „Gebrauch oder Versuch des Gebrauchs einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode durch einen Athleten“. Die Liste verbotener Substanzen wird ständig aktualisiert, erweitert und mit dem Fortschritt der Nachweismethoden abgeglichen.
In der öffentlichen Wahrnehmung sowie in der Entwicklung und Anwendung eines Kontrollsystems konzentriert sich die Dopingproblematik noch immer auch den professionellen Sport, auf Olympische Spiele, (inter-)nationale Turniere und Meisterschaften. Im Amateurbereich läuft das Thema noch immer unter dem Radar. Dabei ist es längst ein offenes Geheimnis, dass auch hier auf nahezu allen Leistungsebenen und durch unterschiedlichste Ziele motiviert, zur chemisch-pharmazeutischen Krücke gegriffen wird.
Nach Angaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes werden seit 1987 in Europa Studien zum Missbrauch von leistungssteigernden Mitteln im Breiten- uns Freizeitsport durchgeführt, wobei es sich fast ausschließlich um Befragungsstudien unterschiedlicher Kohorten (Gesamtbevölkerung, bestimmte Alterskohorten, Fitnessstudiokunden, Wettkampfteilnehmer, Bodybuilder) handelt. Das Bekenntnis zur Pharmakaeinnahme hängt somit vom Goodwill jener ab, die freiwillig an solchen Befragungen teilnehmen und sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Der Erhalt einer empirischen Evidenz ist auf dieser Basis schier unmöglich, zumal rechtliche Grundlagen für die Verfolgung von hobbysportlichen Dopingverstößen fehlen.
Bei reinen Breitensportwettkämpfen gibt es keine Dopingkontrollen. Auf Großveranstaltungen, die professionelle Spitzenathleten und leistungsschwächere Amateure zusammenführen – Klassiker sind die großen Städtemarathons – finden zwar Dopingkontrollen statt, aber auch hier werden fast ausschließlich Spitzenathleten zur Urin-/Blutprobe gebeten. Jener vorwiegend in Fitnessstudios und privaten Pumpergaragen stattfindende Freizeitsport, der auf die Bildung eines „instagramable“, dem Schönheitsideal entsprechenden Körpers fokussiert ist, verzichtet komplett auf Wettkämpfe und Dopingkontrollen. Da Breiten- und Freizeitsportler keiner Anti-Doping-Agentur angeschlossen sind und private Ausrichter allenfalls Startverbote für zukünftige Veranstaltungen aussprechen können, haben Hobby-Doper keine gravierenden Sanktionen zu fürchten.
Unter Berücksichtigung der methodischen Bias bei der Prävalenzermittlung deuten die insgesamt eher spärlichen Studien der letzten drei Jahrzehnte nachdrücklich darauf hin, dass Doping im Breiten- und Freizeitsport mit all seinen gesundheitlichen Folgen ein massives Problem darstellt. So gestanden bereits vor 25 Jahren bei einer Befragungsstudie in norddeutschen Fitnessstudios 24 % der auskunftsbereiten Männer und 8 % der Frauen ein, anabol wirkende Medikamente einzunehmen. Nach Angabe der Studienautoren handelte es sich in 94 % der Fälle um potenziell hoch lebertoxische Substanzen, die hauptsächlich auf dem Schwarzmarkt besorgt, aber zu 14 % auch von Ärzten verschrieben worden seien. Spätere Befragungen deuten sogar auf doppelt so hohe Verschreibungszahlen. Dabei war und ist es Ärzten – abgesehen von ihrem Berufsethos – gesetzlich untersagt, Medikamente zu Dopingzwecken im Sport zu verschreiben (bis 2015 § 6a Arzneimittelgesetz, seit 2015 § 2 Antidopinggesetz).
Neuere Befragungsstudien zur Doping-Prävalenz liefern vergleichbare Daten. Somit gehen auch aktuelle Schätzungen davon aus, dass 10–20 % der Besucher von Fitnessstudios über Erfahrung mit dem Konsum leistungssteigernder Substanzen verfügen. Zu deren Beschaffung sagte Prof. Ralf Brand, Sportwissenschaftler und Leiter der Sport- und Bewegungspsychologie an der Universität Potsdam, 2019 in einem Interview: „Uns wurde auch berichtet, dass man einfach im Fitnessstudio um die Ecke eine Person dazu ansprechen kann. Da wird zwar nicht im großen Stil gedealt, aber es ist dennoch relativ leicht, an solche Substanzen zu kommen.“
Aktuelle Eigenerecherchen verbieten es jedoch, kommerzielle Fitnessstudios unter Generalverdacht zu stellen. Nies et al. haben bereits 2014 in einer Stellungnahme der Sektion Breiten-, Freizeit und Alterssport der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) zum Thema „Doping und Medikamentenmissbrauch im Breiten- und Freizeitsport“ klargestellt, dass es eine „deutliche Variabilität in der Missbrauchshäufigkeit zwischen den einzelnen Fitnessstudios“ gibt, die sich durch eine „unterschiedliche Zielrichtung des Trainings erklärt“.
