Hunde wie die Französische Bulldogge zählen zu den beliebtesten Hunderassen – obwohl sie Qualzuchten sind. Eine Studie untersuchte nun, wie die Fans dieser Tiere ticken und zeigte: Gerade sie sind sehr empathische Menschen.
Sie gehören seit Jahren zu den beliebtesten Hunderassen in Deutschland – kurzköpfige Hunde wie die Französische Bulldogge oder der Mops. Im Tasso-Register steht die Französische Bulldogge aktuell mit über zehntausend Registrierungen im Jahr 2022 hinter dem Labrador Retriever und dem Deutschen Schäferhund auf Platz drei. Forscher der Eötvös Loránd Universität (ELTE) in Ungarn haben in einer Studie untersucht, warum die brachyzephalen Rassen trotz ihrer gesundheitlichen Probleme so beliebt sind. Die Ergebnisse überraschten die Verhaltensforscher.
Brachyzephale Hunderassen zeichnen sich durch ihre kurze, runde Kopfform aus. Bei der Kurzköpfigkeit handelt es sich um eine vererbte Deformation des Schädels, bei der Ober- und Unterkiefer durch Züchtung komprimiert werden. Das Problem: Nicht nur verkürzt sich der Knochen, was wiederum zu Zahnfehlstellungen und Dysgnathie führt. Auch muss sich das gesamte Weichteilgewebe auf den so deutlich reduzierten Platz „drängen“, daraus resultieren nicht selten Atemgeräusche (Schnarchen, Pfeifen, Schniefen), eine angestrengte Atmung mit Bauchpresse, Angstzustände durch Atemnot, Überhitzung, Schlaflosigkeit und Synkopen. Folgen der Züchtung sind aber nicht nur das brachyzephale (Atemwegs-) Syndrom (mehr dazu hier), es kommt auch vermehrt zu Hautfaltendermatitis, Augenproblemen wie dem Exophthalmus, Entropium und Hornhautulkus, Keilwirbel, aber auch Hydrozephalus und Schwergeburten.
Warum sind diese Hunde also so beliebt? Wissen die Plattnasen-Fans einfach nicht genug über die rassebedingten Probleme oder können sie dem niedlichen Kindchenschema ihrer Lieblinge einfach nicht widerstehen? „Wir wussten von vorherigen Studien, dass brachyzephale Rassen eher dazu neigen, Blickkontakt mit Menschen aufzunehmen. Wir nahmen also an, dass diese Eigenschaft für die Besitzer besonders attraktiv ist. Wir haben auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Liebhaber dieser Hunde sich der angeborenen Gesundheitsprobleme nicht bewusst sind“, sagt Zsófia Bognár, Doktorandin und Hauptautorin der Studie, die kürzlich in der Zeitschrift Applied Animal Behaviour Science veröffentlicht wurde.
In einer Online-Befragung sammelten die Forscher Informationen zum Wissen der Probanden über die gesundheitlichen Probleme brachyzephaler Rassen, aber auch ihren Bildungsgrad, ihr Fachwissen über Hunde im Allgemeinen, ihr Einfühlungsvermögen, ihr Persönlichkeitsprofil (Intro- oder Extraversion) sowie ihre Einstellung zu Brachyzephalie und stellten diese Faktoren in einen Zusammenhang. Auch zeigten die Forscher den Probanden Porträtfotos von 25 Hunden verschiedener Rassen und Mischlingen. Von jedem Hund war jeweils ein Foto zu sehen, auf dem er in die Kamera schaut und eines, auf dem er den Blick leicht abwendet. Hier wurde abgefragt, ob den Probanden eines der Bilder besser gefalle und welche Hunde ihnen insgesamt gefielen.
