Spielt es eine Rolle, ob Mehrfachimpfungen in den gleichen Arm oder jeweils links und rechts verabreicht werden? Diese vermeintlich banale Frage hat eine überraschende Antwort.
Die meisten Patienten machen sich vor einer Impfung Gedanken: Wird’s wehtun? Bekomme ich Fieber? Schmerzt die Einstichstelle? Die Frage, ob man sich eine Mehrfach-Impfung besser in denselben Arm geben lassen sollte oder lieber rechts und danach links (oder umgekehrt), dürfte sich bisher aber kaum jemand gestellt haben. Dabei ist sie durchaus von Bedeutung, wie Wissenschaftler der Universität des Saarlandes nun herausfanden.
„Die Frage ist an sich so banal oder trivial, dass bisher kaum jemand darüber nachgedacht hat“, sagt Prof. Martina Sester. Das klingt zunächst wenig schmeichelhaft. Doch möchte man die Wirksamkeit von Impfungen und Impfstoffen untersuchen, sind Fragen wie diese wichtig: Wie bewegt sich der Wirkstoff durch den Körper – gelangt er direkt oder indirekt zu den richtigen Zielen und schädigt er unterwegs vielleicht auch normale Körperzellen? Löst dieser oder jener Wirkstoff eine bessere oder länger anhaltende Immunantwort aus? Die einfache Frage, ob der Arzt bei Mehrfach-Impfungen besser zweimal in denselben Arm pikst oder einmal links, einmal rechts, gehörte bisher nicht in diese Kategorie.
Das könnte sich nun ändern. „Denn in unserer Studie konnten wir Hinweise finden, dass die ipsilaterale Impfung durchaus besseren Schutz generieren kann als die contralaterale Impfung“, erklärt Doktorandin Laura Ziegler. Als Gegenstand der Untersuchung bot sich hier die Erst- und Zweitimpfung gegen Corona an. Insgesamt konnten Ziegler und Sester auf die Daten von 303 Personen zurückgreifen, die zu Beginn der Corona-Impfkampagne ihre Erst- und Zweitimpfungen mit dem Biontech-Impfstoff erhalten haben.
Am auffälligsten war die Beobachtung, dass die Zahl der CD8-T-Zellen zwei Wochen nach der Impfung bei den einseitig Geimpften deutlich höher war als bei denjenigen, die ihre Impfung in beide Arme bekommen haben. „Bei den ipsilateral geimpften Probanden konnten wir die Killerzellen in 67 Prozent der Fälle nachweisen. Bei den contralateral geimpften Personen lag dieser Anteil nur bei 43 Prozent“, nennt Ziegler die Zahlen. Das bedeutet, dass das Immunsystem im Falle einer Corona-Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit besser auf das Virus reagieren kann, da mehr Killerzellen dem Virus ans Leder gehen.
„Die Zahl der Antikörper hingegen war nicht höher“, so Sester. Anders als die Killerzellen zerstören diese die Viren nicht unmittelbar, sondern docken an ihnen an und verhindern so, dass sie weiter Schaden anrichten oder sorgen dafür, dass Fresszellen die Viren besser finden können. „Interessant ist jedoch, dass die Antikörper bei den ipsilateral Geimpften das Spike-Protein des Virus stärker abgefangen haben“, so die Immunologin weiter. Das heißt, die Antikörper machen bei den einseitig Geimpften denselben Job effektiver als ihre Kollegen im Körper derjenigen, die die Impfung in beide Arme bekommen haben.
Studien, die den Aspekt untersuchen, ob es einen Unterschied macht, wo die Erst- und die Auffrischungsimpfungen appliziert werden, gibt es bisher kaum. „So dramatisch sie auch verlaufen ist: Die Corona-Pandemie hat uns hier sehr geholfen“, erklärt Sester. Es waren zur gleichen Zeit sehr viele Freiwillige zu finden, die überdies auch noch nie in Kontakt mit dem Virus waren. Hätte ihr Immunsystem schon einmal Kontakt mit dem Erreger gehabt, könnte dies nämlich Einfluss auf die Ergebnisse der Studie haben. So hatten alle 303 Immunsysteme identische Startbedingungen. Unterm Strich bot die Pandemie eine einmalige Gelegenheit für Wissenschaftler wie Ziegler und Sester.
Die weiteren Auswirkungen ihrer Erkenntnisse bewerten die Forscher mit der gebotenen wissenschaftlichen Zurückhaltung. Denn schließlich kann Ziegler bisher ausschließlich Aussagen über die Corona-Impfung mit dem Biontech-Impfstoff machen. Ob daraus auch Schlussfolgerungen für andere Mehrfach-Impfungen – wie zum Beispiel die Influenza-Impfung oder Impfungen gegen Tropenkrankheiten – zulässig sind, müssen weitere Studien zeigen. Es könnte aber durchaus sein, dass die ein oder andere Impfung mehr Durchschlagskraft hat, wenn sie in denselben Arm verabreicht wird.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität des Saarlandes. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Fas Kahn, Unsplash