Extreme Temperaturschwankungen lassen die Herzinfarkt-Zahlen in die Höhe schnellen. Doch gerade an heißen Tagen spielt noch ein weiterer Faktor eine Rolle.
Das Wetter kann Menschen nicht nur die Stimmung verderben. Manche Wetterbedingungen können sogar das Risiko eines Herzinfarktes beeinflussen. Das zeigten bereits Daten des Teams um Moman A. Mohammad und Dr. David Erlinge aus dem Jahr 2018 von der Universität Lund in Schweden. Die Wissenschaftler werteten in ihrer Studie die Daten von 274.000 Menschen aus dem schwedischen Herzinfarktregister Swedeheart aus und setzten sie mit den aufgezeichneten Wetterdaten in Verbindung. Dabei stellten sie fest, dass bei bestimmten Wetterlagen die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes deutlich erhöht war. An kalten Tagen mit niedrigem Luftdruck, starkem Wind, und wenig sonnigen Phasen war das Herzinfarktrisiko am höchsten.
Die stärkste Assoziation bestand dabei mit der Lufttemperatur, wobei das Risiko um jede 7,4 °C, die die Temperatur anstieg, um 2,8 % sank. Das höchste Risiko bestand bei einer Lufttemperatur unter 0 °C, wobei die Herzinfarkt-Raten zurückgehen, wenn die Temperaturen auf mehr als 3 °C bis 4 °C steigen. Andere Daten aus 2018 konnten zeigen, dass nicht nur Kälte sondern auch Hitze einen Einfluss auf das Herzinfarktrisiko hat. Die Forscher untersuchten die Klinikdaten von 30.000 Patienten aus dem US-Bundesstaat Michigan. Alle von ihnen waren wegen Herzinfarkten in Behandlung. Anhand von Wetterdaten ermittelten die Studienautoren die lokalen Temperaturen und Temperaturschwankungen, die den Herzinfarkten vorangingen. Das Risiko für einen Herzinfarkt stieg um etwa 5 % je Temperaturschwankungen von 5 °C an. Temperaturfluktuationen von mehr als 25 % °C zeigten einen Zusammenhang mit einem deutlich erhöhten Herzinfarktrisiko. Schwankte die Temperatur um mehr als 35 °C, verdoppelte sich in der Untersuchung das Risiko sogar – an generell heißen Tagen umso mehr.
Auch aktuelle Daten aus diesem Jahr können den Zusammenhang zwischen dem Wetter und einem Herzinfarktrisiko belegen und zudem einen Einfluss auf das Sterberisiko bei einem Herzinfarkt nachweisen. Nach Xu et al. kann sich an heißen Tagen das Herzinfarktrisiko verdoppeln, wenn gleichzeitig mit der Temperatur die Feinstaubkonzentration anstieg. Dies zeigten die Daten der epidemiologischen Studie aus China. Die chinesische Provinz Jiangsu liegt in der Übergangszone von der gemäßigten zur subtropischen Klimazone. In den Sommermonaten kann es mit Durchschnittstemperaturen von 29 °C bis 32 °C sehr heiß werden. In den Wintermonaten gibt es zahlreiche Tage mit Durchschnittstemperaturen unter dem Gefrierpunkt. Aus diesem Grund eignet sich die Provinz sehr gut, um den Einfluss der Temperatur auf das Herzinfarktrisiko zu untersuchen.
Ein Forscherteam um Yuewei Liu von der Sun-Yat-sen-Universität in Guangzhou hat hierfür in einer Case-Crossover-Studie die Herzinfarkt-Todesfälle von 202.678 Einwohnern aus den Jahren 2015 bis 2020, mit den Wetteraufzeichnungen in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich, dass das Sterberisiko bei zweitägigen Hitzewellen mit Temperaturen von über 28 °C um 18 % höher war als an anderen Tagen. Stieg die Temperatur 4 Tage auf über 35 °C war das Sterberisiko sogar um 74 % erhöht. Deutlich geringer war der Einfluss der Kälte in Bezug auf das Sterberisiko bei einem Herzinfarkt. Nach zwei Tagen mit einer Temperatur von 0,7 °C bis 4,7 °C stieg das Herzinfarkt-Sterberisiko um 4 % an. Wenn die Temperaturen für 3 Tage unter 2,8 °C lagen, starben 12 % mehr Menschen an einem Herzinfarkt.
Die Sterberate am Herzinfarkt verdoppelte sich, wenn während einer viertägigen Hitzewelle die Feinstaubbelastung auf über 37,5 µg/m³ angestiegen war (der Tagesgrenzwert der WHO liegt bei 45 µg/m3). Bei Kälteeinbrüchen hatte die Feinstaubbelastung dagegen keinen Einfluss auf das Herzinfarkt-Sterberisiko. Frauen hatten der Studie zufolge bei Hitzewellen ein höheres Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben als Männer. Ältere Menschen waren stärker gefährdet als jüngere. Ältere Menschen hatten auch an Tagen mit extremer Kälte im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen ein höheres Risiko für Herzinfarkte. Liu rät der Bevölkerung, sich bei extremen Temperaturen in den Wohnungen aufzuhalten. Bei Spaziergängen sollten nach Meinung des Forschers stark befahrene Straßen gemieden und grundsätzlich keine körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Freien durchgeführt werden.
Starke Temperaturschwankungen erhöhen offenbar das Risiko für Herzinfarkte. Nicht nur die durchschnittliche Tagestemperatur hat eine Auswirkung auf die Gesundheit hat, sondern auch plötzliche Veränderungen und die Höhe der Feinstaubbelastung. Da durch den Klimawandel immer öfter Extremwettersituationen auftreten ist davon auszugehen, dass das Thema Wetter im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Quellen:
Mohammad MA et al.: Association of Weather With Day-to-Day Incidence of Myocardial Infarction: A SWEDEHEART Nationwide Observational Study. JAMA Cardiol, 2018. doi: 10.1001/jamacardio.2018.3466.
Xu R et al.: Extreme Temperature Events, Fine Particulate Matter, and Myocardial Infarction Mortality. Circulation, 2023. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.063504.
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