Credit: Zsófia Bognár, Enikő Kubinyi, The brachycephalic paradox: The relationship between attitudes, demography, personality, health awareness, and dog-human eye contact; Applied Animal Behaviour Science(2023)
Insgesamt nahmen 1.156 Personen an der Umfrage teil. Es zeigte sich, dass Liebhaber brachyzephaler Rassen in der Befragung tendenziell jünger waren, einen niedrigeren Bildungsstand aufwiesen und über weniger Fachwissen verfügten, als Menschen, die diesen Rassen gegenüber neutral oder eher abgeneigt waren. Auch waren sie öfter weiblich, hatten Kinder und hatten ein höheres emotionales Einfühlungsvermögen – das heißt, sie neigten eher dazu, sich in das Leiden eines anderen Lebewesens einzufühlen. Interessanterweise waren sich die Brachyzephalen-Liebhaber der gesundheitlichen Probleme auch am meisten bewusst – insgesamt brachten 99 % von ihnen diese Rassen mit Atembeschwerden in Verbindung, 90 % mit Dystokie, 61 % mit Hornhautgeschwüren, und nur einige mit weniger als vier der typischen Gesundheitsproblemen. Die Forscher schlossen daraus, dass diese Probleme also sehr wohl im Bewusstsein der Öffentlichkeit sind und Hundebesitzer auch von ihnen wissen.
Auch überraschte die Autoren, dass die Neigung dieser Hunde, Blickkontakt aufzunehmen, für ihre Beliebtheit wahrscheinlich keine Rolle spielt. Die Probanden, die brachyzephalen Hunden nicht abgeneigt waren, wählten die Fotos mit Blick in die Kamera seltener aus und entschieden sich stattdessen häufiger für die Option „beide Fotos gefallen mir“. Statdessen fiel auf, dass die Hundefotos mit Blick in die Kamera mit einem bestimmten Persönlichkeitsprofil assoziiert waren. So waren sie besonders bei extrovertierten, geselligen, sozialen und empathischen Menschen beliebt. „Wir hatten erwartet, dass eine der Gründe für die Beliebtheit dieser Hunde ihre großen Augen sind und dass ihre Besitzer sich freuen, dass die Hunde sie so oft ansehen“, sagt Eniko Kubinyi, Leiterin der Forschungsgruppe an der ELTE in Ungarn. „Wir haben jedoch nicht festgestellt, dass dies der Fall ist – zumindest nicht auf den Fotos. Es ist auch nicht wahr, dass Liebhaber von brachyzephalen Hunderassen sich der gesundheitlichen Probleme nicht bewusst sind oder kein Mitgefühl für sie empfinden.“ Obwohl die Forscher erwartet hatten, dass Menschen mit einem hohen Maß an Empathie das Leiden der Hunde mitfühlen und daher die Kurzköpfigkeit nicht bevorzugen würden, fanden sie das Gegenteil.
Es habe sich gezeigt, dass diese Probanden aber oft relativ unerfahrene Hundehalter sind. „Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie sich der Kommunikationssignale ihrer Hunde nicht bewusst sind, Anzeichen von Schmerzen oder Leiden nicht unbedingt erkennen und gesundheitliche Probleme wahrscheinlich als normale Rassemerkmale betrachten. So erscheint ihnen beispielsweise eine schnarchende und grunzende Bulldogge eher als niedlich und sie sehen nicht, dass ein kranker, nach Luft ringender Hund vor ihnen steht.“
„In vielen Ländern gibt es Aufklärungskampagnen über die Gesundheitsprobleme dieser Rassen. Die wachsende Beliebtheit von Hunden mit flachem Gesicht lässt jedoch vermuten, dass diese Kampagnen nicht sehr effektiv sind“, bemerkt die Autorin der Studie. Die Besitzer brachyzephaler Rassen schätzen ihren Hund oft als sehr gesund ein – gesünder als andere Hunde dieser Rasse. So schreiben die Autoren in ihrem Paper: „Unsere Studie legt nahe, dass das Wissen über die gesundheitlichen Probleme nicht ausreicht, um die Einstellung der Menschen gegenüber brachyzephalen Hunden zu ändern. Liebhaber dieser Rassen sind sich der Probleme im Allgemeinen bewusst, können aber möglicherweise das Ausmaß des Leidens ihres eigenen Hundes nicht vollständig nachvollziehen.“ Die Verhaltensforscher spekulieren, dass ein verstärktes Fürsorgebedürfnis sogar zur Entwicklung einer starken Bindung an die Rasse beitragen kann.
Man solle stattdessen hervorheben, dass diese gesundheitlichen Probleme nicht als normale oder akzeptable Eigenschaften angesehen werden dürfen und dass sie für die Tiere oft Schmerzen und Leiden bedeuten. „Die Hundehalter müssen sich bewusst machen, dass ihre Entscheidungen eine wichtige Rolle für die Gesundheit dieser Hunderassen spielen“, resümiert Bognár.
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