Lange Zeit waren rechtsventrikuläre 1-Kammersysteme die einzigen kabellosen Herzschrittmacher. Jetzt steht ein kabelloses 2-Kammer-System kurz vorm Einsatz im klinischen Alltag. Hier fahrt ihr mehr.
Vor rund 10 Jahren sind die ersten kabellosen Herzschrittmacher (Leadless Pacemaker) bei Menschen implantiert worden. Sie werden mittels Herzkatheter über die Leistenvene im rechten Ventrikel platziert und dort direkt an der Herzwand fixiert. Da keine subkutane Tasche für das Aggregat und keine transvenös zum Herzen führenden Sonden benötigt werden, sind Komplikationen wie Infektionen der Aggregattasche oder Dislokationen der Schrittmacherelektroden nicht zu befürchten. Da kabellose Schrittmacher lange Zeit nur für eine ventrikuläre 1-Kammer-Stimulation infrage kamen, war der Empfängerkreis begrenzt, weil viele Patienten ein 2-Kammersystem benötigen. Seit einiger Zeit wird deshalb auch an der Entwicklung von kabellosen 2-Kammer-Schrittmachern gearbeitet, die eine Detektion der Vorhofaktion und eine darauf abgestimmte Schrittmacherstimulation des Ventrikels sowie auch eine Vorhofstimulation ermöglichen.
Im Sommer 2020 wurde in Deutschland der erste kabellose 2-Kammerschrittmacher der Firma Medtronic erfolgreich implantiert. Damals betonte Prof. Christoph Stellbrink, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Klinikum Bielefeld, nach dem Eingriff, der komplikationslos vorgenommen wurde, dass die Implantation noch nicht bei jedem Patienten möglich sei. „Wir müssen noch Erfahrungen sammeln, ob die Wahrnehmung der Vorhofaktivität bei allen Patienten gut funktioniert. Daher verwenden wir diese Systeme aktuell nur bei sehr wenigen, ausgesuchten Patienten.“
In der beim Kongress der Heart Rhythm Society 2023 in New Orleans präsentierten Aveir-DR-i2i-Studie ist nun ein neuer kabelloser 2-Kammer-Herzschrittmacher, das Aveir-DR-System des Herstellers Abbott Medical, erfolgreich geprüft worden. Die Studie wurde simultan im New England Journal of Medicine publiziert. Das Aveir-DR-System besteht aus zwei im rechten Ventrikel sowie im rechten Vorhof perkutan mittels Herzkatheter positionierten kabellosen Herzschrittmachern, zwischen denen eine drahtlose bidirektionale Kommunikation möglich ist.
In die einarmige Studie sind zwischen Februar und August 2022 an 55 Zentren in den USA, Kanada und Europa 300 Patienten eingeschlossen worden. Primäre Indikationen für die Implantation eines 2-Kammer-Herzschrittmachers waren bei ihnen eine Sinusknoten-Dysfunktion (63,3 %) und ein AV-Block (33,3 %). Bei 295 Teilnehmern (98,3 %) verlief die Implantationsprozedur erfolgreich. Die Implantation dauerte im Mittel 86,3 Minuten. Der primäre Sicherheitsendpunkt war das Fehlen schwerer Device- oder Prozedur-bezogener Komplikationen im Zeitraum der ersten 90 Tage. Dafür war als „Leistungsziel“ (Performance Goal) eine Rate von mindestens 78 % festgelegt worden. De facto waren es am Ende 271 Patienten (90,3 %; 95%-KI: 87,0–93,7), die frei von schweren Komplikationen geblieben waren. Das definierte Leistungsziel wurde damit übertroffen (p < 0,001).
Bei 29 Patienten wurden insgesamt 35 Device- oder Prozedur-bezogene Komplikationen registriert, von denen die meisten (80 %) innerhalb von zwei Tagen nach Implantation auftraten. Unter anderem kam es bei neun Patienten zu Vorhofflimmern, welches mit einer elektrischen Kardioversion therapiert wurde. Bei einem Patienten trat ein vorübergehender AV-Block auf. In sechs Fällen wurde intraprozedural eine Dislokation der Schrittmacher dokumentiert. In den meisten Fällen lag dies an einer nicht ausreichenden Fixierung. Bei zwei Patienten entwickelte sich im Zusammenhang mit der Platzierung des atrialen Schrittmachers ein Perikarderguss: Bei einem Patienten war eine Behandlung mittels Perikardpunktion notwendig, der andere Patient konnte konservativ geführt werden. Innerhalb von 90 Tagen wurden acht Revisionsprozeduren zur perkutanen Bergung von Schrittmachern durchgeführt, die alle erfolgreich waren. In sechs Fällen konnte ein neuer kabelloser Schrittmacher implantiert werden. Zwei Todesfälle am plötzlichen Herztod waren auf einen malignen Tumor und eine nicht durch die Implantation ausgelöste Sepsis zurückzuführen.
Der erste primäre Leistungsendpunkt bei der Funktionsprüfung nach drei Monaten war eine Kombination aus adäquater atrialer Reizschwelle (≤ 3,0 V bei 0,4 ms) und atrialer Sensing-Amplitude (P-Welle ≥ 1 mV). Dieser Endpunkt wurde bei 90,2 % der Patienten erreicht (95%-KI: 86,8–93,6). Auch hier wurde das zuvor ausgegebene Leistungsziel von 82,5 % überschritten (p < 0,001). Der zweite primäre Leistungsendpunkt war eine atrioventrikuläre Synchronität (ventrikulärer Herzschlag innerhalb von 300 ms nach atrialem Herzschlag) von mindestens 70 % nach drei Monaten beim sitzenden Patienten. Eine entsprechende Synchronität wurde bei 97,3 % der Patienten festgestellt (95%-KI: 95,4–99,3). Im Vergleich zum angestrebten Ziel von 83 % wurde erneut ein besseres Ergebnis erzielt (p < 0,001). Auch wenn mangels Vergleichsgruppe offenbleibt, ob sich die kabellosen Herzschrittmacher mit den konventionellen Geräten messen können, sind die vorliegenden Daten vielversprechend.
Die Aveir-DR-i2i-Studie läuft noch weiter. Dem Studienplan zufolge sollen insgesamt bis zu 550 Patienten als Teilnehmer aufgenommen werden. Die endgültigen Ergebnisse bleiben abzuwarten.
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