Zwischen der Trainingsfokussierung auf Muskelmassenzuwachs und der Missbrauchsrate gäbe es eine deutliche Assoziation. Dies spiegele sich in der erheblich höheren Häufigkeit des Medikamentenmissbrauchs in der Subgruppe der Bodybuilder wider. Die Studienautoren sprechen hier von Raten zwischen 20–62 %.
Heute ist die Segregation in seriöse und zwielichtige Fitnesseinrichtungen vermutlich noch weiter fortgeschritten, sodass der freizeitsportliche Medikamentenabusus nicht den Generalverdacht begründen darf, die meisten Fitnessstudios seien in die Versorgung interessierter Kunden mit entsprechenden Substanzen involviert. Das betont auch Bernd Arntowsky von Active Well in Falkensee: „Die einschlägige Pumperszene trainiert heut in bestimmten Billiganbieter-Ketten oder in privat betriebenen Lokalitäten. Wir und andere seriöse Anbieter arbeiten eng mit Ärzten zusammen. Kunden, die nur auf Masse trainieren, kommen gar nicht zu uns.“ Dass Eiweißshakes, Powerriegel und Elektrolytgetränke ein einträgliches Zusatzgeschäft sind, daraus macht Arntowsky keinen Hehl. Aber „jegliche Anabolika, Hormone oder andere Substanzen sind bei uns absolut tabu“. Doch selbst beim Gedanken an die dubiosen Muckibuden wird man mit der ernüchternden Erkenntnis konfrontiert, dass es auch dort um Freizeitsport geht, für den die Einnahme der leistungssteigernden Substanzen lediglich als nicht justiziabler Medikamenten-Abusus gilt.
Abseits dieser auf Muskelmasse fixierten Klientel, hat der über die sozialen Netzwerke akzelerierte Selbstoptimierungswahn zu einer eigenartigen Widersinnigkeit geführt. Junge Männer, die im Strudel des muskeldysmorphen Adoniskomplex ein stringent selektives, auf hohen Eiweiß- und niedrigen Fett-/Kohlenhydratgehalt fixiertes Essverhalten und einen von Muskelaufbau mit Körperfettreduktion dominierten Tagesablauf zeigen, offenbaren gegenüber dem Pharmakakonsum eine erschreckende Naivität.
So werden etwa schon nach kurzzeitiger Einnahme anaboler Steroide auftretende physische Nebenwirkungen wie Hyperhidrosis, Fingertremor und (Steroid-)Akne nicht als Alarmsignale gedeutet, mitunter nicht einmal mit dem Anabolikakonsum in Verbindung gebracht. Gleiches gilt für psychische Beeinträchtigungen wie Aggressivität, Ängste, Depression und Schlafstörungen. Langzeitfolgen wie Hypogonadismus, Impotenz, Leber-/Nierenschäden und kardiovaskuläre Erkrankungen wären leicht zu recherchieren, werden aber im wahnhaften Streben nach dem im Eigenempfinden Vitalität und Attraktivität ausstrahlenden Adonisphänotyp komplett ausgeblendet. Das steht im krassen Gegensatz zum sonstigen, auf Meidung jedweder Störfaktoren ausgerichteten Ernährungs- und Trainingsverhalten.
Der Erwerb bzw. Konsum eines Produktes weckt neue Begehrlichkeiten, um dem angestrebten (aber nie erreichten) Idealbild von sich selbst immer näher zu kommen. Dieser sogenannte Diderot-Effekt scheint auch auf den Substanzabusus in der körperbildenden Szene zuzutreffen. Am Beginn stehen oft klassische androgene Steroide wie die synthetischen Testosteron-Derivate Nandrolon oder Stanozolol. Der schnelle Gewinn an Muskelmasse motiviert zum Einsatz von Wachstumshormonen (Human Growth Hormon/Somatotropin), Sympathomimetika (Glenbuterol), Stimulanzien (Amphetamine, Ephedrin), Diuretika (zur Muskeldefinition), mitunter auch Betablockern zur Dämpfung der steroidbedingten Unruhe. Feminisierungseffekten versuchen Anabolikakonsumenten auch mit Aromatase-Inhibitoren oder Östrogenrezeptor-Antagonisten (Tamoxifen) zu begegnen. Selbstredend betrifft das längst nicht jeden kleinen User, doch ist die Gefahr, in eine regelrechte Polymedikationsspirale abzugleiten, nicht zu unterschätzen.
