Zahlreiche Pharmakonzerne suchen nach dem Heiligen Gral der Demenztherapie – einer Pille gegen das Vergessen. Aber es müssen nicht immer Medikamente sein, auch eine Bewegungstherapie kann Alzheimerpatienten helfen.
Demenzielle Erkrankungen entwickeln sich weltweit zu einer der größten Herausforderung für die Gesundheits- und Sozialfürsorge und lassen sich derzeit weder eindämmen noch heilsam behandeln. Da es trotz zahlreicher Bemühungen auf Seiten der Forschungseliten und Pharmakonzerne noch keine wirksame Antidemenzpille gibt, stellt sich die Frage nach Alternativen zur Prävention und Therapie des fortschreitenden Vergessens. Studien über Bewegungstherapie bei Alzheimer machen jetzt Mut.
Da Morbus Alzheimer mit großem Abstand die häufigste Demenzform stellt, spielt sie auch in Studien über mögliche Effekte einer systematischen Bewegungstherapie eine entscheidende Rolle. So wird heute in immer mehr aktuellen Übersichtsarbeiten über die Bedeutung von körperlichem Training in Form von Aerobic und/oder Krafttraining bei Älteren mit hohem Demenzrisiko oder -vorstufen diskutiert. Obgleich wir alle wissen, dass regelmäßiges Sporttreiben in Kombination mit einer gesunden Ernährung ein langes krankheitsfreies Leben unterstützen kann, bleibt die spannende Frage nach den konkreten Effekten einer Bewegungstherapie bei begonnener Demenz auf neurokognitiver Ebene.
In ihrer Übersichtsarbeit aus 2020 betrachten Erstautor De la Rosa und seine Arbeitsgruppe vor allem die wichtigsten Schutzmechanismen für das Gehirn, die durch regelmäßiges körperliches Training moduliert werden können. In analysierten Studien spielte dabei die Modulation des Umsatzes von Beta-Amyloid, von Entzündungsprozessen, sowie der Synthese und Freisetzung von Neurotrophinen eine zentrale Rolle.
Sport konnte folglich genau jenen pathologischen Prozessen entgegenwirken, die nach heutigem Wissensstand auf kausaler Ebene mit der Entstehung von Morbus Alzheimer zusammenhängen. Abschließend geht die Forschungsgruppe sogar davon aus, dass die gezielte Änderung des Lebensstils in prädemenziellen Krankheitsstadien rund ein Drittel aller weltweiten Fälle verzögern oder sogar verhindern könnte. Multimodale Interventionen werden daher insbesondere für ältere Bevölkerungsgruppen ausdrücklich empfohlen.
Befasst man sich zudem mit den Ergebnissen einer systematischen Übersicht und Metaanalyse von Iso-Markku et al. aus 2022, werden obige Schlussfolgerungen noch einmal mit harten Daten unterfüttert. Das Autorenteam konzentrierte sich in ihrer Arbeit auf prospektive klinische Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von mindestens einem Jahr über die Effekte körperlichen Trainings auf die Inzidenz von Demenzerkrankungen.
Über verschiedene Studien hinweg zeigte sich ein eindeutiges Ergebnis: Auch hier ging regelmäßiges körperliches Training mit einer statistisch bedeutsamen Reduktion der Inzidenzen von demenziellen Erkrankungen – einschließlich Morbus Alzheimer – einher und erwies sich als modifizierbarer schützender Lifestylefaktor.
Allerdings scheint auch die Bewegungstherapie nicht das Allheilmittel zu sein. So führte in einer älteren randomisierten klinischen Studie von Lamb et al. aus 2018 mit knapp 500 Patienten mit vorbekannter Demenz weder Aerobic noch regelmäßiges Krafttraining 12 Monate nach der Intervention im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zu einer messbaren Verlangsamung des kognitiven Verfalls. Die sportliche Ertüchtigung verbesserte zwar den physischen Gesundheitszustand, zeigte aber keinen merklichen Einfluss auf demenzbezogene Studienendpunkte.
Ist Sport nun gut gegen Demenz oder kann man es im Zweifelsfall auch lassen? Vermutlich befindet sich dieser Zweig der Demenzforschung noch in einem Anfangsstadium – und wahrscheinlich sind die Effekte auch zu hohem Maße fallabhängig. Bis wir eine sichere und wirksame Alternative ohne lange Listen von Kontraindikation zur pharmakologischen Therapie von Morbus Alzheimer zur Verfügung haben, stellt die systematische und regelmäßige Bewegungstherapie auf jeden Fall einen beeinflussbaren Ansatzpunkt dar, um dem geistigen Verfall zumindest in Teilen entgegenzuwirken.
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