Seien wir ehrlich, Kommunikation ist keine ärztliche Stärke. Noch schwerer wird’s, wenn man sich in einer Fremdsprache unterhält. Deswegen gibt’s die medizinische Fachsprachprüfung – wie läuft sie ab?
Die medizinische Fachsprachprüfung (FSP) ist eine Sprachprüfung für Ärzte aus dem Ausland, die in Deutschland ihre Approbation erhalten und auch hier arbeiten möchten. Im vergangenen Jahr betraf das 2.683 Ärzte. Aktuell sind rund 14 % der Ärzte in Deutschland aus dem Ausland. Ziel der Prüfung ist, einen barrierefreien Austausch zwischen Arzt und Patient sowie unter ärztlichen Kollegen sicherzustellen. Dafür orientieren sich die sprachlichen Anforderungen der medizinischen Fachsprachprüfung an den Anforderungen des C1-Niveaus nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER).
Der GER beschreibt das Sprachniveau C1 wie folgt: „Absolventen können anspruchsvolle und lange Texte verstehen, können sich spontan und flüssig ausdrücken und müssen nicht nach Worten suchen. Die Sprache kann im gesellschaftlichen und beruflichen Kontext angewendet und flexibel gebraucht werden. Die Absolventen des Sprachniveaus C1 können sich klar, strukturiert und ausführlich zu komplexen Sachverhalten äußern und zusammenhängende Sätze und Texte bilden”.
Um das Sprachniveau zu überprüfen, ist die medizinische Fachsprachprüfung (FSP) aufgebaut wie eine OSCE- bzw. Parcours-Prüfung. Das bedeutet, dass die Absolventen mehrere Stationen durchlaufen, an denen es unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen gibt. In der FSP sind es normalerweise drei Stationen, jedoch variiert das von Bundesland zu Bundesland leicht. Die drei Stationen, die bei den Landesärztekammern standardmäßig durchlaufen werden müssen, sind ein Anamnesegespräch (Arzt-Patienten-Kommunikation), eine Dokumentation (das Verfassen eines Kurzberichtes, Ausfüllen eines Berichtsbogens oder Verfassen eines Arztbriefes inkl. Epikrise) sowie eine Patientenvorstellung (Arzt-Arzt-Kommunikation). Die Einführung der FSP wurde Mitte des Jahres 2014 von den Gesundheitsministern einzelner Länder beschlossen und noch im selben Jahr umgesetzt.
Es ist allgemein bekannt, dass Kommunikation und Sprache ein wichtiges Werkzeug in der Medizin darstellen. Die richtige Kommunikation beugt Behandlungsfehlern vor, fördert die Compliance und stärkt das Vertrauen und somit die Arzt-Patienten-Beziehung. Um es in den Worten von Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, auszudrücken: „Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient beeinflusst entscheidend die Therapietreue des Patienten und damit den medizinischen Behandlungserfolg.”
Das Durchführen der Prüfung ist demnach ein wichtiger Schritt, um gewisse sprachliche Anforderungen zu überprüfen. Daraus folgt die unbedingte Notwendigkeit der FSP, schließlich geht es in der Medizin um komplexe Sachverhalte und auch anspruchsvolle emotionale Angelegenheiten.
Jedoch besteht ein großes Problem in den unterschiedlichen Prüfungsverfahren. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Landesärztekammern und den uneinheitlichen Prüfverfahren der verschiedenen, teilweise privaten Anbieter, kommt es zu Prüfungstourismus. Ärzte entscheiden sich also bewusst für bestimmte Bundesländer, weil sie gehört haben, dass die Anforderungen dort geringer seien – oder auch der Zulassungsprozess einfacher ist. So gibt es in einigen Bundesländern beispielsweise nur drei Prüfungsteile, in anderen fünf. Bezüglich des Zulassungsverfahrens verhält es sich so, dass für einige Bundesländer ein Interessennachweis vorliegen muss, wie zum Beispiel der Nachweis über den Wohnort im jeweiligen Bundesland oder auch eine Stellenzusage. In anderen Bundesländern sind diese Interessennachweise nicht vorzulegen.
Auch die Anforderungen, die die LÄKs an die Prüflinge stellen, sind teilweise nicht ausreichend. Denn die Ärzte, die an dieser Prüfung teilnehmen wollen, brauchen lediglich ein B2 Niveau und das, obwohl die Prüfung auf C1-Niveau stattfindet. Das führt häufig dazu, dass einige Ärzte sich zwar sehr gut auf die einzelnen Prüfungsteile (Anamnese, Dokumentation, Patientenvorstellung) vorbereiten, jedoch außerhalb dieser Prüfungsteile große Lücken aufweisen, da sie außerhalb des spezifischen Sprachwissens nach wie vor über ihr B2-Niveau verfügen.