Bis Ende 2003 war der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland untersagt. Der Europäische Gerichtshof kippte dieses Verbot mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz. Seit 2004 ist der Versandhandel sowohl mit rezeptfreien als auch mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln innerhalb definierter EU-Staaten grundsätzlich erlaubt. Offenbar hat das aber auch den illegalen Import von nicht zugelassenen, zu Dopingzwecken eingesetzten Mitteln aus dem nicht-europäischen Ausland – insbesondere Asien – massiv forciert. Da Schwarzmarktprodukte oft Fälschungen und zudem stark verunreinigt sind, potenzieren sich die gesundheitlichen Risiken.
2019 wurden im Rahmen der bislang größten, von Europol organisierten Anti-Doping-Razzia („Operation Viribus“) in 33 Ländern über 3,8 Millionen Präparate (darunter 24 Tonnen Steroidpulver und jede Menge gefälschte Medikamente) beschlagnahmt, 17 organisierte Banden entlarvt und über 230 in illegalen Laboren tätige Personen festgenommen. Die Nachverfolgung der Handlungswege identifizierte laut Europol-Pressemitteilung als Endkunden vor allem „fanatische Fitnessstudiokunden und Bodybuilder“. Wie unkompliziert es mittlerweile ist, Anabolika über das Internet zu erwerben, hat Brand im oben erwähnten Interview formuliert: „Wenn Sie eine Suchanfrage nach ‚Anabolika kaufen‘ starten, werden auf der Stelle 40 oder 50 Händler angezeigt. Das schaffen 12-Jährige.“
In nahezu allen verfügbaren Studien zum Doping im körperformenden Bereich, zeichnet sich eine klare männliche Dominanz beim missbräulichen Pharmakakonsum ab. Allerding hat der Bundesverband deutscher Kardiologen 2018 mit Verweis auf die hohen Risiken für die Herzgesundheit auf einen deutlichen Anstieg des Anteils weiblicher User hingewiesen. Basierend auf einem Studienvergleich stände einer 1%igen Zuwachsrate bei männlichen Konsumenten eine 6%ige bei Frauen gegenüber.
Dass nicht nur auf Dopinglisten stehende Arzneimittel ein Problemfeld im Umfeld gesteigerter körperlicher Aktivität darstellen, beweist die Entwicklung im Laufbereich. Mit dem Einzug von Marathon, Lang-Triathlon und noch weit extremeren Ausdauerbelastungen in den Breitensportbereich haben sich auch hier riskante Begleiterscheinungen etabliert. Am besten beleuchtet ist der Einsatz klassischer OTC-Schmerzmittel, um trotz Muskel-, Sehnen- und Gelenkbeschwerden die hohen Trainings-/Wettkampfumfänge zu bewältigen. Obwohl längst widerlegt, ist der „No Pain, No Gain“-Ansatz, der Schmerzen als unabdingbare Voraussetzung für Leistungszuwachs glorifiziert, in ehrgeizgetriebenen Freizeitsportlersphären noch sehr präsent. Wer ein Verlangen nach schmerzlindernden Mitteln verspürt, sollte seinen Trainingsplan überdenken.
Über das Ausmaß des sportlichen Schmerzmittelabusus hat bereits die Arbeitsgruppe von Prof. Kay Brune vom Institut für Experimentelle und klinische Pharmakologie der FAU Erlangen auf Basis einer Befragungsstudie beim Bonn-Marathon 2009 aufmerksam gemacht. Von über tausend per Fragebogen interviewten Teilnehmern, die das Laufen breitensportlich betreiben, räumte gut ein Drittel ein, regelmäßig nach langen Ausdauereinheiten zur Bekämpfung von Schmerzen am Bewegungsapparat Schmerzmittel einzunehmen. Über 60 % der Befragten gestanden ein, sich bereits vor dem Startschuss analgetisch präpariert zu haben, um der nachfolgenden Belastung gewachsen zu sein – auch hier deutlich mehr Männer als Frauen.
