Schädigt eine Chemotherapie das Herz, wird die Schwere der Entzündungen nicht immer rechtzeitig erkannt. Eine Studie zeigt jetzt: Der aus der Kardiologie bekannte Troponin-T-Wert könnte hier Abhilfe schaffen.
Chemo- oder Immuntherapie gegen Krebserkrankungen können auch das Herz angreifen – diese Nebenwirkungen sind zwar selten, aber schlimmstenfalls irreparabel. Einen zuverlässigen Marker für die Schwere der Herzschäden bei einer bestimmten Immuntherapie haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und der Sorbonne Université in Paris aktuell in Circulation beschrieben. Dabei handelt es sich um einen alten Bekannten: das Herzmuskeleiweiß Troponin, das seit rund 35 Jahren zur Diagnostik bei Herzinfarkt herangezogen wird. In einer Studie mit 60 Krebspatienten, bei denen nach einer Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren Herzprobleme auftraten, zeigte Troponin T ab einem bestimmten Grenzwert im Blut einen schweren Verlauf der Herzmuskelentzündung mit erhöhtem Komplikations- und Sterberisiko an.
Immun-Checkpoint-Inhibitoren wirken auf einen wichtigen Regulationsmechanismus des Immunsystems ein, der Angriffe gegen körpereigenes Gewebe verhindert. Daher kann es während der Behandlungsdauer zu lebensgefährlichen Entzündungen an verschiedenen Organen kommen. „Entzündungen des Herzens sind dabei besonders kritisch, da es bei einem Teil der Betroffenen schnell zu gravierenden Herzschäden kommen kann, wenn die Schwere der Entzündung nicht rechtzeitig erkannt und gegengesteuert wird“, erläutert Prof. Norbert Frey, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am UKHD. „Es fehlen bisher noch Prognosefaktoren, um Patienten mit einem hohen Risiko für diesen schweren Verlauf möglichst frühzeitig zu identifizieren.“
Rund ein Prozent aller Patienten, die Immun-Checkpoint-Inhibitoren erhalten, erkranken an einer Herzmuskelentzündung. Da die Entzündung anfangs meist ohne Symptome verläuft, empfehlen die Behandlungsleitlinien in den ersten Monaten der Immuntherapie einen regelmäßigen Herzcheck. Dabei werden zwar bereits Herzeiweiße wie Troponin-T erfasst, die nur dann in größeren Mengen ins Blut gelangen, wenn der Herzmuskel Schaden genommen hat.
„Bisher ließ sich daraus nur auf die Herzschädigung als solche schließen. Wir haben anhand unserer Studie nun einen genauen Grenzwert definiert: Stieg die Troponin-T-Menge im Blut in den ersten 72 Stunden nach Verabreichung der Immuntherapeutika über diesen Wert an, hatten die Patienten ein hohes Risiko, im Verlauf der nächsten 90 Tage eine schwere Herzkomplikation wie Rhythmusstörungen oder Herzversagen zu entwickeln“, so Erstautor Prof. Lorenz Lehmann, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des UKHD. „Dagegen war das Risiko bei Patienten, deren Troponin T unter dem Grenzwert lag, gering. Troponin T könnte sich auf Basis unserer Ergebnisse hervorragend dazu eignen, zuverlässig und praxistauglich diejenigen Patienten zu identifizieren, die eine enge Überwachung und möglicherweise intensivere Unterstützung des Herzens benötigen.“ Vor der Anwendung in der Praxis müssen die Ergebnisse noch in weiteren Studien bestätigt werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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