Hier einmal die Beschreibung des B2-Niveaus vom GER: „Kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.”
In der Praxis zeigt sich dann häufig, dass das Sprachniveau B2 für einen angemessenen Austausch zwischen Arzt und Patient oder unter Kollegen nicht ausreichend ist. Das kann dazu führen, dass Patienten sich nicht verstanden fühlen, ihr Vertrauen sinkt, Behandlungsfehler passieren und Kollegen sich mehrfach wiederholen müssen, um sicherzustellen, dass das Gesagte auch wirklich richtig verstanden wurde. Darüber hinaus besteht die Kommunikation im Krankenhaus aus wesentlich mehr als Anamnese, Patientenvorstellung und Arztbrief.
Außerdem sehen die Vorbereitungen auf die FSP vor, dass Ärzte sich auf einen Großteil der medizinischen Fachbereiche vorbereiten und den entsprechenden Wortschatz dafür lernen müssen. Ein paar Begriffe (5–40 Begriffe, abhängig vom Prüfungsort) werden in der Regel während der Prüfung abgefragt. Darunter finden sich Begriffe wie Schwindsucht, Hühnerauge oder auch eingewachsener Zehennagel.
Unser Nachbarland Österreich führt übrigens auch eine medizinische Fachsprachprüfung durch. Jedoch ist die FSP dort anders als bei uns. Es gibt einen Prüfungsort für die Prüfung und somit einheitliche Prüfungsanforderungen. Ärzte müssen in Österreich über das Sprachniveau C1 verfügen. Die Prüfung gliedert sich auch hier in drei Teile, zwei mündliche (Arzt-Patient- und Arzt-Arzt Kommunikation) und einen schriftlichen. Der Unterschied besteht darin, dass der Prüfling vorab nicht weiß, was genau von ihm gefordert wird. Muss er ein Anamnesegespräch oder eine Aufklärung durchführen? Muss er einen Patienten vorstellen oder eine Übergabe machen? Muss er einen Berichtsbogen oder vielleicht doch einen Zeitungsartikel schreiben? Zudem wird der Fachbereich des jeweiligen Prüflings berücksichtigt und die Aufgaben daran ausgerichtet.
Die Prüfung bei unseren Nachbarn ist also in der Aufgabenstellung komplexer und bedarf somit auch einer wesentlich umfassenderen sprachlichen Vorbereitung. Das sorgt dafür, dass die Ärzte auf mehr mögliche Situationen sprachlich vorbereitet sind und diese lösen können.
Diese umfassende sprachliche Vorbereitung fehlt meiner Meinung nach in Deutschland. Dies spiegelt sich auch in verschiedenen Umfragen wider, die ich in den letzten Jahren durchgeführt habe. Immer wieder frage ich Ärzte, die sich auf die Prüfung vorbereiten oder bald mit der Vorbereitung der Prüfung anfangen möchten, was ihnen Sorgen bereitet, bzw. in welchen Bereichen sie sich unsicher fühlen. Eine der häufigsten Antworten ist das Arzt-Arzt Gespräch, in dem es darum geht, den Patienten vorzustellen und auf Fragen der Prüfer spontan und flüssig reagieren zu können. Weitere häufig genannte Punkte sind flüssiges Sprechen und angemessen reagieren können, was letzten Endes das Gleiche und unmittelbar miteinander verbunden ist.
Auch bei uns in der Vorbereitung auf die Prüfung kommt es immer wieder dazu, dass die Ärzte ganz frisch aus der B2 Prüfung kommen und sich dann gleich auf die FSP-Prüfungsvorbereitung und sogar in die FSP stürzen. So kommt es beim Erstversuch zu hohen Durchfallquoten bis zu ca. 50 % oder auch bis zu einem Drittel.
Trotz der Kritik ist die FSP in meinen Augen nach wie vor eine wichtige Prüfung, um ein angemessenes Sprachniveau zukünftiger Ärzte sicherzustellen. Mit ein paar einfachen Änderungen in den Anforderungen und der Durchführung kann die Kommunikation und somit die Versorgung unserer Patienten optimiert werden. Dazu empfiehlt es sich bereits zu Beginn des Approbationsprozesses in Deutschland, d. h. bei Einreichen der Unterlagen, ein C1-Niveau zu verlangen. Außerdem könnten die Prüfungsteile abwechslungsreicher gestaltet und auf den Fachbereich des jeweiligen Prüflings angepasst werden. So könnte dann zum Beispiel Viktoria, die gerne in der Kardiologie arbeiten möchte, Szenarien gestellt bekommen, die auch in der Kardiologie vorkommen können. Das nimmt einen enormen Druck von den Prüflingen und vereinfacht den Fokus auf wesentliche Kommunikation und den Umgang mit besonders anspruchsvollen Situationen.
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