Über Langzeitfolgen dieser naiven Bagatellisierung („Medizin kann doch nicht schädlich sein“) schienen sich nur wenige ernsthafte Gedanken zu machen. Nur 5 % der Konsumenten gaben an, sich beim Arzt oder Apotheker über Risiken der Schmerzmitteleinnahme vor und während eines Langstreckenlaufs informiert zu haben. Auf dem Jahreskongress der Deutschen Schmerzgesellschaft 2019 hat Geschäftsführer Thomas Isenberg die aktuelle Datenlage zum Schmerzmittelabusus zusammengefasst: „Aus Untersuchungen bei Marathonläufern wissen wir, dass die Hälfte vor dem Lauf Diclofenac, Ibuprofen oder Azetylsalizylsäure einnehmen, was gravierende Folgen haben kann. Neben der drohenden Überlastung von Gelenken und Sehnen schädigen die Substanzen die Blutgefäße, was zu Darmblutungen und Nierenversagen führen kann. Unser Appell an Sportler: Hände weg von dieser Form des Medikamentenmissbrauchs!“
Die für den Laufbereich aufgedeckten Zustände sind auf andere Sportarten mit hoher Gelenkbelastung – besonders Fußball und Tennis – übertragbar. Vielfach wird gar kein Hehl daraus gemacht. Für den Fußball liegen zudem Studiendaten vor. Und wer sich unter den zahlreichen racketschwingenden Ü70-Routiniers im heimischen Tennisclub umhört, erfährt leicht, wie normal „meine zwei Voltaren®“ vor jedem Match für viele sind. Aber was soll man raten? Wer 60 Jahre lang freudvoll dem Ball nachgejagt ist, lässt sich schwerlich dazu motivieren, auf gelenkschonendes Schwimmen, Radeln oder Walken umzuschwenken. Und Sportverzicht ist angesichts der kardiovaskulären und muskulären Negativfolgen die schlechtere Lösung.
Daher geht es wohl eher um die Aufklärung, dass freier Verkauf nicht mit sorglosem Konsum gleichzusetzen ist. Ob Lauf- oder Ballsport – die zum Teil regelmäßig zugeführten Dosen müssen erschrecken. Ob Ibuprofen, Diclofenac oder Paracetamol – je nach eigener Philosophie und Bekömmlichkeit – die im Beipackzettel angegebenen Maximaldosen werden da mitunter leichtfertig eingeworfen und das nicht als einmaliges Ereignis. Dass solchen Quantitäten ausschließlich unter ärztlicher Kontrolle als Kurzzeitmedikation bei starken krankheitsbedingten Schmerzzuständen gedacht sind, scheint nicht weiter zu beunruhigen, wenn Medaille oder Matchball locken.
Der Verlust der Mitte mit Hang zum Extremen hat mittlerweile in allen Bereichen des Sports die Bereitschaft zum unsauberen, selbstschädigenden Verhalten erhöht. Vom ursprünglichen „disportare“, dem rekreierenden „Sich-Zerstreuen“ durch gesundheitsfördernde körperliche Aktivität, droht immer mehr verlorenzugehen. Dass überdimensionierte Muskelberge, 10-fach-Ultratriathlons und andere Auswüchse nur mit gesundheitsschädigendem Nachhelfen erreichbar sind, muss stärker ins Bewusstsein von Nachahmern eindringen.
Seitens der Ärzte braucht es noch höhere Sensibilität für Verdachtsfälle und eindringliche Gefahrenaufklärung. Trainern, Betreuern und Aktiven selbst muss wieder nahegebracht werden, dass realistische sportliche Ziele, ein behutsamer Belastungsaufbau mit vernünftig dosierten Trainingsreizen und ausreichenden Regenerationsmaßnahmen der Schlüssel zum langfristig gesunden sportlichen Erfolg sind – gleichgültig, wie die persönlichen Ziele aussehen. Wer die chemische Abkürzung sucht, landet in einer Sackgasse ohne Wendemöglichkeit, da viele Schäden irreversibel sind. Kein Wettkampferfolg kann ein späteres (oder gar verkürztes) Leben mit geschundenen Knochen oder an der Dialyse aufwiegen. Und rein sportlich dürfte die Freude über eine ehrliche Leistung und Platz 20 allemal wertvoller sein als die chemiebefleckte Medaille um den Hals.
Wie erwähnt, schließt die offizielle Doping-Definition auch unzulässige Methoden wie die Manipulation von Blut/Blutbestandteilen (z. B. Eigenblutdoping, Transfusion, Plasmaspende) ein. Über die Anwendung im Amateurbereich liegen dazu bislang keine Daten oder belastbaren Schätzungen vor.
Bildquelle: Congi Yuan, unsplash