Bei der Herstellung von Krebsmedikamenten sollen sich Pharmazeuten Millionen Euro unter den Nagel gerissen haben. Das meint zumindest ein besorgter Whistleblower – was für ein Unsinn!
Was haben ein Kaiman namens Sammy, eine Löwin, die ein Wildschwein gewesen sein soll und ein angeblicher Skandal rund um Krebsrezepturen gemeinsam? Genau: Sie füllen das alljährliche Sommerloch in den Medien.
Dieses Mal in der Hauptrolle: ein um die Krankenkassenausgaben besorgter Whistleblower-Apotheker, der vielleicht grundsätzlich nicht ganz Unrecht damit hat, dass auf diesem Sektor sehr vieles gemauschelt wird. Seine Aussage ist aber viel zu pauschal und lässt Apotheker, die Rezepturen zur Behandlung von Krebserkrankungen herstellen, allesamt schlecht dastehen. Schlimmer noch – für Außenstehende sieht es sogar so aus, als würden sich alle Pharmazeuten hier ungerechtfertigt die Taschen füllen, während sie andernorts auf die Straße gehen und sich darüber beklagen, dass die Arbeit kaum auskömmlich ist.
Gerade in dem Moment, in dem man das Gefühl hatte, dass eine breite Mehrheit innerhalb der Bevölkerung sich solidarisch mit den Apothekenmitarbeitern zeigt, platzt eine solche Bombe hinein – für Lauterbach eigentlich viel zu schön, um „zufällig“ genau zu diesem Zeitpunkt zu kommen, oder? Doch beginnen wir mit vergangener Woche: Was wurde wo gesagt?
Mit Berufung auf Aussagen des Whistleblowers berichteten die Süddeutsche Zeitung, der NDR, der WDR und vor allem das ARD-Magazin Monitor von Großhandelspreislisten von Krebsmedikamenten, die zeigen sollen, dass der Ertrag, den die Apotheken „auf Kosten der Beitragszahler“ erwirtschaften, immens ist. Als Beispiel wird der monoklonale Antikörper Bevacizumab genannt, für den die Kassen 1.109 Euro an die Apotheken zahlen, der diese aber nur 360 Euro beim Großhandel kosten würde. Auf diese Weise hätten sich die beteiligten Apotheken im Jahr 2021 mindestens 540 Millionen unrechtmäßig unter den Nagel gerissen.
Darüber, was die Einrichtung und der Betrieb eines Zytolabors kostet (alleine der Filterwechsel bei einer Werkbank lässt einen schwindeln), wurde nicht gesprochen. Die jährlichen Ausgaben für einen einzigen Reinraum liegen oft im sechsstelligen Bereich. Zudem werden auch Rezepturen hergestellt, die der Apotheke ein Defizit bringen, das ausgeglichen werden muss.
Den Krankenkassen ist diese angebliche Geldverschwendung bekannt – es gibt hier durchaus einen Grund, warum nicht gleich die Retax aus der Schublade gezogen wird, oder anderweitige Effizienzreserven gehoben werden möchten. Auch gibt es einen Grund, warum von den fast 18.000 Apotheken in Deutschland lediglich 300 auch Krebsmedikamente herstellen. Würde man sich damit dermaßen dumm und dusselig verdienen, ohne ein persönliches Risiko einzugehen – man könnte meinen, die Apotheker würden sich darum schlagen, in so einem Markt mitmischen zu dürfen, nicht wahr?
Apotheker Robert Herold behauptet zudem, dass ihn eine Onkologin aufgefordert hätte, für das Zuweisen der Rezepturen 5.000 Euro in bar monatlich unter der Hand zu zahlen. Er solle das Geld einfach auf die Lieferkisten legen, wurde ihm gesagt. Ein anderer Mediziner wollte gleich 20.000 Euro im Monat dafür haben. Das scheint leider kein Einzelfall zu sein und ist es tatsächlich wert, hier einmal genauer hinzusehen. Auch in den sozialen Medien liest man in beinahe jedem Gruppenchat, dass das seit Jahren gang und gäbe sein soll. Und Bereicherung aufgrund von Verordnungen ist definitiv nicht in Ordnung. Nicht umsonst wird am Edikt von Salerno auch heutzutage noch festgehalten, denn das wird früher oder später immer auf Kosten der Patientengesundheit gehen. Das ist wirklich moralisch verwerflich.
Für Einen kommt dieses Statement genau zur rechten Zeit: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er reagierte sehr schnell auf die Causa Herold, und sagte, dass die hohen Gewinne bei Zytostatika „kein haltbarer Zustand“ seien und er dies nun regulatorisch angehen möchte. Bravo. Ich bin gespannt, wie er das umsetzen möchte und wie viele der ohnehin nur 300 Zyto-Apotheken dann pleite gehen. So hemdsärmelig wie Herold die Rezepturen vorführte, ist es eben nicht überall. Reinräume, ein sinnvoller Arbeitsschutz, sichere Werkbänke – all das scheint seiner Darstellung nach ja überflüssig zu sein. Den Apotheken, die ordnungsgemäß arbeiten, sowie den Apotheken, die keine Zytos herstellen, hat er mit seiner Selbstdarstellung in den Medien jedenfalls einen Bärendienst erwiesen.
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