Das Interesse am Tierwohl steigt bei Verbrauchern immer mehr – und damit auch die Anzahl der Tierwohl-Labels auf Milchprodukten. Aber was sagen sie wirklich aus und sind die geforderten Bedingungen umsetzbar?
Wie unterscheiden sich die verschiedenen Tierwohlstandards im Bereich der Milchproduktion? Was plant die Bundesregierung, um das Tierwohl auf deutschen Milchviehbetrieben weiter zu fördern? Und welche Interessen bestehen auf Seiten der Verbraucher, des Lebensmitteleinzelhandels und der Milchviehhalter? Diese Fragen haben Forscher der Fachhochschule Kiel und des ife Instituts für Ernährung und Ernährungswirtschaft Kiel untersucht.
Verbraucher interessieren sich zunehmend für die Haltungsbedingungen von Nutztieren, auch im Bereich der Milchwirtschaft. Dabei priorisieren sie mehr Platz für die Tiere, einen Weidezugang sowie die Möglichkeit für die Tiere, ihr natürliches Verhalten auszuleben. Auch auf Seiten der Politik ist das Interesse an den Haltungsbedingungen gestiegen. Die Bundesregierung plant die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels.
Tatsächlich gibt es bereits zahlreiche Tierwohlstandard-Labels, aber was sich hinter diesen konkret verbirgt, sei für Verbraucher nicht auf den ersten Blick erkennbar, erklärt Prof. Holger Schulze von der FH Kiel. „Unser Vergleich der relevantesten Tierwohlstandards in der Milchviehhaltung hat gezeigt, dass der Standard ‚Für mehr Tierschutz‘ in der Premium-Stufe des Deutschen Tierschutzbundes e. V. insgesamt die meisten und höchsten Anforderungen aufweist. Für Verbraucher ist es aber schwierig, die verschiedenen Labels und Stufen zu unterscheiden, die jeweiligen Anforderungen zu kennen und zum Teil auch zu verstehen.“
Ein Schritt zu mehr Transparenz, so Schulze, sei die Kennzeichnung der Haltungsformen, die der Lebensmitteleinzelhandel seit Anfang 2022 verwendet. Dieser hat die bestehenden Tierwohlstandards in vier Stufen eingeteilt, von 1 „Stallhaltung“ bis 4 „Premium“. Um zu erfassen, wie verbreitet diese Kennzeichnung und andere Tierwohllabels sind, führte das ife Institut Store Checks durch. Das Ergebnis: Lebensmittelhandel und insbesondere die Discounter bieten immer häufiger Milch mit ihren eigenen Labels an; bislang ohne einen stabilen Preisaufschlag zu erheben. „Ursächlich hierfür könnte neben der allgemeinen Preisentwicklung auch der geringe Bekanntheitsgrad der Tierwohllabel unter den Verbrauchern sein“, erklärt Prof. Silke Thiele vom ife Institut. Ein höherer Bekanntheitsgrad, so Thiele, könnte in Zukunft Preisaufschläge nach sich ziehen.
Doch wie ist es um die Bereitschaft der Milchproduzenten bestellt, höhere Tierwohlstandards umzusetzen? Um dies herauszufinden haben die Wissenschaftler untersucht, welche Vor- und Nachteile die Produzenten hiervon erwarten. Das größte Risiko, erklärt Doktorandin Henrike Grotsch von der FH Kiel, sähen diese in den Investitionskosten für den Umbau von Ställen, einem höheren Flächenbedarf und steigendem Arbeitsaufwand: „Die Teilnahme an einem Tierwohlprogramm muss sich für Landwirte lohnen. Sie müssen für zertifizierte Milch einen höheren Preis erhalten.“
„Insgesamt konnten wir feststellen, dass das Potenzial im Bereich des Tierwohls und der Tierwohl-Standards in Deutschland hoch ist“, stellt Thiele klar. „Verbraucher, Lebensmitteleinzelhandel und Milchviehhalter haben ein hohes Interesse daran. Wobei der Lebensmitteleinzelhandel bei der Kennzeichnung weiter ist, als die Politik.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Fachhochschule Kiel. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Claudio Schwarz, unsplash