Spender-Organe sind rar – vor allem in Deutschland. Wie ein Antikörper-Matching jetzt über 65-Jährigen neue Hoffnung geben und die Lebenserwartung dieser Patienten verbessern könnte, lest ihr hier.
Wie groß ist der Einfluss der Gewebemerkmale von Spender und Empfänger auf den Erfolg einer Nierentransplantation bei Patienten im Alter von 65 plus? Eine Studie unter der Co-Leitung von Prof. Bernhard Krämer, Direktor der V. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), untersuchte erstmals, wie sich die Passgenauigkeit des Zelloberflächenrezeptors HLA-DR auf die Gesamtsterblichkeit bzw. das Versagen des Nierentransplantats in dieser Altersgruppe auswirkt. Es zeigte sich, dass eine Zuteilung der Spenderorgane auf der Grundlage des HLA-DR-Matchings die Fünf-Jahres-Sterblichkeit und das Überleben von Nierentransplantaten deutlich verbessert.
Leben mit gesunden Nieren, Credit: UMM
Mehr als die Hälfte der Patienten, die aufgrund einer Niereninsuffizienz in Nierenersatzprogramme aufgenommen werden, sind 65 Jahre oder älter. Eine Transplantation würde die Überlebenszeit dieser Patienten im Vergleich zur Dialyse verdoppeln. Doch nur wenige dieser Patienten haben die Chance, rechtzeitig ein Spenderorgan zu erhalten: Patienten von 65 Jahren und älter müssten meist etwa sechs bis sieben Jahre warten, ehe sie eine Spenderniere zugeteilt bekommen, da Spenderorgane besonders in Deutschland rar sind. Mehr als die Hälfte dieser Patienten würde diesen Tag nicht mehr erleben.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet das Eurotransplant Senior Programm (ESP). Es wurde 1999 aufgelegt, um die Chancen älterer Patienten auf eine rechtzeitige Transplantation zu verbessern. Nach dem Prinzip „Alt für Alt“ werden hierbei Organe von über 65-jährigen verstorbenen Spendern bevorzugt an Empfänger der gleichen Altersgruppe in der Spenderregion vermittelt. Um eine schnelle und unkomplizierte Vergabe gewährleisten zu können, wird bei ESP-Transplantationen darauf verzichtet, die Gewebemerkmale des Spenders zu ermitteln und auf Passgenauigkeit von Spender und Empfänger hin zu überprüfen. Eine schlechtere Übereinstimmung der Gewebemerkmale ist jedoch mit erhöhten Abstoßungsraten verbunden.
Für die Gewebeverträglichkeit von Spenderorgan und Empfänger spielt das HLA-System (Human-Leukocyte-Antigen-System) eine wichtige Rolle. Je ähnlicher die HL-Antigene von Spender und Empfänger sind, desto geringer ist die Gefahr von Abstoßungsreaktionen.
In der Studie wurden die gepaarten Nieren von insgesamt 675 Spendern im Alter von 65 Jahren und älter jeweils einem Transplantationskandidaten des ESP ohne Typisierung und einem Kandidaten des ESP mit DR-Kompatibilität (ESDP) vermittelt. In der Nachverfolgung zeigte sich, dass die Transplantation von Nieren mit passenden HLA-DR-Antigenen mit einem signifikant niedrigeren Risiko einhergeht, dass der Empfänger innerhalb von fünf Jahren nach der Transplantation verstirbt (30 Prozent niedrigere Mortalitätsrate) oder aufgrund eines Transplantatversagens – nach einem oder fünf Jahren – wieder zur Dialyse zurückkehren muss.
Ein weiteres Ergebnis der Studie war die Beobachtung, dass eine Zuteilung der Transplantate auf der Grundlage des HLA-DR Matchings die dialysepflichtige Zeit vor der Transplantation von im Mittel 4,1 Jahren auf 2,4 Jahre verkürzte, da für die Zuweisung der Spenderorgane in erster Linie die Gewebeverträglichkeit und nicht die Wartezeit ausschlaggebend ist. „Auch dies trägt dazu bei, dass eine Zuteilung auf der Grundlage des HLA-DR-Matchings die Fünf-Jahres-Sterblichkeit und das Überleben von Nierentransplantaten im Rahmen einer Alt-für-Alt-Nierentransplantation verbessert“, sagt Krämer.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Mannheim. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Daniel Franco, Unsplash