Forscher haben nun die Gehirne gesunder Personen untersucht, von denen einige ein erhöhtes genetisches Risiko für Angststörungen besitzen. Bei den Risikogenträgern fanden sie erhöhte Konzentrationen spezieller Proteine, die eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung im Gehirn spielen.
Die Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich sowie den Universitäten Würzburg und Münster hatten mit Hilfe der Positronenemissionstomografie (PET) Schnittbilder vom Gehirn der gesunden Menschen gemacht, die zuvor genetisch auf Risikofaktoren für das Auftreten von Angststörungen untersucht worden waren. Als ein Risikofaktor, der mit neurologischen und psychiatrischen Krankheiten in Verbindung gebracht wird, gelten bestimmte Varianten im Gen von Adenosinrezeptoren. Die genetischen Veränderungen beeinflussen beispielsweise die Konzentration der Rezeptoren. Diese Rezeptoren sind wichtig, damit das Molekül Adenosin aktiv werden kann. Adenosin beeinflusst das zentrale Nervensystem, indem es auf die Übertragung von Botenstoffen, beispielsweise bei der Regulation von Schlafen und Wachsein, einwirkt. Die Forschergruppe interessierte, wie die Konzentration der Adenosinrezeptoren im Gehirn tatsächlich aussieht. Mittels einer schwach radioaktiven Substanz machten die Wissenschaftler die Konzentration im Gehirn der Probanden sozusagen sichtbar. Dabei stellten sie bei den gesunden Risikogenträgern hohe Konzentrationen des Adenosin-A1-Rezeptors in allen untersuchten Hirnbereichen fest, insbesondere im Großhirn – und zwar mehr als bei den Probanden, die kein Risikogen in sich tragen. „Die Forschung hat bislang noch keine genaue Erklärung, warum einige Menschen mit einer Genvariante trotz erhöhten Risikos keine Symptome einer Angststörung zeigen. Die erhöhte Konzentration des Adenosin-A1-Rezeptors könnte die Antwort sein“, erklärt der Projektleiter, Prof. Andreas Bauer vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin. Aus Sicht der Forschergruppe sprechen die Ergebnisse für eine enge Beziehung von genetischer Veranlagung und den beobachteten Rezeptorkonzentrationen. „Wir vermuten, dass die erhöhte Konzentration der Adenosin-A1-Rezeptoren einen Kompensations- oder Schutzmechanismus darstellen könnte, der verhindert, dass es trotz genetischer Veranlagung zu einer Angststörung kommt“, so Bauer. Um das zu überprüfen, wollen die Forscher nun in klinischen Studien Risikogenträger untersuchen, die bereits unter einer Angststörung leiden. Kombination einer PET- und einer MRT-Aufnahme: In den roten Bereichen fiel die Konzentration von Adenosin-A1-Rezeptoren am höchsten, in den blauen am geringsten aus. © Forschungszentrum Jülich
Der Adenosin-A1-Rezeptor könnte damit als Indikator für eine drohende Angststörung dienen. Darüber hinaus ergäben sich auch neue therapeutische Möglichkeiten. „Über diese Rezeptoren kann sich ein neuer pharmakologischer Weg zur Modulation der Signalketten eröffnen, die an der Entstehung von Angststörungen beteiligt sind“, hält Prof. Andreas Bauer für möglich. Originalpublikation: Association analysis of adenosine receptor gene polymorphisms and in vivo adenosine A1 receptor binding in the human brain. Andreas Bauer et al.; Neuropsychopharmacology, doi: 10.1038/npp.2014.150; 2014