Um bakterielle Resistenzen zu vermeiden, gilt der maßvolle Einsatz von Antibiotika als wichtige Strategie. Das haben noch nicht alle Pädiater verinnerlicht – sie verordnen die Präparate selbst bei viralen Infekten. Im europäischen Vergleich hat Deutschland großen Nachholbedarf.
Jahr für Jahr erkranken hier zu Lande schätzungsweise 400.000 bis 600.000 Menschen an nosokomialen Infektionen. Multiresistente Erreger werden aber auch zunehmend ambulant erworben. Grund genug für die Bundesregierung, bereits 2011 ihr Maßnahmenpaket DART (Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie) zu verabschieden. Darin fordern Gesundheitspolitiker, Antibiotika bei Mensch und Tier mit Augenmaß zu verschreiben. Jetzt soll ein Modellprojekt folgen, um „Erkenntnisse zur Effektivität und zum Aufwand eines Screenings auf multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen vier der vier Antibiotikagruppen (4MRGN) im Vorfeld eines planbaren Krankenhausaufenthaltes“ zu gewinnen. Ohne Optimierungen bei der Pharmakotherapie sieht die Sache eher schlecht aus.
Zum Hintergrund: Edeltraut Garbe vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS untermauert die Notwendigkeit, politisch einzugreifen, mit einer aktuellen Veröffentlichung. Zusammen mit Kollegen hat sie Daten von 23 Millionen Versicherten unter 18 ausgewertet – und kam zu einer wenig rühmlichen Skala. An der Spitze steht die italienische Region Emilia Romagna mit 957 Antibiotikaverordnungen pro 1.000 Personenjahre. Dann folgen Deutschland (561), Großbritannien (555) und Dänemark (481). In den Niederlande (294) machen sich Erfolge einer restriktiven Verschreibungspolitik schon jetzt bemerkbar. Anhaltspunkte, dass Infektionen in den untersuchten Ländern verschieden häufig auftreten, fanden die Autoren nicht. Vielmehr verschreiben Pädiater Antibiotika, ohne zu prüfen, ob tatsächlich ein bakterieller Infekt vorliegt. Das erklärt Extrema während der Wintermonate.
Regionale Unterschiede bei der Pharmakotherapie lassen sich auch in Deutschland selbst nachweisen. So verschreiben Pädiater im Nordosten Deutschlands doppelt so häufig Antibiotika wie in Süddeutschland. Das Portal „Faktencheck Gesundheit“ liefert mögliche Erklärungen. Einen besonders großen Einfluss hat die soziale Situation: Je mehr Arbeitslose es regional gibt, desto häufiger stehen Antibiotika auf Rezepten. Damit nicht genug: Praktizieren viele Kinderärzte auf engem Raum, greifen sie seltener zur chemischen Keule als in Gebieten mit schlechterer Versorgungslage. Warum die Verordnungshäufigkeit in Ostdeutschland deutlich unter dem Wert von Westdeutschland liegt, bleibt offen. Hier sprechen Autoren des „Faktenchecks Gesundheit“ von Traditionen aus früheren Zeiten.