Ehemals in Gallefarmen gehaltene Bären zeigen ähnliche lebensstilbedingte Pathologien wie der Mensch. Diese sind – beim Bären genau wie beim Menschen – für frühzeitige Alterungsprozesse verantwortlich.
Für ihre Studie untersuchten die Forscher die langfristigen Auswirkungen chronischer Entzündungen bei 42 asiatischen Schwarzbären (Ursus thibetanus), die aus vietnamesischen Gallefarmen gerettet wurden. Im Rahmen notwendiger medizinischer Eingriffe wurden die Bären mindestens zweimal unter Narkose untersucht und behandelt. Bei allen Bären wurde eine chronische, geringgradige, sterile oder bakterielle hepatobiliäre Entzündung zusammen mit anderen Erkrankungen diagnostiziert.
„Chronische Entzündungen in Verbindung mit schlechter Haltung und chronischem Stress scheinen das Risiko für die Entwicklung degenerativer Krankheiten wie fettleibiger Sarkopenie (verminderte Muskelmasse und -kraft), chronischer Nierenerkrankung und beeinträchtigter Herz-Kreislauf-Funktion zu erhöhen. Diese Störungen sind ein Anzeichen beschleunigter Alterung. Der Phänotyp von Gallefarm-Bären steht hier im deutlichen Gegensatz zum gesunden Phänotyp wilder Bären, die Winterschlaf halten“, so Studien-Erstautorin Szilvia K. Kalogeropoulu vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.
Diese Erkenntnisse weisen weit über die untersuchten Tiere hinaus, wie Studien-Letztautorin Johanna Painer-Gigler vom FIWI erklärt: „Die pathologischen Parallelen zu entzündlichen und durch Immunseneszenz – also die Verschlechterung des Immunsystems – bedingten Zuständen beim Menschen lassen darauf schließen, dass die Erkenntnisse durch in Gallefarmen gehaltene Bären als Modellbeispiel zur Untersuchung der Pathophysiologie und der schädlichen Auswirkungen lebensstilbedingter Krankheiten dienen könnten. Dadurch kann man diese Pathologien aus einem weiteren Winkel betrachten und hoffentlich dadurch besser verstehen lernen.“
Morbidität und Mortalität von Asiatischen Schwarzbären im Zusammenhang mit der Gallezucht. Visual Abstract,Kalogeropoulu et al. (2023)
Diesen Zusammenhang identifizierten die Forscher mit einem biomimetischen Ansatz. Im medizinischen Kontext sind diese Studien an Wildtieren nützlich, um Mechanismen zu identifizieren, die vor der altersbedingten Belastung durch Zivilisationskrankheiten schützen – oder, wie diese Studie zeigt, die Anfälligkeit dafür erhöhen. Der bioinspirierte Ansatz kann neue Möglichkeiten für die Entwicklung von medizinischen Behandlungen und Arzneien für Mensch und Tier bieten.
Man lernt aus der Natur, vergleicht verschiedene Erkenntnisse zwischen Tieren und Menschen und kreiert dabei Wissen, das sich nicht auf Tierversuche, sondern vergleichende Medizin stützt. So auch in der vorliegenden Studie: Überwinternde freilaufende Bären (gesunde Kontrollgruppe) dienten als Bioinspiration aufgrund der Mechanismen, die sie vor Belastung durch Lebensstilkrankheiten schützen. Diese häufen sich auch beim Menschen mit zunehmendem Alter. Dazu zählen neben Muskelschwund u. a. auch Osteoporose, Gefäßerkrankungen und chronische Nierenerkrankungen.
Der Winterschlaf als evolutionäre Anpassung hat Bären im Allgemeinen widerstandsfähiger gegen Organschäden und Stoffwechselstörungen gemacht. Nicht so jedoch ihre in Gallefarmen gehaltenen Artgenossen, die unter suboptimalen Haltungs- und Lebensbedingungen Erkrankungen zeigen, wie sie auch von Menschen mit ungesundem Lebensstil bekannt sind.
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Vetmeduni Wien. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Mark Basarab, unsplash