Mediziner wiesen nun nach, dass auch Mikrogliazellen aktiv am Alzheimer-Krankheitsverlauf beteiligt sein könnten. Sie hemmten bei den Zellen im Mausmodell ein Protein der Immunabwehr. Das Ergebnis: Entzündungen und die Anzahl der Plaques gingen zurück.
Dass sich bei Alzheimer Eiweiße um die Nervenzellen herum ablagern, wusste auch schon Alois Alzheimer, als er vor über 100 Jahren die nach ihm benannte Form der Demenzerkrankung erstmals beschrieb. Diese Eiweiße bestehen aus Amyloid-Peptid, das von den Nervenzellen gebildet und freigesetzt wird. Es lagert sich in großen Mengen in Form der Alzheimer-Plaques an den Nerven ab. Um diese herum sammeln sich wiederum Mikrogliazellen in großer Anzahl an. „Diese Zellen sind die weißen Blutkörperchen des Gehirns. Sie schützen uns normalerweise vor Infektionen oder Schädigungen des Gewebes. Dabei bilden sie giftige Substanzen, welche beispielsweise dazu dienen, Erreger auszuschalten“, erklärt Dr. Alex Liu von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes. „Bei Alzheimer lösen sie Entzündungsprozesse aus.“ Der Mediziner und seine Homburger Kollegen erforschen die Rolle der Mikroglia bei Alzheimer. In einer aktuellen Studie haben sie nun nachgewiesen, dass die Zellen aktiv am Verlauf der Erkrankung beteiligt sind. Zusammen mit Wissenschaftlern aus Köln und Ungarn haben sie gezeigt, dass die Mikroglia mit den Plaques interagieren. „Erst durch diesen Kontakt werden die Mikroglia aktiviert“, sagt Liu. Das Team um Liu hat untersucht, was passiert, wenn es in den Mikroglia von sogenannten Alzheimer-Mäusen gezielt die Funktion eines für die Immunabwehr wichtigen Proteins – das IKKβ-Molekül – hemmt. Bei diesen Alzheimer-Mäusen ist das Erbgut derart verändert, dass sich, wie beim Menschen, Plaques an den Nerven ablagern. Zusätzlich haben die Wissenschaftler in Versuchen mit diesen Mäusen das Gen ausgeschaltet, das für das IKKβ-Molekül codiert. Liu und seine Kollegen haben beobachtet, dass sowohl die Entzündungsprozesse als auch die Eiweißablagerungen deutlich zurückgegangen sind. Dies hat auch Folgen für die kognitiven Fähigkeiten, wie die Forscher herausgefunden haben: „Insgesamt hat sich die Gedächtnisleistung der Mäuse deutlich verbessert.“ Die Mäuse mussten im sogenannten Barnes Labyrinth einen Parcours absolvieren. Diese Trainingsmethode wird eingesetzt, um das räumliche Vorstellungsvermögen und das Gedächtnis von Versuchstieren zu überprüfen. Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Mäuse, bei denen das Protein ausgeschaltet war, die Strecke deutlich schneller absolviert haben als die Tiere, bei denen es noch intakt war.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Mikroglia eine erhebliche Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf der Alzheimer-Krankheit übernehmen“, sagt Liu. Die in der Studie gewonnenen Erkenntnisse können dazu beitragen, neue Therapien zu entwickeln, um zum Beispiel das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Originalpublikation: IKKβ Deficiency in Myeloid Cells Ameliorates Alzheimer’s Disease-Related Symptoms and Pathology Alex Liu et al.; Journal of Neuroscience, doi: 10.1523/JNEUROSCI.1348-14.2014; 2014